POLITIK

Reichshofs Politik billigt das 2,7 Millionen Euro-Loch

pn; 14.12.2023, 14:15 Uhr
Symbolfoto: Pixabay auf Pexels
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Reichshofs Politik billigt das 2,7 Millionen Euro-Loch

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pn; 14.12.2023, 14:15 Uhr
Reichshof – Gemeinderat verabschiedet Haushalt mit breiter Mehrheit – SPD nutzt Haushaltsrede zu massiver Kritik an der Ratsmehrheit und dem Bürgermeister.

Von Peter Notbohm

 

Ohne Steuererhöhungen und mit breiter Mehrheit (1 Gegenstimme der SPD, 3 Enthaltungen) hat Reichshofs Politik in dieser Woche den Haushaltsplan für 2024 beschlossen. Geplanten Einnahmen von rund 51 Millionen Euro stehen geplante Ausgaben in Höhe von 53,6 Millionen Euro gegenüber, was zu einem Loch von fast 2,7 Millionen Euro führen würde (OA berichtete). Der Fehlbetrag soll aus der Ausgleichsrücklage entnommen werden. Dass dies nicht so kommen muss, hat erst die vergangene Woche gezeigt, als Kämmerer Gerd Dresbach im Haupt- und Finanzausschuss einen neuen Gewerbesteuerrekord (OA berichtete) bekanntgab, der dazu führen wird, dass die Gemeinde statt des erwarteten Minus für 2023 nun mit einem satten Plus das Jahr abschließen wird.

 

Mit Kritik sparten die Fraktionsvorsitzenden in ihren traditionellen Haushaltsreden dennoch nicht. Vor allem Marlies Schirp (SPD) schoss mehrfach gegen Bundes-CDU und ihren Vorsitzenden Friedrich Merz, Landesregierung, den Kreistag, aber auch die Arbeit von Bürgermeister Rüdiger Gennies. Das Land lasse die Kommunen beim Thema Flüchtlinge im Stich und wälze die Kosten nur ab. Der Kreis sei mit seiner Kreisumlage ebenfalls weiterhin unersättlich. Gennies warf sie vor, nur CDU und FDP regelmäßig zu informieren: „Immer wieder müssen wir erleben, dass wir erst in der Sitzung auf den neuesten Stand gebracht werden und dann, wegen Dringlichkeit, nahezu genötigt werden, sofort Entscheidungen zu treffen.“

 

Zuletzt sei dies beim EFRE-Förderprogramm für die Sanierung des Schwimmbad Bergerhof passiert: „Wenn dergleichen wieder vorkommt und wir keine Zeit haben, die Fakten zu prüfen, werden wir unsere Zustimmung im Interesse der Bürger verweigern müssen.“ Auch von Kämmerer Dresbach forderte Schirp mehr Ehrlichkeit und Transparenz ein, als dies zuletzt beim Thema interkommunale Zusammenarbeit mit der Gemeinde Morsbach der Fall gewesen sei. Angesichts des Haushaltsloches wollen die Sozialdemokraten den Rotstift beim Kunstkabinett in Hespert sowie bei der Feuerwehr ansetzen, obwohl man deren Arbeit sehr schätze: „Wir bezweifeln, dass die Gemeinde in Zukunft allen Wünschen der Feuerwehren weiter nachkommen kann. Was nützen uns die neuesten Fahrzeuge, wenn die Straßen nicht mehr befahrbar sind.“

 

Für die CDU verlas die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Monika Gries die Rede von Thomas Funke, der kurzfristig erkrankt war. Er kritisierte massiv den Bund, dass dieser die Kommunen bei der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten im Stich lasse: „Das Prinzip „'Wer bestellt, bezahlt' spielt bei der Ampel offensichtlich keine Rolle. Länder und Kommunen sollen die Politik der Bundesregierung bezahlen.“ Die Kreisumlage nannte Funke einen „Wahnsinn“, der endlich aufhören müsse.

 

An der Feuerwehr darf aus Sicht der Union hingegen nicht zu viel gespart werden, auch wenn man regelmäßig in Gesprächen mit den Wehrleitungen um Verständnis für die haushalterische Gesamtsituation werbe. Neben der bereits geschaffenen Stelle eines Gerätewartes regte Funke auch den Einsatz von sogenannten Bufdis an, um die Kameraden weiter zu entlasten.

 

Reinhard Krumm (FWO) begrüßte zwar, dass der Gemeinde noch keine Steuererhöhungen und auch kein Sparkommissar der Bezirksregierung Köln drohe, kritisierte aber, dass man im Rathaus zuletzt von liquiden Mitteln in Höhe von sechs Millionen Euro gesprochen habe: „Es war sehr ungeschickt, dadurch den Eindruck zu vermitteln, dass Reichshof finanziell auf Rosen gebettet ist. Wenn dem so wäre, müssten wir nicht jeden Cent zweimal umdrehen.“

 

Zumal die Gemeinde in den kommenden Jahren vor neuen lokalen Herausforderungen stehe: Einer nachhaltigen Dorfentwicklung, vor allem in den Räumen Wildbergerhütte, Brüchermühle und Hunsheim. Massive Kritik gab es von Krumm zudem an der OVAG, die er in „Ohne Verkehr auch gut“ umtaufte. Bei der Attraktivierung des ÖPNV versage das Unternehmen im Kreissüden aus seiner Sicht völlig.

 

Jürgen Barth (Grüne) sprach von einem „weiterhin bestehenden Investitionsstau“ im Reichshof, „sichtbar am Zustand der gemeindlichen Straßen“. Auch er kritisierte, dass trotz stetig steigender Kreisumlage, im ÖPNV immer häufiger Linien ausfallen würden. Gleichzeitig sprach er sich aber auch ausdrücklich gegen die Reaktivierung der Wiehltalbahn aus und forderte stattdessen die Trasse gemeinsam mit den Nachbarkommunen in eine Fahrradstraße auszubauen. Für die gemeindliche Bau-Grundstücks- und Wirtschaftsförderung (BGW) wünschen sich die Grünen künftig einen Einstieg in den sozialen Wohnungsbau.

 

Anja Krämer (FDP) stellte die Entscheidungen der CDU und Liberalen aus den vergangenen drei Jahren heraus, mit denen man trotz eines eng bemessenen Finanzplans weiterhin nicht gefährdet sei, in die Haushaltssicherung zu rutschen. Investitionen in die Struktur sind aus ihrer Sicht aber unerlässlich. Die Sanierung der Straßen sei aus Kostengründen viel zu sehr vernachlässigt worden. „Dabei haben wir jetzt schon Orte, wo man nahezu nur mit einem SUV oder Trecker fahren kann.“ Zudem warb Krämer dafür, zumindest Teile des Regionale-Projektes „Sanftes Naturerlebnis Wiehltalsperre“ umzusetzen, nachdem dieses „unverständlicherweise“ durch den Naturschutzbeirat des Kreises gestoppt wurde.

 

Einen völlig anderen Ansatz forderte Ingeborg Mohr-Simeonidis (öSL), die davon sprach, dass der Klimawandel längst in der Gemeinde angekommen sei und ihr Probleme enormen Ausmaßes bescheren werde: „Trotzdem bleiben fragwürdige Projekte wie der Denklinger Dreiklang bestehen. Es wird nicht ausreichen, diesen Problemen mit einem Haushalt zu begegnen, der nur darauf ausgelegt ist Nettoneuverschuldung und Haushaltssicherungskonzept zu vermeiden. Wir hinterlassen unseren Kindern ein Desaster.“

 

Ehe der Haushalts- und der Wirtschaftsplan (3 Gegenstimmen, 5 Enthaltungen) mehrheitlich verabschiedet wurden, hatten SPD, Grüne öSL noch mehrere Anträge gestellt. Die beiden SPD-Anträge, der Musikschule Werdin mehr Geld zur Verfügung zu stellen und die Mittel für die Unterhaltung der Kinderspielplätze um zusätzliche 25.000 Euro aufzustocken, wurden ebenso von der Ratsmehrheit aus CDU und FDP abgelehnt, wie auch der Grünenvorschlag, ein Förderprogramm für Balkonkraftwerke für Mieter aufzulegen, keine Mehrheit fand. Auch die acht Anträge der öSL, die sich in Teilen mit der Geschäftsordnung des Rates und u.a. auch mit Erarbeitung eines EFRE-Förderantrages für die Sanierung der Turnhalle Denklingen beschäftigten, wurden abgelehnt.

 

Steigen werden im kommenden Jahr neben Winterdienst- und Kehrgebühr (45 Cent/m und 79 Cent/m) auch die Abwassergebühren. Die Grundgebühr wird um monatlich 1,25 Euro angehoben. Der Kubikmeterpreis steigt um neun Cent auf 1,51 Euro. Beides wurde einstimmig bei jeweils sechs Enthaltungen der SPD beschlossen. Ebenfalls einstimmig beschloss der Rat die interkommunale Zusammenarbeit mit der Gemeinde Reichshof in mehreren Themenfeldern (2 Enthaltungen der öSL) sowie eine Anlagenrichtlinie für Kapitalanlagen (drei Enthaltungen aus öSL und SPD).

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