BLAULICHT
Steuerbetrug und Untreue in Millionenhöhe: Angeklagter gibt Einblicke in sein System
Bergneustadt/Köln – 47-jähriger Bergneustädter legt umfassendes Geständnis am Kölner Landgericht ab – Angeklagter gerät durch falschen Ehrgeiz in Teufelskreis.
Von Peter Notbohm
Am Kölner Landgericht wurde gestern der Prozess gegen Thomas L. (Anm.d.Red.: Name geändert) fortgesetzt. Dem Bergneustädter wird Steuerbetrug und Untreue in Millionenhöhe vorgeworfen. Zeugen waren am Mittwochmorgen nicht geladen, stattdessen wurde der 47-Jährige umfassend von der 19. Große Wirtschaftsstrafkammer unter dem Vorsitz von Richterin Dr. Marion Slota-Haaf zu den Vorwürfen befragt. „Jede Frage, die sie haben, möchte ich beantworten“, legte der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ab. Und Fragen sollten die drei Richterinnen viele haben.
Der in Iserlohn geborene Groß- und Handelskaufmann berichtete zunächst aus seiner beruflichen Vita: Bereits Ende des vergangenen Jahrtausends hatte er sich auf „Neue Medien“ spezialisiert, startete zunächst mit Verkäufen von CD-ROMs und später Speichersticks bei seinen Firmen groß durch und stieg zeitweise zum Geschäftsführer und Gesellschafter auf. Nachdem eine Firma allerdings 2008 einen Trend verpasste und Insolvenz anmelden musste, wechselte er mehrfach die Unternehmen, ehe er 2014 in selbstständiger Funktion bei der Medion AG tätig wurde. Hier war er maßgeblich am Aufbau eines digitalen Zahlungssystems beteiligt, dessen Umsatz – spätestens als ALDI auf den Zug aufsprang - in späteren Jahren in die Millionen gehen sollte.
Seinen Aufgabenbereich bezeichnete der 47-Jährige als sehr komplex. Ging es anfangs noch um klassische Prepaid-Produkte wurde das Portfolio mit zunehmenden Wachstum um sogenannte E-Wallets (virtuelle Geldbörse, die es Nutzern erlaubt, Guthaben auf digitalen Plattformen zu speichern und für Zahlungen zu verwenden), vor allem bei der Online-Plattform Steam, erweitert. Zu den weiteren Hauptlieferanten zählten aber auch Playstation, X-Box, mehrere Mobilfunkanbieter, Nintendo, Sony, Zalando, Douglas und Amazon. Allein mit Sony habe die Medion AG dreistellige Millionensummen umgesetzt. Thomas L. lieferte detaillierte Einblicke in Bestell- und Liefersystem, das er sich ab 2016 zunutze machen sollte. Allein um die über 4.000 ALDI-Filialen beliefern zu können, lagerten in virtuellen Lagern PIN-Codes in Millionenhöhe auf den Servern der Firma.
Auf die Frage, warum er irgendwann angefangen habe, die PINs abzugreifen und privat zu verkaufen, gab der Angeklagte eine relativ unspektakuläre Antwort. Keine Gier, sondern falscher Ehrgeiz habe ihn in die Geschichte hineinkatapultiert. „So surreal es klingen mag. Die Jahre von 2014 bis heute kommen mir wie ein Jahr vor“, sagte er. Er habe auf der GamesCom in Köln einen Kontakt nach Polen geschlossen, den er unbedingt als Kunden gewinnen wollte. Seine Chefs lehnten diesen aufgrund fehlender Bonität aber ab. „Da hatte ich aber schon vollmundig versprochen, dass wir das irgendwie schaffen“, erzählte Thomas L., der Verträge abschloss, zu denen er nicht berechtigt war. Er habe die unterschlagenen Gelder zwar wieder einzahlen wollen, das sei irgendwann aber nicht mehr möglich gewesen - der Teufelskreis nahm seinen Lauf.
Insgesamt 72 Handlungen in Höhe von 4,37 Millionen Euro wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor. „Die Vorwürfe sind alle korrekt“, sagte der Bergneustädter. Dabei sei es kinderleicht gewesen, an die PINs auf dem Server zu gelangen. „Es war nicht kompliziert“, erklärte er, dass die PINs in den Anfangszeiten nur in einfachen Excel-Tabellen gestanden hatten, aus denen er sich bediente. In der Regel handelte es sich um PINs aus Werbeangeboten, Retouren oder Überbelieferungen. Auch die unterschlagenen Steuereinnahmen aus den Weiterverkäufen der PINs nach Polen gab er weitgehend zu. Lediglich 2019 – als das Steuerprüfverfahren gegen ihn bereits lief – stimme die Anklage nicht.
„Ich habe keine guten Dinge getan, aber wäre auch dumm gewesen, wenn ich weitergemacht hätte, nachdem alle Unterlagen bereits mitgenommen worden waren“, so Thomas L., der an die Stadt Bergneustadt und das Gummersbacher Finanzamt mittlerweile knapp 1,3 Millionen Euro an Steuern nachgezahlt hat. Vor Gericht zeigte er Reue: „Ich habe eine tolle Familie und bereue es sehr, dass ich ihr das antue.“ Auf das Gericht wartet bis Ende Dezember trotz des Geständnisses noch einiges an Aufklärungsarbeit.
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