BLAULICHT

„Das hätte jedem passieren können“

pn; 09.10.2019, 17:45 Uhr
BLAULICHT

„Das hätte jedem passieren können“

pn; 09.10.2019, 17:45 Uhr
Wipperfürth – Rentner war wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, nachdem er im vergangenen Jahr zwei Rennradfahrer angefahren hatte – Amtsgericht verurteilt ihn zu Bewährungsstrafe.

Von Peter Notbohm

 

Noch heute vergehe kein Tag, an dem Stefan T. (Anm. d. Red.: Name geändert) nachts nicht schweißgebadet aufwache und die schrecklichen Bilder des Unfalls wieder vor Augen habe. Den Schock werde er niemals verdauen, die Bilder niemals vergessen: „Es tut mir unendlich leid.“ Der damals 79-Jährige hatte am 18. April des vergangenen Jahres zwei Rennradfahrer auf der L302 in Lindlar-Niederhabbach mit seinem braunen VW Multivan angefahren. Eins der beiden Opfer war in die Frontscheibe geprallt und sofort tot, das andere musste mit schwersten Verletzungen nach Köln-Merheim in eine Spezialklinik geflogen werden.

 

[Archivfoto: Martin Hütt --- Für den 59-jährigen Rennradfahrer kam nach dem Unfall jede Hilfe zu spät.]

 

Am heutigen Mittwoch musste sich das Amtsgericht Wipperfürth mit der Tragödie beschäftigen: Die Staatsanwaltschaft warf Stefan T. fahrlässige Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung vor. Unter dem Vorsitz von Richter Stefan Krieger wurde der Rentner zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung, einer Geldspende in Höhe von 2.000 € an die Verkehrswacht Oberberg sowie einem Verkehrseignungstest und einer verkehrspsychologischen Untersuchung verurteilt.

 

Nicht nur bei der Urteilsverkündung, auch während der gesamten Hauptverhandlung kamen dem früheren Maschinenschlosser immer wieder die Tränen, sobald es um den Unfallhergang ging. „Er hat massive Probleme, das Geschehene zu verarbeiten“, entschuldigte sein Verteidiger Tobias Schäfer die Erinnerungslücken seines Mandanten. Denn Stefan T., der sich damals auf der Rückfahrt von Engelskirchen nach Wetter an der Ruhr befand, war der festen Überzeugung eigentlich nichts falsch gemacht zu haben. Warum er nach der Rechtskurve an der engen Straße auf Höhe des Sägewerkes auf die Gegenfahrbahn gefahren sei, weshalb er ungebremst auf die beiden Radfahrer zugehalten hatte – Diese Fragen konnten weder der Verurteilte noch das Gericht endgültig beantworten.

 

„Er ist ungebremst auf uns zugefahren, als ob er uns jagen wollte“, beschrieb das 65-jährige Unfallopfer das Geschehen. Der passionierte Rennradfahrer war von dem Wagen seitlich erwischt worden, hatte sich bei dem Aufprall und Sturz Hirnblutungen, multiple Brüche an Arm, Bein und Rippen zugezogen, zudem Milz und eine Niere verloren. Über fünf Wochen lag der Mann im Koma, wurde erst nach drei Monaten in die Reha-Maßnahmen entlassen. „Dort habe ich nach sechs Wochen gelernt, wieder zu gehen“, wird er den Rest seines Lebens auf Gehhilfen angewiesen sein und gilt mit einem Grad von 90 als schwerstbehindert. „Ohne meine Familie müsste ich ins Pflegeheim“, so der Kürtener, „aber das Leben muss weitergehen.“

 

Ein weiterer Zeuge hatte zudem ausgesagt, dass ihm der Unfallverursacher bereits wenige Minuten zuvor auf der Landstraße weit auf seiner Fahrbahn entgegenkommen sei und er nur knapp habe ausweichen können. Und auch der geladene Sachverständige konnte nur wenig Licht in den Unfallhergang bringen. Er vermutete, dass Stefan T. mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 100 km/h unterwegs gewesen sein muss. Endgültig lasse sich das aber nicht feststellen, da es keine Brems- oder Ausweichspuren gegeben habe. Unstrittig sei aber, dass er auf der falschen Fahrbahn unterwegs gewesen sei.

 

Einig waren sich alle Verfahrensbeteiligten, dass es sich um ein tragisches Augenblicksversagen gehandelt habe. „Das hätte jedem passieren können“, meinte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Er folgte den Anträgen der Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die nur geringe Strafen gefordert hatten, die Fahrtauglichkeit des Verurteilten überprüfen zu lassen. „Denn ab einem gewissen Alter muss man auch kritisch mit sich selbst sein“, so Stefan Krieger.

 

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