POLITIK

Hausarztmangel: Neue Ideen händeringend gesucht

Red; 20.11.2023, 14:35 Uhr
Symbolfoto: Thirdman auf Pexels
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Hausarztmangel: Neue Ideen händeringend gesucht

Red; 20.11.2023, 14:35 Uhr
Oberberg – Zwei Vorträge zum Thema der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum gab es im Gesundheitsausschuss des Kreises.

Von Lars Weber

 

Dr. Ralph Krolewski stand als Allgemeinmediziner und Vorsitzender des Hausärzteverbands Oberberg gerade noch in Düsseldorf beim Protest, um den Unmut der Ärzteschaft ob der Unterfinanzierung der Hausarztpraxen kundzutun (OA berichtete), da saß er am Mittwochnachmittag auch schon wieder für die Grünen in der Sitzung des Kreisgesundheitsausschusses, wo es nahtlos weiterging mit dem Thema. Zum einen wurde ein Konzept zur Weiterentwicklung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Bergischen RheinLand präsentiert, zum anderen referierte Prof. Dr. Beate Müller, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin an der Kölner Universität, über die Stärkung der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten Regionen. Vor allem der Vortrag Müllers bot dabei einige Ansätze, die die Ausschussmitglieder gerne aufgenommen haben.

 

Niedergelassene Hausärzte im Kreis werden immer älter. Gleichzeitig kommen kaum Jüngere in die ländliche Region nach. Die Folge sind volle Praxen, längere Anfahrtswege für Patienten aufgrund einer nicht sozialraumbezogenen Verteilung, Arbeitszeiten von mehr als 50 Wochenstunden und engagierte Allgemeinmediziner im Rentenalter, die momentan eine noch schlechtere Versorgungslage verhindern. Doch wenn in den kommenden zehn Jahren rund 50 Prozent der Praxen aufgrund der Altersstruktur schließen, könnte eine „Unterversorgungskatastrophe“ auf das Oberbergische zurollen, wie Dr. Krolewski unlängst prognostizierte (OA berichtete).

 

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Das Thema beschäftigt den Ausschuss schon lange. „Alle kennen sich mit damit aus, die Ärzte können bald nicht mehr“, sagte Ina Albowitz-Freytag (FDP). „Wir brauchen Hilfe aus Düsseldorf und Berlin.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte Bernhard Faller vom Büro Quaestio seinen Vortrag über das Konzept zur Weiterentwicklung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Bergischen RheinLand bereits beendet – und gemerkt, dass er den Ausschussmitgliedern nur wenig Neues mitgeteilt hatte. Die Studie wurde im Rahmen der Regionale 2025 durch den Oberbergischen Kreis, den Rhein-Sieg-Kreis und dem Rheinisch-Bergischen Kreis in Auftrag gegeben.

 

Das Büro erfasste dazu den Status Quo, es gab eine Ärztebefragung, dazu 30 Kurzinterviews, 22 Bürgermeistergespräche und sechs Interviews mit Krankenhausvertretern. Schon jetzt können demnach 75 Prozent der Fach- und Hausarztpraxen die Behandlungsnachfrage nur noch schwer bewältigen. Die hohe Bürokratie, der Zeitaufwand pro Patient und deren Altersstruktur (immer mehr Ältere) führen unter anderen zu der Einschätzung. Zugleich kommen zu wenige neue Ärzte nach – auch, weil die aktuellen Arbeitsbedingungen für diese Generation unattraktiv sind (mehr Teilzeit ist gewünscht, man möchte Arzt sein, nicht Geschäftsführer, so Faller) und die Ausbildungskapazitäten gering.

 

Faller riet dazu, in den Dialog zu gehen: mit den Kommunen, mit den Ärzten, mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und Kostenträgern. Ärzte müssen unterstützt werden, um beispielsweise Praxen zusammenzulegen, um attraktivere Arbeitsplätze zu schaffen. Dies müsse auch über die Kommunengrenzen hinaus geschehen. „Weg von der kleinbetrieblichen Struktur, hin zu Versorgungszentren.“ Erst dann sei auch organisatorische Entlastung möglich.

 

Beim Thema Medizinische Versorgungszentren (MVZ) überwiegt aber inzwischen die Skepsis im Ausschuss. Die Insolvenz des MVZ in Derschlag hat deutliche Spuren hinterlassen. Die Rahmenbedingungen für kommunale MVZ wiederum – in Morsbach und Nümbrecht ist das Thema – stimmten laut Dr. Krolewski nicht, sie stellen für Kommunen ein Risiko dar. Dem widersprach Faller. Es gebe ordentliche Modelle, die auch funktionierten, wie zum Beispiel das MVZ Hausärzte Schwalm-Nette. Gesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach konnte den Ergebnissen etwas Gutes abgewinnen. Auch wenn es nicht viel Neues bereithielte: „Es zeigt, dass wir die Themen erkannt haben.“ Auch wenn dies allein die Ausschussmitglieder wenig zufriedenstellte. Eigentlich hätten sie aufgegeben, auf Unterstützung von Bund und Land zu warten, wie Albowitz-Freytag sagte. Klar ist aber auch: Ohne tiefgreifende Reformen sieht es schlecht aus.

 

Die Ausschussmitglieder wünschten sich positive Impulse. Diese bekamen sie im Vortrag von Prof. Dr. Müller. Ihre Ziele an der Uni: Die Begeisterung für die Allgemeinmedizin schüren und die hausärztliche Versorgung in unterversorgten Regionen stärken. Letzteres sei nicht einfach zu erreichen. So liege die Landarztquote bei 7,8 Prozent der Studierenden, in Köln bedeutet das rund 25 bis 30 pro Jahr. Vor allem ihre Biografie treibe junge Mediziner ins Ländliche: Weil sie selbst von dort kommen oder ihr Partner. Oder aber weil sie im Studium darin bestärkt worden seien, so Müller weiter. So gebe es bei ihr das Wahlfach „Was macht die Landarztpraxis anders“, bei dem es auch Kontakt zu Praxen im Oberbergischen Kreis gebe. Allerdings ist das Angebot des freiwilligen Wahlfachs sehr begrenzt.

 

Mit längeren Praktika und auch Bonusleistungen dabei wie zum Beispiel einem eBike für die Zeit des Praktikums in einer Praxis zeigten andere Universitäten, dass noch mehr möglich ist. Teils werden diese Programme auch von Land und Bund gefördert. Für den Anfang könnte sich die Dr. Müller vorstellen, bei der Auswahl der Lehrpraxen per Steuerungsmechanismus mehr junge Mediziner in die ländlichen Regionen zu bekommen. Momentan knubbeln sich die meisten Lehrpraxen nur im Kölner Raum.

 

Dr. Roland Adelmann (SPD) dankte der Referentin und brachte eine Betreuung und Beratung jener jungen Schulabsolventen in die Diskussion, die aufgrund des NC nicht gleich mit einem Medizinstudium beginnen können. „Der NC ist nicht hilfreich“, pflichtete Dr. Müller ihm bei. Kreisdezernentin Birgit Hähn ergänzte, dass sie bei den Ausbildungsplätzen im Rettungsdienst inzwischen gerne auch wieder jene einstellten, die später Arzt werden möchten. Tatsächlich war dies früher ein Ausschlusskriterium aus Angst, das Personal schnell wieder zu verlieren. Nun hoffe man, dass die Menschen nach dem Studium zurückkehren. Gesundheitsamtsleiterin Kaija Elvermann bekräftigte den finanziellen Aspekt im Überzeugungsprozess, aufs Land zu gehen. „Ein bezahltes Praktisches Jahr auf dem Land kann viel ausmachen, diese Anerkennung ist notwendig.“

 

Ein wenig Optimismus gab es am Ende der Sitzung dann also doch, wobei Dr. Ralph Krolewski klarstellte: „Wir müssen uns auf das kommende Tal einstellen“.

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