POLITIK

Tempo 30-Diskussion sorgt fast für Schlägerei im Stadtrat

pn; 31.08.2023, 13:50 Uhr
Fotos: Michael Kleinjung.
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Tempo 30-Diskussion sorgt fast für Schlägerei im Stadtrat

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pn; 31.08.2023, 13:50 Uhr
Bergneustadt – Beleidigungen und Drohungen zwischen zwei Ratsherren – Ratsmehrheit fordert noch strengere Tempo 30-Regeln für Bergneustadt.

Von Peter Notbohm

 

Eigentlich herrschte in Bergneustadts Politik beim Thema Tempo 30 auf Teilen der B 55 in Bergneustadt und Wiedenest weitgehend Einigkeit. Trotzdem kam es am Mittwochabend im Stadtrat zu einer Beinahe-Schlägerei zwischen den beiden Ratsherren Axel Krieger (Grüne) und Jens-Holger Pütz (UWG). Während einer Pause, in der die Fraktionsvorsitzenden einen gemeinsamen Antrag formulieren sollten, kam es scheinbar zu Unstimmigkeiten. Der UWG-Fraktionsvorsitzende Pütz soll kurzzeitig den Saal verlassen haben, nachdem seine Vorschläge offenbar kein Gehör fanden.

 

Nachdem er wieder in die Runde der Ratsherren und Ratsfrauen zurückgekehrt war, setzte sich der Streit dann aber lautstark fort. Zwischen Krieger und Pütz flogen mehrfach Beleidigungen und Drohgebärden hin und her. Als beide Nase an Nase standen, versuchte Mehmet Pektas (FWGB) zu beschwichtigen; Krieger forderte ihn aber auf, sich herauszuhalten. Zu Handgreiflichkeiten kam es aber nicht: Bürgermeister Matthias Thul, der von dem Vorfall kaum etwas mitbekommen hatte, setzte noch beim Betreten des Krawinkelsaals die Sitzung fort und entspannte mit deutlichen Worten die Situation.

 

 [Zwischen Axel Krieger (hintere Reihe links) und Jens-Holger Pütz (vordere Reihe Mitte) kam es fast zu einer körperlichen Auseinandersetzung.]

 

Der Beinahe-Schlägerei vorangegangen war eine intensive Diskussion um das von der SPD geforderte Tempo 30 auf der B 55 (OA berichtete). Die Sozialdemokraten versprechen sich hiervon neben mehr Schutz für die Senioren und Kinder auch eine Reduzierung von Lärmemissionen für die Anwohner. Zudem werde der Verkehr durch Tempo 30 zwar entschleunigt, aber auch gleichmäßiger. „Laut ADAC ist die Geschwindigkeit der häufigste Unfallgrund und empfiehlt deshalb in belebten Bereichen eine Begrenzung“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Daniel Grütz. Seine Partei forderte in Bergneustadt zwischen der Einfahrt Wilhelmsstraße bis Höhe St.Stephanus sowie in Wiedenest zwischen Sülemicker Straße bis zur Bahnhofstraße das Tempolimit zwischen 7 und 21 Uhr.

 

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Teilen der CDU ging dieser Vorschlag nicht weit genug. Die zeitliche Begrenzung müsse angesichts einiger Raser in den Abend- und Nachtstunden gestrichen werden, zudem plädierte der CDU-Fraktionvorsitzende Reinhard Schulte dafür, den Prüfantrag für die gesamte B 55 im Stadtgebiet zu stellen: „Freie Fahrt für freie Bürger muss in der Nacht nicht sein!“ Axel Krieger sprach von einem „fantastischen“ Antrag angesichts einer „katastrophalen Situation“ an der Bundesstraße und forderte zudem endlich die Installierung eines Blitzers: „Auch 40-Tonner kacheln mit 80km/h durch die Stadt. Unsere Bevölkerung befindet sich permanent auf der Flucht.“

 

Ebenfalls für einen Blitzer warb Sven Oliver Rüsche (UWG): „Was nützt uns Tempo 30, wenn das nicht kontrolliert wird?“ Er und Jens-Holger Pütz sprachen sich ausdrücklich gegen ein ganztägiges Tempolimit aus, warben stattdessen für Zebrastreifen, die den Verkehr automatisch entschleunigen würden. Zudem müsse der Lkw-Verkehr endlich reglementiert werden. Pütz: „Wir sind die Abkürzungsstrecke nach Meinerzhagen. Der Verkehr sollte nur noch für Fahrzeuge zugelassen sein, die hier auch etwas anliefern. Andere Kommunen wie Overath oder Lüdenscheid haben das auch hinbekommen.“

 

Christian Hoene (FDP) war der Antrag aufgrund fehlender Kontrollen durch den Kreis zu kurz gegriffen und verlangte ein Gesamtkonzept. Wolfgang Lenz (FDP) forderte mehr Realismus ein: „Eine Ausweitung des Tempolimits auf die komplette B 55 halte ich für schwierig. Wir sollten nicht so naiv sein, dass der Bürger alles mitmacht.“ Vehement plädierte er für eine Ampelanlage an der Grundschule in Wiedenest. Klarer Gegner des SPD-Antrags war Mehmet Pektas: „Der Unfall in Wiedenest hatte nichts mit Tempo 50 zu tun. Überall versucht man mit Verboten, Begrenzungen und Lärmschutz die tollsten Sachen herbeizureden und den Bürger zu penetrieren.“

 

Zur Abstimmung kamen nach unzähligen Erweiterungsanträgen letztlich nur noch zwei Anträge. Während der Vorschlag der UWG lediglich 4 Ja-Stimmen erhielt, wurde der Kompromissvorschlag, auf den sich die restlichen Fraktionsvorsitzenden geeinigt hatten bei sieben Gegenstimmen aus UWG, CDU und FWGB mehrheitlich angenommen. Er sieht neben Tempo 30 in Wiedenest ein Tempolimit in Bergneustadt zwischen der Einfahrt Dörspestraße und der Einfahrt Wiedeneststraße vor – beides soll ganztägig gelten. Weitergehende Vorschläge zu Zebrastreifen und Ampeln sollen erst diskutiert werden, sobald die Ergebnisse der Verkehrsschau vorliegen, die im September stattfindet.

 

Ob Tempo 30 auf der Bundesstraße auch kommt? Das liegt ohnehin nicht in Bergneustadts Händen. „Mehr als das Thema im Rahmen der Verkehrsschau anregen können wir nicht“, erklärte Bürgermeister Thul. Die kommenden zwei Wochen wird man im Rathaus nutzen, um zumindest noch einige Verkehrsmessungen an der B 55 durchzuführen. Üblich sind hierfür eigentlich sechs Wochen. „Nachdem das Thema aber erst so kurzfristig aufkam, wollen wir zumindest eine kleine Datenbasis haben“, sagte Claudia Adolfs, Leiterin des Amts Bildung, Soziales und Ordnung.

 

Aus dem Rat

 

 

  • Uwe Binner (Foto), Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters, lud nach der Ratssitzung zu einem kleinen Umtrunk ein, um sich von der Politik zu verabschieden. Er geht zum 1. Oktober in den Ruhestand. Bis zur nächsten Ratssitzung am 18. Oktober soll die Nachfolge geregelt werden. Es gibt es ein hausinternes Bewerbungsverfahren im Rathaus. „Wir werden das Thema mit den Fraktionsvorsitzenden besprechen und hoffentlich zu einer Einigung kommen“, sagte Bürgermeister Matthias Thul.
  • Der Rat hat die Feststellung des Jahresabschlusses für 2022 einstimmig zur Kenntnis genommen und Bürgermeister Thul entlastet. Des Jahresüberschuss von rund 3,5 Millionen Euro wird der Ausgleichsrücklage zugeführt.
  • Die leichte Senkung der Straßenreinigungsgebühren wurde bei zwei Enthaltungen der UWG einstimmig angenommen. Mehrheitlich angenommen wurden die gleichbleibenden Gebühren im Bestattungswesen (2 Gegenstimmen der UWG).
  • Das Klimaschutzkonzept für die Stadt Bergneustadt (OA berichtete) wurde bei einer Enthaltung der UWG einstimmig verabschiedet.
  • Auf Anregung einer Grundschule wird sich demnächst der Ausschuss für Soziales, Kultur und Integration damit beschäftigen, ob die Stadt Bergneustadt FairTrade-Town wird und für fairen Handel einsetzt. Hierfür müssen fünf Voraussetzungen erfüllt werden. „Alle umliegenden Gemeinden und Städte haben dieses Label bereits. Es würde uns gut zu Gesicht stehen, wenn wir dies beschließen würden“, meinte Stefan Heidtmann (Grüne).
  • Auf Anfrage der UWG teilte Bürgermeister Thul mit, dass es einen „ernsthaften“ Interessenten für den ehemaligen AldiMarkt in der Henneweide gibt. „In der Sache ist Bewegung, es handelt sich derzeit aber noch um eine rein privatwirtschaftliche Angelegenheit, sodass wir keine Details nennen dürfen“, so Thul.
  • Wolfgang Lenz kritisierte erneut, dass nach dem Unfall auf der B 55 in Wiedenest immer noch die Farbmarkierungen der Polizei auf der Fahrbahn zu sehen sind: „Das ist gegenüber der Familie des verstorbenen Kindes ein Feingefühl wie ein Leopard 2 Panzer!“ Bürgermeister Thul versprach eine entsprechende Anfrage an Straßen.NRW zu stellen.

KOMMENTARE

1

"Bergneustadt – Beleidigungen und Drohungen zwischen zwei Ratsherren ..... Zu Handgreiflichkeiten kam es aber nicht" ..... Da kann man sich als Bergneustädter Bürger nur fremdschämen für das Bild, das einzelne Lokalpolitiker für die Stadt Bergneustadt hier abgeben.

Michael K., 31.08.2023, 16:18 Uhr
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Einfach nur peinlich für die sogenannten Volksvertreter. Was sind das für Vorbilder für die Jugend! Wer mit Beleidigungen und Drohgebärden im Rat agiert, dem sollte die Berechtigung für ein Ratsmandat entzogen werden.

Andreas , 31.08.2023, 21:25 Uhr
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Peinliches Verhalten von beiden Seiten. Aber das zeigt, dass selbst in der Kommunalpolitik das eigene Interesse über dem Wohle der Allgemeinheit liegt. Ansonsten würde man nicht so einen Zirkus veranstalten und sich ordentlich benehmen. Ein Rücktritt der beiden Personen ist die einzige Konsequenz.

Bergneustädter, 01.09.2023, 06:39 Uhr
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