BLAULICHT

Kindesmissbrauch: Schwere Vorwürfe gegen Gummersbacher Priester

pn; 23.11.2021, 17:15 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Der Angeklagte, hier neben seinen beiden Verteidigern, versteckte sich hinter einer Mappe.
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Kindesmissbrauch: Schwere Vorwürfe gegen Gummersbacher Priester

pn; 23.11.2021, 17:15 Uhr
Gummersbach/Köln – Prozessstart am Kölner Landgericht - In über 30 Fällen soll ein katholischer Priester seine Nichten über mehrere Jahre sexuell missbraucht haben.

Von Peter Notbohm

 

Unter großem medialen Interesse startete heute am Kölner Landgericht der Prozess gegen Hermann K. (Anm.d.Red.: Name geändert). Dem katholischen Priester aus dem Erzbistum Köln wird sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen. Der 70-Jährige soll in den 90er Jahren in Gummersbach seine drei Nichten - von einer war er zudem der Patenonkel – über mehrere Jahre mehrfach missbraucht haben. Die Mädchen waren damals zwischen sieben und 13 Jahre alt. Insgesamt 31 Fälle sind angeklagt, in drei Fällen spricht die Staatsanwaltschaft von schwerem Missbrauch.

 

Der Priester arbeitete damals in Gummersbach und lebte in einer katholischen Kirche, wo er als Seelsorger tätig war. Am gestrigen Montag wurde vom Gericht kurzfristig zudem eine weitere Anklage zugelassen, in der dem Geistlichen in seiner Zeit als Krankenhausseelsorger in Wuppertal zwei Fälle sexuellen Missbrauchs einer Elfjährigen im Jahr 2011 vorgeworfen werden.

 

Noch vor Verlesung der Anklageschrift versuchte Strafverteidiger Dr. Rüdiger Deckers die Öffentlichkeit auszuschließen, das Schutzinteresse seines Mandanten überwiege, da es sich um Aspekte des sexuellen Intimbereichs des Angeklagten und der Opfer handle. Das sahen die vier Vertreter der Nebenklage anders und auch die 2. Große Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Christoph Kaufmann lehnte den Antrag zumindest in Teilen ab. „Das öffentliche Interesse an dem Verfahren ist groß und höher zu bewerten als die schutzwürdigen Interessen des Angeklagten“, begründete der Vorsitzende, warum zumindest die Anklageverlesung öffentlich blieb.

 

Und es waren viele abscheuliche Details, die in der Anklageschrift durch Staatsanwalt Maurice Niehoff minutiös verlesen wurden. Beim gemeinsamen Computerspielen, beim Baden oder beim Fernsehen: Zwischen 1993 und 1999 sollen die drei Mädchen immer wieder getrennt voneinander bei ihrem Onkel an Wochenenden übernachtet haben. Der Geistliche soll mit jedem Mal intimer in seinen Handlungen geworden sein. Waren es zunächst noch leichte Berührungen an der Brust und im Genitalbereich, soll er sich über die Jahre immer weiter getraut haben. Mal sollen gemeinsame Tauchübungen in der Badewanne genutzt worden sein, mal soll er seiner ausgezogenen Nichte ihre Anatomie an ihrem eigenen Vaginalbereich erklärt haben.

 

[Unter dem Vorsitz von Richter Christoph Kaufmann startete der Prozess unter großem medialen Interesse. Allein fünf Fernsehkamerateams waren anwesend.]

 

Für sexuelle Handlungen soll eines der Kinder – damals inzwischen 13 Jahre alt - sogar einen Computer geschenkt bekommen haben. 1999 soll es letztlich zu einer Vergewaltigung gekommen sein: Nachdem die Jugendliche damals aber angefangen habe zu weinen, habe er sofort von ihr abgelassen. Bereits 2010 gab es Ermittlungen, diese wurden aber nach angeblich geflossenen Ausgleichszahlungen wieder eingestellt.

 

Die ihm vorgeworfenen Taten aus 2011 ähneln dem früheren Verhaltensmuster frappierend. Hier soll er das gute Verhältnis zu einer befreundeten Familie ausgenutzt haben und eine Freundin der Tochter nackt eingecremt haben und auch hier einschlägige Behandlungen im Intimbereich vorgenommen haben, um sie von „ihren Bauchschmerzen zu befreien“. Die inzwischen Volljährige war das einzige Opfer, das persönlich zum ersten Verhandlungstag erschienen war. Während der Anklageverlesung guckte sie immer wieder angewidert zur Seite, während Hermann K. in seinem biederen grauen Pullover mit nahezu regungsloser Miene und fast schon desinteressiert wirkend die Vorwürfe gegen ihn mitlas.

 

Für das Verfahren sind 20 Prozesstage angesetzt, an denen insgesamt 38 Zeugen gehört werden sollen, darunter auch prominente Kirchenvertreter, die früher im Kölner Erzbistum verantwortlich waren. Der heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße, einst Personalchef in Köln, soll am 18. Januar vor Gericht aussagen. Auch den früheren obersten Kölner Kirchenrichter Günter Assenmacher will die Kammer hören. Dabei dürfte es auch um die Frage gehen, ob die Kirche 2010 den Anschuldigungen mit der gebotenen Gründlichkeit nachgegangen ist. Heße hatte nach Veröffentlichung eines Missbrauchsgutachtens in diesem Frühjahr, in dem ihm mehrere Pflichtverletzungen vorgeworfen wurden, Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten – dieser war aber abgelehnt worden.


Ob der Angeklagte aussagen würde, war mit Spannung erwartet worden. Noch vor einem halben Jahr hatte er alles abgestritten. Für seine Aussagen wurde die Öffentlichkeit aber ausgeschlossen. Man wolle in „eine ungestörte Kommunikation“ mit dem Angeklagten treten, zudem überwiege das Schutzinteresse des Angeklagten in diesem Fall das Öffentlichkeitsprinzip, erklärte Richter Kaufmann. Die Vernehmung ging bis in den späten Nachmittag, Dr. Jan Orth, Pressesprecher des Landgerichts, sagte auf OA-Nachfrage, dass es frühestens morgen Aussagen gebe werde, ob sich Hermann K. geständig eingelassen habe.

 

Bevor die Zuschauer am ersten Verhandlungstag den Saal verlassen mussten, ergriff Verteidiger Deckers aber nochmals das Wort und rügte das Gericht. Es gehe in diesem Fall nicht um Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs im Rahmen der Institution Kirche, so der Jurist, weshalb er weiterhin kein Verständnis dafür habe, dass die Anklageverlesung öffentlich war: „Mein Mandant soll außerdienstlich im privaten Bereich gehandelt haben. Er ist nur bei der Kirche beschäftigt gewesen.“

 

Fortgesetzt wird der Prozess am Donnerstag, ein Urteil wird für den 31. Januar erwartet.

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