POLITIK
Schlagabtausch mit Hoffnungsschimmer
Nümbrecht – Demonstration zeigt wachsenden Widerstand gegen Erweiterung des Gewerbegebiets Elsenroth – Verwaltung möchte das Gespräch mit Sarstedt suchen.
Von Lars Weber
Zwischendurch wurde es stürmisch. Lose Blätter flogen durch die GWN-Arena, der Sturm und der Regen drängten ins Trockene. Bürgermeister Hilko Redenius setzte dem Treiben aber schnell ein Ende und schloss die offene Tür zur „Sitzungshalle“. Die Diskussion zwischen den Mitgliedern des Planungs- und Umweltausschusses und den Wortbeiträgen der Bürger zur geplanten Erweiterung des Gewerbegebiets Elsenroth – möglich geworden, weil die offizielle Sitzung dafür extra unterbrochen wurde – konnte weitergehen. Sie wurde emotional und teils leidenschaftlich geführt, ging aber niemals unter die Gürtellinie. Am Ende der bis dahin fast drei Stunden andauernden Sitzung votierten die Ausschussmitglieder klar mit elf Ja-Stimmen für die nächste Offenlage des Flächennutzungsplans und des Bebauungsplans (siehe Eckpunkte der Planung). Nur Andrea Saynisch und Rainer Gottschlich (beide Bündnis90/Die Grünen) stimmten dagegen. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse des Abends?
Der Widerstand lebt
Erst vor wenigen Wochen formierte sich die Bewegung „Rettet die Natur“ in Gerhardsiefen. Seitdem haben die engagierten Bürger es geschafft, viele Mitstreiter beziehungsweise zumindest Unterschreiber hinter sich zu scharren. 250 Unterschriften auf Papier, 400 in digitaler Form, dazu rund 100 Menschen, die dem Aufruf zur Demonstration gefolgt waren – trotz der Hitze und dem Start um 16:30 Uhr. Darunter waren auch Vertreter des Dorfvereins Großfischbach, also aus der Nachbarkommune Wiehl, die mehr Verkehr vor ihrer Haustür fürchten, aber auch Mitglieder von Linken und Grünen.
[Das höhrere Verkehrsaufkommen ist ein Kritikpunkt der Gegner.]
Immer wieder betont wurde, dass zwar das Projekt und vor allem das geplante Logistikzentrum von Sarstedt abgelehnt werde, nicht aber das Unternehmen selbst, das ja auch größter Arbeitgeber in Nümbrecht ist. Die Hoffnung von „Rettet die Natur“: „Wir wollen ernst genommen werden, wir sind mehr als ein paar Leute aus Gerhardsiefen und Elsenroth“, so Alexander Gerigk. „Außerdem sollte der Beschluss abgelehnt werden, um vor der weiteren Planung nochmals in den Dialog mit uns Bürgern zu gehen.“
Die Positionen …
…der kritischen Bürger: Karin Vorländer von der BI „Oberberg Süd für den Atomausstieg“ forderte eine Abkehr von dem System „Wachsen oder Weichen“, das bereits jetzt Auswirkungen zum Beispiel auf das Klima habe. Vor weiteren Beschlüssen sollte das Gespräch mit Sarstedt gesucht werden. Andreas Gerigk („Rettet die Natur“) erneuerte Zweifel an der Qualität der Erde als Baumaterial, die auch in einem Gutachten geäußert wurden. „Die Risiken sind nicht kalkulierbar“, so eine Bürgerin. Ein Vertreter aus Großfischbach sprach von einer „wahnsinnigen Verkehrsbelastung“ für sein Dorf. „Ein Logistikzentrum gehört an die Autobahn!“ Und falls in Bomig kein Platz mehr sei, sollte es eben woanders an die Autobahn gebaut werden, so ein weiterer Bürger. Bewohner des Forellenwegs in Elsenroth, praktisch am Fuße des geplanten Gewerbegebiets gelegen, fürchten die Höhe des hohen Gebäudes. Auch eine Befürworterin meldete sich. Die Lastwagenfahrerin erinnerte daran, dass nur durch gute Gewerbesteuereinnahmen die Grundsteuer nicht erhöht werden müsse. „Sarstedt zu vertreiben wäre ein Riesenfehler.“
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[Von der Straße in die Halle: Die Demonstranten setzten sich auch in die Sitzung in der GWN-Arena.]
…der Ausschussmitglieder: Vor den Bürgerstimmen meldeten sich nur die Grünen und Dietmar Oelsner (FDP) zu Wort. Andrea Saynisch und Rainer Gottschlich forderten, das „Kirchtumdenken“ aufzugeben, und für den Schutz von Klima und Menschen Lösungen in angrenzenden Kommunen für Sarstedt zu suchen. Gemeinsam mit Oelsner wurde auch die Verwendung des Erdbodens hinterfragt. Jürgen Schumacher vom gleichnamigen Planungsbüro antwortete, dass der Boden schon speziell sei, ein Großteil ihrer Meinung nach aber zu verarbeiten sein wird. Nachdem sich die Bürger geäußert hatten, sagte Björn Dittich (CDU), dass die Erweiterung des Gewerbegebiets die einzige Chance Nümbrechts auf Entwicklung sei, da es trotz großer Bemühungen seitens der Verwaltung keine alternativen Flächen im Regionalplan von der Bezirksregierung akzeptiert werden. Wilhelm Weber (GUD) befürchtet, dass sich die Firma Sarstedt an ihren anderen Standorten umschauen würde, wenn Nümbrecht das falsche Signal sendet. „Mit dem richtigen Signal aber könnten wir bestenfalls Arbeitsplätze auf Jahrzehnte sichern.“
…der Verwaltung: Bürgermeister Hilko Redenius versuchte gemeinsam mit Bauamtsleiter Manfred Schneider, sämtliche Kritikpunkte nochmals aufzugreifen. Dass die Landstraßen zwar rund 850 Fahrzeuge mehr am Tag aufnehmen müssten, sie dadurch aber trotzdem höchstens eine normale Auslastung hätten. Dass der Schattenwurf zu keiner Zeit auf Wohnbebauung fiele. Dass die CO2-Belastung durch die Lastwagen schon heute da sei. Dass die Bodenqualität weiter geprüft werde. Dass die Verwaltung alles getan habe, um bei der Bezirksregierung noch andere Flächen für Gewerbeentwicklung in den Regionalplan zu bekommen. „Wir haben es aber nicht geschafft.“
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[Bauamtsleiter Manfred Schneider (li.) erklärte die Pläne anhand einer Grafik.]
Hoffnungsschimmer für die Gegner des Projekts
Beschlossen ist die Entwicklung des Gewerbegebiets noch nicht. Es wurde lediglich die erneute Offenlage für vier Wochen abgesegnet. Das gibt den engagierten Bürgern Zeit, weitere Eingaben zu machen und sich weiter zu formieren. Auch juristische Schritte wurden nicht ausgeschlossen, explizit darüber beraten habe man aber noch nicht, hieß es von „Rettet die Natur“. Tatsächlich scheint aber gerade die Entscheidung der Bezirksregierung der Gemeinde keinen Spielraum zu geben. Da macht eine Aussage von Redenius hellhörig, der gerade mit Blick auf den CO2-Ausstoß der Lastwagen sagte, er wolle mit der Firma Sarstedt darüber sprechen, ob eine Zusammenlegung von Lager und Sterilisation an einem Platz eine Option wäre. Wo so etwas überhaupt möglich sein könnte – an einem bestehenden oder an einem neuen Standort -, darüber sagte Redenius am Mittwoch nichts.
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