LOKALMIX
Protest gegen Lauterbachs Pläne
Oberberg – Am „Aktionsbündnis Patientenversorgung“ beteiligen sich heute auch oberbergische Apotheker und Ärzte – Rund 90 Prozent der Apotheken sind geschlossen (AKTUALISIERT).
Mit Blick auf die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums um Minister Karl Lauterbach, könnte es künftig eine neue Art von Apotheken geben: die „Apotheke light“ – ohne Apotheker, ohne eine eigene Produktion von Medikamenten wie Salben oder Krebsmitteln und auch ohne Notdienste. „Aber da halten wir nichts von“, sagt Sebastian Gissinger als Kreisvertrauensapotheker im Oberbergischen – ganz im Gegenteil. Um das deutlich zu machen, findet heute in Dortmund der Westdeutsche Apothekenprotesttag statt. Viele Apotheken haben deshalb geschlossen, in Oberberg um die 90 Prozent.
[Tausende Menschen haben an der Kundgebung vorm Dortmunder U teilgenommen.]
Mit Lauterbachs Plänen verbunden seien nicht zuletzt finanzielle Einsparungen. „Aber die Apotheken müssen gestärkt werden“, fordert Gissinger. Was beim Betrieb einer Apotheke herauskomme, sei zu wenig. „Es rentiert sich nicht mehr.“ Zwar habe es im Oberbergischen in diesem Jahr noch keine Schließungen gegeben, bundesweit sähe das aber ganz anders aus. So habe es in diesem Jahr bereits so viele Schließungen gegeben, wie in 2022 insgesamt. Rund 17.700 Apotheken gebe es laut Gissinger derzeit noch in Deutschland: „Das ist der niedrigste Wert seit 50 Jahren.“
Zehn Prozent der Apotheken seien in den roten Zahlen, weitere 30 Prozent gefährdet. Seit zehn Jahren habe es keine Margenerhöhung gegeben. Dem gegenüber stünden aber unter anderem die Inflation sowie höhere Gehälter für Mitarbeiter. Gissinger spricht außerdem über die Lieferengpässe, mit denen für Apotheker nicht nur ein höherer Zeitaufwand verbunden sei, vielmehr werde dieser auch nicht honoriert. Zudem müssten die Medikamente von den Apotheken vorfinanziert werden, doch die Abrechnung mit den Kassen gelinge nicht immer – beispielsweise, weil ein Arzt auf einem Rezept nicht seinen vollständigen Namen angegeben hat.
[Zahlreiche Inhaber und Mitarbeiter von Apotheken haben ihren Unmut zum Ausdruck gebracht.]
Primär gehe es bei dem heutigen Protest, an dem sich auch Apotheker aus Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland beteiligen, nicht um das Gehalt der Fachkräfte. „Es geht um den Erhalt der Apotheken. Das ist ein super System, das wir in Deutschland haben, und wir müssen aufpassen, dass wir das nicht gegen die Wand fahren“, sagt der Engelskirchener, der dabei an das Gesundheitssystem insgesamt denkt. Und so protestieren heute nicht nur die Apotheker. Zusammengeschlossen haben sie sich mit Hausärzten, Zahnärzten sowie weiteren Fachkräften aus Gesundheits- und Pflegeberufen zum „Aktionsbündnis Patientenversorgung“ – nicht nur auf lokaler Ebene, sondern landes- und bundesweit.
Und so hat heute auch der Gummersbacher Arzt Dr. Ralph Krolewski, Vorsitzender des Oberbergischen Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, seine Praxis geschlossen. Zusammen mit seinem Team ist er heute im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf. Dort findet neben einem Protest auch eine Fortbildung statt. „Denn offiziell dürfen wir nicht streiken“, erklärt der Allgemeinmediziner. Im Gegensatz zu angestellten Ärzten gelte für Vertragsärzte ein Streikverbot.
[Nach der Kundgebung am Dortmunder U gab es einen Protestzug durch die Stadt.]
Ab heute seien die Budgets der niedergelassenen Praxen für dieses Jahr aufgebraucht. Bis zum Jahresende werde in der Regelversorgung also umsonst gearbeitet. Krolewski spricht von einer Unterfinanzierung, einer Unterversorgung und einer besorgniserregenden Entwicklung: „Wir stehen noch nicht am Praxenkollaps, aber am Versorgungskollaps.“ Durch die zentralen Veranstaltungen sollen klare Botschaften nach Berlin gesendet werden. „Wir möchten deutlich machen, was auf dem Spiel steht.“
Mit Blick auf das Oberbergische spricht Krolewski von einer „überalterten Hausärzteversorgung“. Der Anteil der unter 40-jährigen Hausärzte liege in Oberberg bei 1,3 Prozent. Und so würden viele Hausärzte, obwohl sie das Rentenalter erreicht hätten, noch weiterarbeiten – so wie Krolewski selbst. Der Gummersbacher ist 67 Jahre alt, führt seine Praxis auf dem Bernberg. Zwei bis drei Jahre möchte er noch praktizieren, den Standort der Praxis sichern und eine Nachfolge organisieren.
Krolewski sagt aber auch: was in den kommenden Wochen und Monaten passiert, und welche Entscheidungen die Politik trifft, das werde sich auch auf seine Praxis auswirken: „Wir brauchen zukunftsfähige Rahmenbedingungen. Rahmenbedingungen, die auch für den spärlichen Nachwuchs attraktiv sind.“
Der Notdienst wird am Mittwoch im Oberbergischen von der Apotheke am Bernberg in Gummersbach, der Aesculap-Apotheke in Morsbach und der Löwen-Apotheke in Radevormwald übernommen. Weitere Infos zum Notdienst sind über die Website www.aponet.de zu finden.
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