LOKALMIX
Erste Schritte zum Wald der Zukunft
Oberberg - Klimawandel und Borkenkäfer setzen dem Oberbergischen Wald stark zu - Kreis sucht Spagat zwischen Ökonomie und Ökologie.
Von Severin Rothmann und Peter Notbohm
Die Schäden, die Klimawandel, Stürme, Hitzeperioden und Borkenkäfer in den oberbergischen Wäldern hinterlassen haben, sind unverkennbar. Wo früher grüne Bäume das Landschaftsbild prägten, sorgen heute viele freie Flächen oder abgestorbene Bäume für ein dominierendes Braun auf Aufnahmen aus der Luft. Aber auch am Boden sind die Schäden überall präsent. Dabei sind die oberbergischen Wälder nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor. 941 Hektar Wald bewirtschaftet der Oberbergische Kreis insgesamt und will diese Fläche zukunftsfähig machen.
Schäden im Wald
Über alle Waldbesitzarten hinweg rechnet das Regionalforstamt Bergisches Land momentan mit rund 200.000 Festmetern an Schadholzanfall, durch den Borkenkäfer. 941 Hektar Wald bewirtschaftet der Oberbergische Kreis, 40 Prozent sind vom Borkenkäfer befallen. Fast zwei Drittel des alten Waldbestandes waren Nadelhözer, davon 58 Prozent oder 520 Hektar ausschließlich Fichten. Die erschreckende Prognose des Kreises lautet: Bis Ende des Jahres werden alle Fichten über 40 Jahre abgestorben sein und das bei einem Bestand von 350 Hektar, der bereits über 70 Jahre alt ist. Anfang des letzten Jahres war bereits eine derartig große Fläche tot oder befallen. Im Frühjahr dieses Jahres zählte der Kreis etwa 12 Millionen Käfer pro Hektar. 2018 war das Bergische Land im NRW-Vergleich noch im Mittelfeld, was die Schäden durch den Borkenkäfer betrifft. 2019 stieg der Wert um das 45-fache und hat die Region auf den zweiten Platz der größten Schäden in NRW katapultiert.
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Sind die Zahlen des Kreiswaldes schon erschreckend, ist zu beachten, dass sich laut dem Regionalforstamt 72 Prozent der Wälder im Bergischen in Privatbesitz befinden. Die Folgen: Die Waldarbeiter kommen mit dem Fällen kaum noch nach, Sägewerke sind überlastet, selbst für den Verkauf des Holzes nach China mangelt es mitunter an Containern. Dementsprechend stark sind die Preise für Holz gefallen. (Der Preis für den Festmeter Holz im Januar 2018 betrug 70 bis 75 € - heute: 5 bis 10 €). Betriebe, welche die Aufforstung übernehmen, werden aufgrund der hohen Nachfrage jedoch immer teurer.
[Gartenabfälle gehören nicht in den Wald, da sie Springkraut fördern, erklärt Frank Herhaus.]
„Es gibt kein Patentrezept für eine Wiederbewaldung“, sagte Landrat Jochen Jagt bei der heutigen Waldbegehung in Bergneustadt. Forstbetrieb und das Umweltdezernat des Kreises haben aber ein 5-Punkte Konzept entwickelt, in dessen Rahmen aus Flächen mit abgestorbenen Fichtenbeständen neue, sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch hochwertige Waldbestände entstehen sollen. Bereits im Februar wurde das Programm „Klima-Umwelt-Natur Oberberg“ (KUNO) auf Schloss Homburg intensiv diskutiert (OA berichtete). Die damals besprochenen Waldexkursionen für private Waldbewirtschafter sollen angeboten werden, sobald die Corona-Pandemie dies wieder zulässt.
Mit dem Konzept will die Kreisverwaltung nicht den Anspruch erheben, ein perfektes Allheilmittel für die Wiederbewaldung im Oberbergischen Kreis gefunden zu haben, die Ideen ließen sich in Teilen aber auch auf andere Forstbetriebe übertragen. „Was wir brauchen, aber am wenigsten haben, ist Geduld“, meint Forstwirtschaftsmeister Axel Lang. Seit 45 Jahren kümmert er sich um die Wälder, seit 2006 als Revierleiter im Oberbergischen. Die Folgen der Stürme Kyrill, Friederike und Brunhilde sowie der Borkenkäferplage sieht er täglich.
[Für Forstwirtschaftsmeister Axel Lang sind die oberbergischen Wälder eine Lebensaufgabe.]
KUNO sieht eine Wiederaufforstung durch gruppenweise Pflanzung sowie die Entstehung von Vorwäldern aus Pioniergehölzen auf abgeernteten Flächen vor. Der Wald soll neben der Aufforstung auch selbst regenerieren können. Tote Fichten sollen zudem stehen bleiben. Denn die abgestorbenen Bäume haben immer noch einen enormen Nutzen, spenden Schatten und schützen den Boden vor Austrocknung und fördern Rohhumus. „Selbst totes Holz arbeitet noch“, erklärt Lang. Nach Sturm Friederike wurden 19.000 neue Pflanzen auf freien Flächen vom Kreis gesetzt, 70 Prozent fielen der Trockenheit zum Opfer. Die Gefahr der Verkarstung der Böden ist enorm.
Wald-Spaziergang
Seit Mitte der 70er Jahre ist der Waldspaziergang des Landrats eine feste Tradition, die 2015 allerdings ein Ende fand. Mit der Wiederaufnahme am heutigen Montag will Landrat Jochen Hagt den Stellenwert des Projekts KUNO unterstreichen.
Ein weiterer wichtiger Punkt des Konzepts ist die Naturverjüngung mit der Möglichkeit, später Wirtschaftsbaumarten einzubringen. Die Mischwuchsregulierung ist wichtig, die Zeit der Monokulturen sei vorbei. Exemplarisch zeigte Lang während der Führung immer wieder junge Buchen, Ahorne, Eichen und andere Baumarten, die sich allmählich entwickeln. Auf knapp 33 Prozent der Flächen soll die Renaturierung einer natürlichen Entwicklung überlassen werden. Einzige Ausnahme: Wo eine Beseitigung aus Gründen der Verkehrssicherung und des Brandschutzes unumgänglich ist. Bei der Wiederbewaldung wird zusätzlich besonderer Wert auf die Entwicklung blütenreicher Waldinnenränder und Säume gelegt, um die Insektenvielfalt zu fördern.
„Wir müssen im Blick haben, dass sich unser Wald verändert“, so Landrat Jochen Hagt. „Mit der Verpflichtung des ökologischen Waldbaus haben wir auch eine besondere Verantwortung für unsere Zukunft."
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