BLAULICHT

„Das ist nicht der Mensch, den wir kennengelernt haben“

pn; 10.01.2022, 05:00 Uhr
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Foto: Peter Notbohm ---- Kindesmissbrauch in über 30 Fällen wird Hans Bernhard U. vorgeworfen.
BLAULICHT

„Das ist nicht der Mensch, den wir kennengelernt haben“

pn; 10.01.2022, 05:00 Uhr
Gummersbach/Köln - Am Kölner Landgericht wurde im Prozess wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern eine frühere Freundin des angeklagten Priesters vernommen.

Von Peter Notbohm

 

Nachdem im Prozess wegen sexuellen Missbrauchs gegen Hans Bernhard U. in den vergangenen Wochen die mutmaßlichen Opfer gegen den katholischen Priester unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesagt haben, wurde nun vor dem Kölner Landgericht eine frühere langjährige Freundin des Angeklagten vernommen. Auch ihre Töchter sollen zu den Opfern gehören – seit Prozessbeginn waren immer mehr Fälle bekannt geworden, nachdem viele Frauen ihr jahrelanges Schweigen gebrochen haben.

 

Die Rentnerin zeichnete allerdings ein völlig anderes Bild des inzwischen 70-jährigen Angeklagten. Sie beschrieb Hans Bernhard U. als hervorragenden Seelsorger, dem ein guter Ruf vorausgeeilt sei. Dass viele Mädchen im Pfarrhaus ein- und ausgingen und auch häufig übernachteten, habe nie jemanden misstrauisch werden lassen. „Das war damals selbstverständlich“, sagte die Zeugin und berichtete zudem, dass die Kindern gerne zu dem Kreisjugendseelsorger nach Lantenbach kamen: „Sie standen damals Schlange, um an den von ihm organisierten Jugendfreizeiten teilzunehmen.“

 

Sie bezweifelte auf Nachfrage der Kammer sogar, dass dies in der Gemeinde damals überhaupt ein Thema gewesen sei. Von einer negativen Gerüchteküche wollte sie nie etwas mitbekommen haben. Dazu passte allerdings auch ins Bild, dass sie nie mit ihrer Tochter über den gerade laufenden Prozess gesprochen habe.

 

Sie selbst sei 1987 mit dem Geistlichen  erstmals in Kontakt gekommen. Nach einer schlechten Erstkommunion ihrer ältesten Tochter habe sie ihre „hinterwäldlerische“ Gemeinde verlassen und sei auf mehrfache Empfehlung in der Kirchengemeinde in Lantenbach gelandet. Intensiviert wurde die Beziehung zwischen ihrer Familie und dem Angeklagten etwa ein Jahr später, als ihr Mann sie und die gemeinsamen Kinder im Stich gelassen hatte. Hans Bernhard U. habe sie damals eingeladen mit ihren zwei kleinen Kindern zu einer Herbstfreizeit mitzukommen, zu der ihre drei älteren Kinder bereits angemeldet waren.

 

„Ich habe mich aufgehoben gefühlt – auch menschlich“, sagte die Frau. Der Geistliche sei ein guter Zuhörer gewesen, der nicht nur mit Plattitüden geantwortet und zudem einen modernen Stil von Kirche vorgelebt hätte. „Dass er mich mitnahm, war für mich ein Signal, dass sich hier jemand kümmert“, habe sie vor den Gesprächen mit dem Seelsorger sogar Suizidgedanken gehabt. Überhaupt sprach die Zeugin möglichst häufig positiv über den Angeklagten, blieb bei negativen Aspekten dagegen eher vage in ihren Aussagen und bestätigte vieles erst nach den bohrenden Fragen und Vorhaltungen des Vorsitzenden Christoph Kaufmann.

 

Über die Jahre sei eine gute Freundschaft entstanden. Sie engagierte sich fortan ebenfalls bei den Jugendfreizeiten, später putze sie auch bei ihm im Haus und mehrfach wurde gemeinsam in Urlaub gefahren. Hans Bernhard U. habe eine Faszination auf sie ausgeübt, zu einer sexuellen Beziehung sei es aber niemals gekommen, betonte sie: „Auch wenn uns das aufgrund unserer engen Beziehung angedichtet wurde.“ Die Vorwürfe, die sie in den Medien gelesen habe, könne sie kaum glauben: „Das ist nicht der Mensch, den wir kennengelernt haben. Wir schütteln nur den Kopf und verstehen es nicht.“ Schließlich habe er schon vor seiner Priesterweihe sich zweier Pflegekinder aus Bonn angenommen und dabei sogar seine Weihe riskiert. Dass der Angeklagte seine Pflegetochter vergewaltigt haben soll, davon wollte sie nie etwas gehört haben.

 

Auch in ihren vier Jahren als Haushälterin bei dem Seelsorger – in dieser Zeit soll der Mann seine Nichten mehrfach missbraucht haben - sei ihr nie etwas außergewöhnliches aufgefallen. Pornos, Sexfilme, Kondome oder einen Dildo habe sie beim Aufräumen von Küche und viel genutzten Räumen nie gefunden, lediglich von vielen Süßigkeiten im Haus wusste sie zu berichten. Das Bad, in dem mehrere der Taten geschehen sein sollen, habe sie nie als übermäßig genutzt angesehen. Die Freundschaft sei Anfang des Jahrtausends mit seiner Versetzung als Krankenhausseelsorger nach Wuppertal langsam im Sande verlaufen. „Wir haben seit zwölf oder 15 Jahren keinen Kontakt mehr.“

 

Hans Bernhard U. verfolgte die Schilderungen seiner früheren Bekannten regungslos und starrte wie schon im bisherigen Prozess nach unten oder in Richtung der Richter. Der Prozess wird heute fortgesetzt – allerdings erneut unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

 

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