POLITIK

Kompromiss im Kreistag: Werden die Kommunen nun wirklich entlastet?

lw; 08.10.2021, 17:00 Uhr
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Kompromiss im Kreistag: Werden die Kommunen nun wirklich entlastet?

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lw; 08.10.2021, 17:00 Uhr
Oberberg – Ausgleichsrücklage soll ab 2022 zum Teil an die Städte und Gemeinden ausgeschüttet werden – 1,5 Prozent des Haushaltsvolumens bleibt als Puffer – Vorläufiges Ende einer langen Diskussion.

Von Lars Weber

 

Angesichts des monatelangen Disputs um den Einsatz der Ausgleichsrücklage des Kreises für die finanzielle Entlastung der kreisangehörigen Kommunen ist der Kompromiss gestern bei der Sitzung des Kreistags im Kulturzentrum Lindlar von allen Fraktionen mit Freude aufgenommen worden. Schon beginnend mit dem Nachtragshaushalt für das Jahr 2022 soll die neue Regelung gelten. 1,5 Prozent des Haushaltsvolumens des jeweiligen Planjahrs verbleiben dabei als Risikopuffer, um im Falle unvorhergesehener Ereignisse handlungsfähig zu bleiben. Der Rest wird an Städte und Gemeinden ausgeschüttet. Die Freude war aber längst nicht bei allen Beteiligten ungetrübt. CDU und FDP warnten eindringlich.

 

Der Streit um den Einsatz der Ausgleichsrücklage für die Kommunen, um sie während der Pandemie finanziell zu entlasten, fand seine Höhepunkte im März und Mai. Als der Doppelhaushalt des Kreises beschlossen werden sollte, hatte ein Antrag der Grünen auf den Einsatz der Ausgleichsrücklage bei geheimer Abstimmung überraschend Erfolg – nicht alle von CDU, FDP/FWO/DU und UWG stimmten dagegen (OA berichtete). Der Haushalt musste neu berechnet werden und sollte dann im Mai beschlossen werden. Bei dieser Sitzung kam es zur Rolle rückwärts und die Mehrheit setzte doch noch den ursprünglichen Haushaltsentwurf durch – was zu einer Grundsatzdebatte über das Demokratieverständnis im Gremium führte (OA berichtete).

 

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Aus dem Schatten der Mehrheitsfraktionen trat anschließend die UWG heraus, und stellte den Antrag, ab 2023 die Ausgleichsrücklage bis auf einen Prozent des Haushaltsvolumens (bei einem Volumen von etwa 470 Millionen Euro wären dies rund 4,7 Millionen Euro) einzusetzen, um eine grundsätzliche Regelung zu haben, wie künftig zu verfahren ist. SPD, Grüne und die Linke legten nach und sprachen sich dafür aus, dies schon ab dem Nachtragshaushalt 2022 so zu regeln. CDU und FDP/FWO/DU gingen schließlich mit unter der Bedingung, den Puffer auf 1,5 Prozent (entspricht etwa 7,1 Millionen Euro) zu erhöhen. So wurde gestern in Lindlar der Änderungsantrag der Koalition einstimmig verabschiedet.

 

„Es gab schon viele Verlierer bei dieser Diskussion“, sagte Jürgen Poschner (UWG) vor der Abstimmung. Dies solle sich nun ändern. „Viele von uns sind sowohl im Kreistag als auch in den Räten der Heimatkommunen tätig.“ Die Meinungen sollten dabei nicht immer nur gegeneinander gehen. „Wir wollen zeigen, dass es auch miteinander geht“, so Poschner. SPD-Fraktionschef Sven Lichtmann freute sich, dass seine Kernforderung erfüllt wurde, mahnte aber, dass das eigentliche Problem erst noch angegangen werden müsse: „Wirklich im Interesse der Kommunen zu handeln heißt, sparsam zu wirtschaften, sodass auch etwas übrigbleibt“. Marie Brück (Grüne) äußerte die Hoffnung, dass die Mitglieder mit diesem Kompromiss innerhalb des Kreistags auch wieder „kürzere Wege zueinander zu finden“.

 

Obwohl letztlich dem Änderungsantrag von CDU und FDP/FWO/DU zugestimmt wurde, waren es auch die Antragssteller, die auf die möglichen Konsequenzen des Beschlusses hinwiesen. CDU-Fraktionschef Michael Stefer sagte: „Bislang war die Stabilität der Kreisumlage vom Kreis gesichert“. Dies könne nun der Vergangenheit angehören, wenn der Risikopuffer angesichts unvorhersehbarer Ereignisse oder Entwicklungen nicht ausreiche und die Rechnung auf andere Weise beglichen werden muss. „Ich befürchte, dass es zu größeren Sprüngen bei der Kreisumlage kommen wird.“ Eine Einschätzung, die FDP-Fraktionsvorsitzender Reinhold Müller noch einmal mit Nachdruck bestätigte.

 

Dr. Ralph Krolewski (Grüne) veranlassten die Äußerungen zu der Frage, warum der Antrag von der Koalition überhaupt eingebracht worden sei, wenn er solche Bauschmerzen verursache – „außer politischer Gründe wegen der Partnerschaft mit der UWG“. Eine Antwort darauf gab es nicht.

 

Wie lange die „Freude“ im Kreistag über den Kompromiss hält, wird schon bald zu merken sein. Die Verwaltung beabsichtigt in der letzten Oktoberwoche das sogenannte Benehmensverfahren mit den kreisangehörigen Kommunen einzuleiten, um den Nachtragshaushalt im Dezember in den Kreistag einzubringen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass mehr Geld in die Hand genommen werden muss als zunächst gedacht. Das hängt zum einen mit der Umsetzung des millionenschweren, aber notwendigen Rettungsbedarfsplans zusammen, zum anderen mit einer deutlich erhöhten Landschaftsumlage, die der LVR angekündigt hat. Wie viel Entlastung wird also für die Kommunen übrigbleiben?

 

Aus dem Kreistag

 

Beschlossen haben die Kreistagsmitglieder einstimmig die erste Phase der baulichen Umsetzung des Rettungsbedarfsplans (OA berichtete). Auch das weitere Vorgehen bei der Zentralisierung der Kreisverwaltung, bei dem die Wettbewerbssieger ihre Entwürfe den veränderten Rahmenbedingungen anpassen sollen (OA berichtete), wurde beschlossen, wenn auch nur mehrheitlich. Die SPD-Fraktion erneuerte ihre Kritik an dem Projekt und forderte, erst die Digitalisierung der Verwaltung noch weiter voranzutreiben. So würde der Publikumsverkehr weiter abnehmen und der Raumbedarf sich weiter verändern. CDU und FDP/FWO/DU dagegen sehen keinen Grund, den Prozess nicht weiter voranzutreiben. Die Grundannahme der SPD sei falsch. Eine umfassende Digitalisierung der Dienstleistungen müsse auch in Absprache mit Kommunen und Land erfolgen. Es gelte auch, die „desolaten Arbeitsbedingungen“ für viele Kreisbedienstete zu verbessern.

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