POLITIK

"Die Bedrohungen sind real"

lw; 10.02.2025, 16:50 Uhr
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Foto Plenarsaal Bundestag: Felix Zahn/photothek; Foto Kandidat: Philipp Oberberg.
POLITIK

"Die Bedrohungen sind real"

lw; 10.02.2025, 16:50 Uhr
Oberberg - Die Direktkandidaten im Oberbergischen Kreis für den Bundestag stellen sich den Fragen von Oberberg-Aktuell - Heute: Pascal Reinhardt von der SPD.

Warum kandidieren Sie für den Bundestag?

Ich würde mich als ziemlich vielseitigen, kommunikationsfreudigen und neugierigen Menschen bezeichnen. Mir bereitet es enorm viel Freude, mich in verschiedenste Themen einzuarbeiten, mich mit Menschen auszutauschen und mich immer wieder in neue Themen hereinzustürzen. Ich stelle mir vor, dass man als Bundestagsabgeordneter täglich mit vielen neuen Herausforderungen und Themen konfrontiert wird. Das klingt für mich spannend, darauf habe ich Lust.

 

Welches politische Ziel ist Ihnen das Wichtigste?

Wir müssen Deutschland fit für die Zukunft machen. Das geht nur klimaneutral, digital und muss deutlich sozialverträglicher gestaltet werden als bisher. Ganz konkret müssen wir unbedingt die Schuldenbremse reformieren, damit der staatliche Investitionsstau auf allen Ebenen endlich aufgelöst werden kann. Nur auf einer besseren Grundlage können dann auch produktive private Investitionen endlich wieder ansteigen.

 

Welches Thema wurde von der Ampel-Regierung am meisten vernachlässigt?

Genau beim Thema Schuldenbremse war der Graben zwischen SPD, Grünen und der FDP am tiefsten. Der Start in die Legislatur war meiner Meinung nach ein sehr guter und engagierter, aber ab dem Urteil zum Klima- und Transformationsfonds blieben zu viele eigentlich gute Projekte unterfinanziert. Das hat Verunsicherung erzeugt.

 

Zur Person

 

Alter: 31

Wohnort: Lindlar

Familienstand: ledig

Beruf: Gymnasiallehrer Mathematik und Physik

Hobbys: Musizieren (Trompete und Klavier), Sport (Fußball, Basketball, Turnen, Bouldern), Lesen und Kochen

 

Bisheriger politischer Werdegang: 2013 Eintritt in die SPD, 2020 erste Kandidatur Kommunalwahl, seit 2022 stellvertretender Vorsitzender der SPD Lindlar, seit 2023 stellvertretender Kreisvorsitzender SPD Oberberg, seit 2024 Mitglied im Gemeinderat Lindlar

 

Vereinszugehörigkeiten: Musikverein Süng, Förderverein für Musik in Lindlar

 

Mein Lieblingsplatz im Wahlkreis: Das Fitnessstudio, in dem ich meine Verlobte kennengelernt habe und wo ich auch heute noch trainiere.

 

Wie muss sich Ihrer Meinung nach die Migrationspolitik entwickeln?

Wir müssen unbedingt aus dem symbolisch aufgeladenen schwarz-weiß-Denken rauskommen. Die Demographie zeigt uns eindeutig, dass wir ohne Migration nicht auskommen. Man muss aber auch anerkennen, dass Migration in Deutschland seit jeher zu schlecht organisiert wird. Die Kommunen brauchen mehr Mittel und mehr Personal, um Integration vor Ort besser zu managen. Prozesse müssen schneller abgewickelt werden, Kommunen, Länder und Bund müssen besser untereinander kommunizieren mit einheitlichen Schnittstellen und Standards. Nur so können diejenigen, die ein Aufenthaltsrecht haben, schneller integriert werden und zu ihrem Recht kommen, während diejenigen, die kein Aufenthaltsrecht haben, so auch schneller und besser ausgewiesen werden können. Wer glaubt, wir könnten die vorhandenen Probleme lösen, indem wir, das Export- und Transitland in Europa, die Grenzen vollständig kontrollieren und dicht machen, der ist auf dem Holzweg.

 

Was braucht die deutsche Wirtschaft und damit auch oberbergische Unternehmen, um wieder in Schwung zu kommen?

Kurzfristig braucht es an einigen Stellen Verbesserungen der Rahmenbedingungen. Günstigere Energiepreise, effizientere und schnellere Verwaltung, funktionierende Infrastruktur. Langfristig werden wir aber um den Elefanten im Raum nicht herumkommen: Das deutsche Geschäftsmodell wird sich verändern müssen. Obwohl die Wirtschaft zurzeit nicht einmal gut läuft, haben wir immer noch einen monatlichen Exportüberschuss von 20 Milliarden Euro. Die restlichen Länder Europas und die USA sind aber nicht mehr bereit diesen Überschuss aufzunehmen. Zusätzlich haben wir einige technologische Entwicklungen verschlafen, was zu einem weiteren Absinken der Nachfrage nach deutschen Produkten führt. Wir müssen uns deswegen Schritt für Schritt über eine steigende Inlandsnachfrage aus der Exportabhängigkeit lösen, ohne die exportorientierten Unternehmen abrupt zu überlasten. Ein zugegebenermaßen schwieriger und langwieriger Balanceakt, um den wir aber nicht herumkommen werden.

 

Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft: Auch im Wahlkreis wird um die Energiewende gerungen. Wie sollte sich Oberberg beteiligen?

Zuerst ist einmal festzuhalten, das Oberberg sich prinzipiell sehr stark daran beteiligen sollte! Die lokale Erzeugung von erneuerbaren Energien bietet sowohl für Privathaushalte, Unternehmen als auch für Kommunen und Städte große Chancen. Der Teufel steckt aber oft im Detail. Nicht jedes Projekt ist sinnvoll, nicht jeder Akteur ist seriös, es herrscht teilweise Goldgräberstimmung. Wenn sich aber ein Projekt als sinnvoll erweist (und das wird meistens der Fall sein), dann sollten sich sowohl die Kommunen als auch die Menschen vor Ort im großen Stil beteiligen können, damit auch sie von der Energieerzeugung vor Ort profitieren können. Einzig bei Wasserkraft bin ich bezüglich des Neubaus von größeren Anlagen skeptisch, denn hier sind die Eingriffe ins Ökosystem meiner Meinung nach oft unverhältnismäßig groß.

 

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Wie kann das Leben im ländlichen Raum gestärkt werden?

Es braucht auch auf dem Land eine gute soziale Infrastruktur. Zuverlässige Kinderbetreuung, ein breites Bildungsangebot, gut erreichbare Freizeitangebote und Räume des Zusammenseins. Die medizinische Grundversorgung muss sichergestellt werden und schnelles Internet muss flächendeckend zur Verfügung stehen. Gerade weil der ländliche Raum dünner besiedelt ist, können viele dieser Angebote auf dem Land nicht rein privatwirtschaftlich organisiert werden. Deswegen braucht es starke und gut finanzierte Kommunen, aber auch Freiräume für ehrenamtliches Engagement. Dafür müssen wir die Kommunalfinanzierung reformieren und gute Arbeitsbedingungen sicherstellen, damit die Menschen noch Zeit und Energie fürs Ehrenamt haben.

 

Der Krieg in der Ukraine, Konflikte in Nahost, jetzt die Wahl Donald Trumps: Wie groß sind Ihre Sorgen, dass diese Krisen auch die nationale Sicherheit bedrohen?

Die Sorgen sind groß und die Bedrohungen sind real. Realistisch gesehen haben wir nur in einem vereinten Europa mit einer gemeinsamen Linie eine Chance auf geopolitisches Gewicht. Mit der Zeitenwende haben wir bereits einen Weg eingeschlagen, auf dem wir die Sicherheit Deutschlands stärken. Nun müssen wir weitere Schritte gehen, damit Europa gemeinsam in puncto Sicherheit stärker und unabhängiger von den USA werden kann. Dazu gehört auch, dass wir mit guter Industriepolitik gezieltes De-Risking betreiben, also unsere Abhängigkeiten gegenüber Ländern wie China oder den USA reduzieren, ohne jedoch Brücken abzubrechen.
 

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