BLAULICHT

Angeklagter schweigt zu Raub in Engelskirchen – Dritter Täter wahrscheinlich gefasst

pn; 01.07.2022, 16:50 Uhr
Foto: Peter Notbohm.
BLAULICHT

Angeklagter schweigt zu Raub in Engelskirchen – Dritter Täter wahrscheinlich gefasst

pn; 01.07.2022, 16:50 Uhr
Engelskirchen/Köln – 49-jähriger Russe verweigert die Aussage – Bei dem dritten Täter soll es sich um einen Reichshofer mit Bezug zur Rocker-Szene handeln – Zwei weitere Männer sollen Schmiere gestanden haben.

Von Peter Notbohm

 

Am zweiten Verhandlungstag im Prozess wegen des spektakulären Raubes in Engelskirchen-Oberhollenberg im Januar des vergangenen Jahres hat sich der Angeklagte nicht zu der Tat geäußert. Er werde zunächst weder Angabe zur Sache noch zu seiner Person machen, hieß es vonseiten der Verteidigung. Auch der zweite mutmaßliche Täter, gegen den ein gesondertes Verfahren läuft und der sich derzeit in Untersuchungshaft in Kassel befindet, kündigte an, sein Zeugnisverweigerungsrecht wahrzunehmen.

 

Ehepaar mit Alkohol und Desinfektionsmitteln übergossen

 

Vernommen wurden von der 24. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht heute dafür zahlreiche Polizeibeamte, darunter auch der Leiter der Ermittlungsgruppe. Sie berichteten, dass die drei Täter, die sich als Hermes-Boten verkleidet hatten, um in die Wohnung zu kommen, äußerst penibel vorgegangen sein müssen. Ein Polizist sagte, dass neben einer Flasche Desinfektionsmittel, auch eine Flasche Wodka und eine Flasche Sambuca im Rahmen der Spurensuche sichergestellt wurden. Die Männer, die während der Tat Handschuhe trugen, sollen das überfallene Ehepaar (damals 53, 54) immer wieder damit übergossen und den Mund ausgespült haben, um mögliche DNA-Spuren zu vernichten.

 

Zudem sollen die Fingerkuppen der Geschädigten mit einer Zahnbürste geputzt worden sein. Geholfen hat dies allerdings nicht: Beide Männer wurden anhand von DNA-Spuren unter den Fingernägeln der Opfer identifiziert. Ein weiterer Polizist berichtete von seiner Befragung des Ehepaars. Demnach sollen zunächst zwei Männer die beiden nach einem kurzen Kampf mit Kabelbindern im Wellnessbereich des luxuriösen Hauses gefesselt haben und eine Decke über den Kopf gelegt haben. Sie waren von einem dritten Täter bewacht worden. Nachdem die Kriminellen geflüchtet waren, konnte sich die Ehefrau befreien, weil ihr Kabelbinder locker saß – sie befreite ihren Mann und alarmierte anschließend bei einem Nachbarn die Polizei.

 

Dritter Tatverdächtiger kommt vermutlich aus Reichshof

 

Bei dem Raub handle es sich um eine „herausragende Tat“, sagte der Leiter der Ermittlungsgruppe: „Solch ein Raubdelikt gab es während meiner Tätigkeit im Oberbergischen noch nie.“ Zudem gab er bekannt, dass der dritte Täter der Polizei kürzlich vermutlich ins Netz gegangen ist. Dabei soll es sich um einen Mann aus Reichshof handeln, der Bezüge zur Rocker- und Drogen-Szene hat. Er wurde im Zusammenhang mit einem Raubüberfall in Hamm festgenommen, bei dem die Täter ähnlich wie in Engelskirchen vorgingen. Die Ermittlungen in beiden Fällen dauern noch an. Auswertungen von Telefonüberwachungen und beschlagnahmten Handys würden diesen Rückschluss aber zulassen.

 

Damit könnte die Polizei auch aufgeklärt haben, wieso die beiden Täter, die sonst im hessischen Raum agiert haben, ausgerechnet auf die kleine Ortschaft im Oberbergischen kamen. Der Reichshofer soll Mitglied einer Gummersbacher Kampfsportschule sein. In polizeilichen Befragungen soll die überfallene Ehefrau ausgesagt haben, dass ihre Putzfrau einen Aufkleber dieser Schule auf ihrem Auto gehabt habe.

 

Polizei vermutet weitere Mittäter

 

Abgeschlossen sind die Ermittlungen der Polizei aber noch längst nicht. Der Ermittlungsleiter berichtete zudem, dass man davon ausgehe, dass noch mindestens zwei weitere Männer an dem Raub beteiligt waren - sie sollen als Späher agiert haben. Zeugen hatten mehrere verdächtige Wagen gemeldet. Die Polizei hatte daraufhin an einem Hang, von dem aus die gesamte Ortschaft zu überblicken war, mehrere Zigarettenstummel gefunden. An ihnen wurden ebenfalls DNA-Spuren gefunden, diese konnten bislang aber niemandem zugeordnet werden. Eine Spur zu einer Messerattacke in Köln verlief im Sande.

 

Der Angeklagte wirkte während der Vernehmungen relativ desinteressiert, nur als die Aufnahmen der grobkörnigen Videokamera des Anwesens in Augenschein genommen wurden, suchte er mehrmals das Gespräch mit seinem Anwalt. Der 49-jährige Russe ist – genau wie seine mutmaßlichen Mittäter - laut Angaben der Polizei einschlägig vorbestraft. Er war 2004 nach mehreren brutalen Raubüberfällen auf Tankstellen zu einer langen Haftstrafe verurteilt und 2013 nach Russland abgeschoben worden. Nur ein Jahr später soll er illegal wieder nach Deutschland eingereist sein und erneut unzählige Straftaten begangen haben. Von 2017 bis 2020 saß er erneut in der JVA ein. Nur anderthalb Monate nach seiner Entlassung geschah der Raubüberfall in Engelskirchen. Die Staatsanwältin hatte schon zum Prozessauftakt eine anschließende Sicherheitsverwahrung für ihn gefordert.

 

Fortgesetzt wird der Prozess am Montag, dann soll auch das überfallene Ehepaar aussagen. Das Urteil wird weiterhin für den 11. August erwartet.

 

Weitere Artikel zum Thema

 

Prozessauftakt: Ehepaar von falschen Hermes-Boten brutal überfallen

Fahndungserfolg: Zweite Festnahme nach brutalem Raub auf Engelskirchener Ehepaar

Brutaler Raubüberfall: Ehepaar erlebt Albtraum

WERBUNG