POLITIK

„Die fetten Jahre sind vorbei“

ks; 30.03.2023, 16:20 Uhr
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„Die fetten Jahre sind vorbei“

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ks; 30.03.2023, 16:20 Uhr
Lindlar – Der Gemeinderat hat den Haushalt einstimmig bei zwei Enthaltungen verabschiedet.

Mit Blick in den Kalender ist es durchaus als ungewöhnlich zu bezeichnen, dass sich Politik und Verwaltung noch in dieser Woche mit dem Haushalt für das laufende Jahr befasst haben. Zwei Monate ist es her, dass Lindlars Bürgermeister Dr. Georg Ludwig den Haushaltsplan-Entwurf in den Gemeinderat eingebracht hat – unterm Strich mit einem Defizit von etwa 182.000 Euro (OA berichtete). Reichliche Überlegungen später stand in der jüngsten Ratssitzung ein ausgeglichener Haushalt zur Abstimmung. Dieser wurde einstimmig verabschiedet, allerdings bei zwei Enthaltungen der FDP.

 

Dass der Haushalt in der Gemeinde erst im Frühjahr steht, bezeichnete auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans Schmitz in seiner diesjährigen Haushaltsrede als ungewohnt. Die Einnahmen der Gemeinde müssten künftig verbessert werden. Schmitz denkt dabei nicht an „einfache Steuererhöhungen“, sondern spricht von Mittelzuweisungen des Landes sowie „gute Gewerbesteuerzahler“ und Einkommenssteuerzahler. „Wenn also Lindlarer dank guter Einnahmen mehr Einkommenssteuer zahlen oder mehr Lindlarer Einkommenssteuer zahlen, steigt der Anteil der Gemeinde an der Einkommenssteuer.“

 

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Schmitz ist davon überzeugt, dass die Gemeinde „sicher noch ein paar Einwohner mehr“ vertrage. Um bloßes Wachsen gehe es dabei nicht. Außerdem sei zu klären, welche Aufgaben die Verwaltung vom Kreis übernehmen könne. „Ziel ist die Senkung der Kreisumlage“, sagte Schmitz. Doch „der Fachkräftemangel ist auch bei der Gemeindeverwaltung angekommen. Wenn wir nicht rechtzeitig vorsorgen, wird fehlendes Personal zum echten Problem.“ Den Klimaschutz sowie die Anpassung an die Folgen des Klimawandels bezeichnete der Christdemokrat als vorrangige und dringliche Aufgabe in der Kommunalpolitik. Einem Antrag der FDP, den Bau der Beleuchtung am Skaterpark um vier Jahre zu verschieben, ist die CDU nicht gefolgt. „Die jungen Leute brauchen verlässliche Kommunalpolitik. Unsere Zusage gilt.“

 

Mit knapp 20 Minuten wurde die längste Haushaltsrede des Abends vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Scherer gehalten. Streng genommen sei der Haushalt seiner Meinung nach gar nicht ausgeglichen – zumindest unter Berücksichtigung der corona- und kriegsbedingten Erträge. So würde laut Scherer bei „normaler Bilanzierung“ im Jahr 2023 ein Gesamtverlust in Höhe von 3.010.000 Euro entstehen. Der Haushalt sei „ein Mix aus Handlungsunfähigkeit vor Ort, bedingter Handlungsfähigkeit und einem Handlungsspielraum der kommunalen Politik.“ Seit vielen Jahren würden den Kommunen immer mehr Aufgaben und Kosten angelastet werden, der Schuldenberg damit wachsen.

 

Kritik übte Scherer auch bezüglich der Entwicklungen des Kreises, der Jahr für Jahr seine Umlagen erhöhen würde. „Die Personalquote im Kreis hat sich in den letzten acht Jahren um ein Drittel erhöht. Gleichzeitig plant der Kreis wider besseren Wissens einen Kreishausneubau von über 100 Millionen Euro“, sagte der SPD-Politiker verärgert. Unterstützt werde dies seitens der beiden Lindlarer Kreistagsmitglieder der CDU. Kritik adressierte Scherer auch an die Gemeindeverwaltung. So sei der politische Beschluss zur Anschaffung umweltschonender Fahrzeuge aus dem Jahr 2020 ignoriert worden. „Im Fuhrpark der Gemeinde befinden sich nur Verbrenner. Seit 2020 wurden fünf weitere Verbrenner angeschafft. Dass hier Beschlüsse nicht umgesetzt werden, geht gar nicht.“

 

Zum Einstieg seiner Haushaltsrede erinnerte Patrick Heuwes an ein stetiges Wirtschaftswachstum, niedrige Zinsen, Vollbeschäftigung, eine moderate Inflation und den Frieden in Europa; dann stellte er fest: „Die fetten Jahre sind vorbei.“ In dieser Zeit sei es dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen zufolge versäumt worden, Rücklagen zu bilden, und zwar „für wirklich schlechte Zeiten“. Dabei schob Heuwes die Schuld nicht nur seinen politischen Gegnern zu, sondern übte auch Selbstkritik. „Aktuell rechnen wir mit einem Defizit von rund einer Million im Jahr 2025. An dem Betrag kann sich noch etwas ändern, aber dass das Unheil auf uns zukommt, ist wohl unbestreitbar.“

 

Zwar sei das Minimalziel, nämlich ein ausgeglichener Haushalt, erreicht worden, und auch die Bürger würden nicht noch zusätzlich belastet werden – doch wirklich zufrieden mit diesem Haushalt zeigte Heuwes sich nicht. Dieser setze schließlich „voll auf das Prinzip Hoffnung“. Darüber hinaus kritisierte er den Konsum auf Kosten der nachfolgenden Generationen, bezeichnete dieses Vorgehen als unmoralisch. So sagte der Grünen-Politiker: „Wir müssen den Laden halbwegs schuldenfrei übergeben. Dafür bleibt nicht mehr ewig Zeit.“

 

Harald Friese übte als Fraktionsvorsitzender der FDP scharfe Kritik an Bürgermeister Ludwig. Insgesamt warf er dem Verwaltungschef drei Vergehen vor, so auch die Anschaffung von Verbrennern. Seit mindestens einem Jahr sei Friese aufgefallen, dass seitens der Verwaltung das Argument, nicht genügend Personal zu haben, immer wieder in politischen Diskussionen gebracht werde. Nicht zuletzt hätte fehlenden Personal „zur Folge, dass in Lindlar geplante Baumaßnahmen monatelang unbearbeitet liegen bleiben.“

 

Der Haushaltsplan sei laut Friese seriös geplant, doch dürfe dabei nicht vergessen werden, dass es sich mit Blick auf Corona und den Krieg in der Ukraine um einen „Schattenhaushalt“ handele. So sagte Friese: „Solange ein Haushaltsplan sich nicht mit der Konsolidierung des gewaltigen Schuldenbergs auseinandersetzt und keine konkreten Vorschläge zum wirklich gewollten Schuldenberg-Abbau beinhaltet, wird die FDP-Fraktion den Haushalten der Gemeinde nicht mehr zustimmen können.“

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