POLITIK

Auf Kante genäht: Keine Steuererhöhungen trotz Defizit

pn; 08.11.2023, 15:29 Uhr
Symbolfoto: Yourschantz auf Pixabay
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Auf Kante genäht: Keine Steuererhöhungen trotz Defizit

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pn; 08.11.2023, 15:29 Uhr
Reichshof – Obwohl die Rücklagen schmelzen, sieht der Reichshofer Haushaltsentwurf für 2024 keine Steuererhöhungen vor – Gemeinde will trotzdem 6,5 Millionen investieren.

Von Peter Notbohm

 

Während viele andere Städte und Gemeinden im kommenden Haushaltsjahr kräftig an der Steuerschraube drehen werden, sieht der Haushaltsentwurf der Gemeinde Reichshof keine Steuererhöhungen für 2024 vor. Und das trotz eines fast 2,7 Millionen Euro dicken Lochs, das in der Finanzplanung von Kämmerer Gerd Dresbach klafft. Das Zahlenwerk wurde gestern im Gemeinderat der Politik präsentiert. Den Fehlbetrag wird man aus der 8,8 Millionen Euro starken Ausgleichsrücklage entnehmen, die in den ertragsreichen vergangenen Jahren aufgebaut wurde.

 

Nach aktuellen Schätzungen rechnet Dresbach damit, dass sie bis spätestens 2026 aufgezehrt sein wird; bis 2027 geht er von einem Fehlbedarf von 9,6 Millionen Euro aus. Ab 2026 muss zudem damit begonnen werden, die Schulden aus dem Corona- und Ukraine-Isolierungsgesetz abzubauen. Für Reichshof sind das in schwierigen Zeiten sogar noch gute Nachrichten. „Wir kommen mit dem sprichwörtlich blauen Auge davon“, so der Kämmerer. Die 5-Prozent-Grenze des Eigenkapitalverzehrs wird somit nur in einem Jahr überschritten, sodass ein Rückfall ins Haushaltssicherungskonzept derzeit nicht droht. „Wir bewegen uns auf einem schmalen Grat“, ergänzte Bürgermeister Rüdiger Gennies.

 

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Wie lange die Gemeinde den Kurs ohne Steuererhöhungen (Grundsteuer A 445%, Grundsteuer B 570 %, Gewerbesteuer 475%) beibehalten könne, sei angesichts der weltpolitischen Entwicklung und der steigenden Belastungen für die Kommunen allerdings ungewiss. Gennies prangerte dabei – wie viele seiner Amtskollegen – die chronische Unterfinanzierung der Kommunen durch Bund und Land an. Vor allem die stetig steigenden sozialen Aufwendungen belasten die Kassen enorm. Das Bereitstellen von Wohnraum und Sozialkräften erfordere nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch menschliche. Hierbei werde man vom Bund und vom Land „finanziell im Regen stehen gelassen“. „Wir erleben eine hochgradig besorgniserregende Entwicklung, die bis in die kommunalen Haushalte durchschlägt und deren Ende nicht in Sicht ist“, so das Gemeindeoberhaupt.

 

Mit Einnahmen in Höhe von 50,98 Millionen Euro kalkuliert Dresbach für das kommende Haushaltsjahr (+ 2,65 Mio). Größte Einnahmenquellen sind dabei die Anteile an den Bundessteuern sowie das Gewerbesteueraufkommen (jeweils eine halbe Million Euro mehr). Dem gegenüber stehen Ausgaben in Höhe von 53,66 Millionen Euro. Größte Kostentreiber: Der Personal- und Versorgungsaufwand, der um 490.000 Euro auf fast 8,2 Millionen Euro steigen wird. Dazu die Kreisumlage, die um 1,9 Millionen Euro auf das Allzeithoch von 24,6 Millionen Euro wächst. Mit 710 Euro je Einwohner trägt Reichshof laut Dresbach kreisweit die zweitgrößte Pro-Kopf-Belastung der allgemeinen Kreisumlage.

 

Ungemach droht der Gemeinde aber auch an anderer Stelle. Die für 2024 geplante Auflösung der Kommunalverpflichtungen über 4 Millionen Euro, die 2022 gebildet wurde und das Defizit in 2024 auf 2,7 Millionen Euro drückt, führt nicht durch den Kassenbestand, da sie zahlungsunwirksam ist. Diese Finanzierungslücke in der Planung summiert sich dadurch bis 2027 auf 17 Millionen Euro, die durch Aufnahme von Liquiditätskrediten zu schließen ist. Sollte dies Realität werden, droht Reichshof ab 2027 eine Zinslast von 700.000 Euro pro Jahr. „Als Ausgleich wäre die Grundsteuer B um mindestens 100 Punkte zu erhöhen“, so Dresbach.

 

Trotz der erheblichen Belastungen will die Gemeinde aber auch im kommenden Jahr investieren. 1,3 Millionen Euro sind für die Fortführung des InHK Phase II vorgesehen. Dieselbe Summe soll in Fahrzeuge der Feuerwehr investiert werden, auch wenn die Wehrführung zähneknirschend hinnehmen muss, dass aufgrund der Einhaltung des Schuldendeckels insgesamt eine zeitliche Verschiebung in den kommenden Jahren erforderlich ist. Rund 1 Million Euro kosten die Anbauten an die Grundschulen Denklingen und Hunsheim. Weiteres Geld fließt in die Fahrzeuge für den Bauhof (700.000 Euro), den Grunderwerb (600.000 Euro) und in Straßen und Brücken (600.000 Euro).

 

Gespannt ist man im Rathaus auch auf das Ergebnis des Förderantrags auf EFRE-Mittel für das Schwimmbad Bergerhoff (OA berichtete), der laut Gennies in Rekordzeit erarbeitet wurde. Fortgesetzt werden soll zudem der Breitbandausbau in der Gemeinde. Hierbei ist man allerdings ebenfalls auf Bundes- und Landesfördermittel angewiesen. Gennies kritisierte in diesem Zusammenhang, dass das Land den kommunalen Eigenanteil verdoppelt hat, während der Bund keinen Eigenanteil der Kommunen verlange. Angepasst werden sollen die Frischwassergebühren. Während der Satz für das Abwasser unangetastet bleiben bleibt, ist eine Erhöhung um 9 Cent je Kubikmeter sowie eine Anpassung der Grundgebühr um 1,25 Euro je Monat vorgesehen.

 

Verabschiedet werden soll der Haushalt in der Ratssitzung am 11. Dezember.

 

Eckdaten des Haushalts

 

Erträge (In Klammern: Vergleich zum Vorjahr)

 

Insgesamt: 50.977.432 Euro

 

Darin unter anderem enthalten:

 

Gewerbesteuer: 18.500.000 Euro (+500.000 Euro)

Grundsteuern: 3.842.000 Euro (+2.500 Euro)

Anteile an den Bundessteuern: 13.891.000 Euro (+559.000 Euro)

Schlüsselzuweisungen: 0 Euro (=)

 

Aufwendungen

 

Insgesamt: 53.664.986 Euro

 

Darin unter anderem enthalten:

 

Kreisumlage: 24.601.900 Euro (+ 1.904.900 Euro)

Personal- und Sachaufwand: 8.193.424 Euro (+488.293 Euro)

Investitionsauszahlungen: 6.490.454 Euro (+159.124 Euro)

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