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Plötzlich sind wir alle ein bisschen Klima

bv; 29.05.2019, 15:49 Uhr
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Plötzlich sind wir alle ein bisschen Klima

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bv; 29.05.2019, 15:49 Uhr
Oberberg – Die oberbergische SPD will den Klimanotstand ausrufen – nicht mehr als Symbolpolitik. Ein echtes Umsteuern würde Systemfragen berühren und wäre schmerzhaft.

Von Bernd Vorländer

 

Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Die früher großen Parteien sind nach der Wahl des vergangenen Sonntags Getriebene. Hektisch, ja aktionistisch versucht man geradezu Unfassbares zu sortieren. Die einen wollen im Zuge der Diskussionen auf You Tube und den sozialen Netzwerken neue Regeln aufstellen. Wo kommen wir hin, wenn da jeder sagen kann, was er denkt und auf diese Weise das junge Wahlvolk beeinflusst. Andere wie der NRW-Ministerpräsident scheinen urplötzlich unsanft in der Wirklichkeit angekommen zu sein. Wenn Armin Laschet äußert, „aus irgendeinem Grund“ sei das Klimathema plötzlich ein weltweites Thema geworden, klingt er wie aus der Zeit gefallen. Und auch die oberbergische SPD möchte  das in der gesamten Sozialdemokratie bislang verschlafene Thema Klimaschutz gerne kräftig nach vorne schieben. Seit Sonntag geht es nicht mehr um Klimawandel, jetzt soll in ganz Oberberg der Klimanotstand ausgerufen werden.

 

Klingt gut, klingt nach ‚Wir haben verstanden‘. Wirklich? Ganz praktisch könnten der Kreis oder die Räte in Oberberg verpflichtet werden, bei jeder Investition oder jedem Projekt die positiven oder negativen Effekte auf das Klima zu benennen. Landrat oder Bürgermeister wären verpflichtet, jährlich über die geplante Reduktion der Emissionen zu sprechen und Perspektiven aufzuzeigen. Kommunale Unternehmen und Institutionen wären aufgerufen, zu berichten, inwiefern sie zum Klimaschutz beitragen. Aber das Ganze ist vor allem eines: Symbolpolitik. Man bewegt sich innerhalb des Systems, das wir alle kennen: Und das ist auf Wachstum angelegt. Lösungen soll es dann eben nur innerhalb einer systemimmanenten Klimawende geben: mehr sauberen Strom, mehr alternative Energien, mehr E-Mobilität, mehr Technik - und alles wird gut? Ein Trugschluss.

 

Wenn es die oberbergische SPD ernst meinen würde, müsste sie den Menschen auch unbequeme Fragen stellen. Etwa, wieviel Wachstum überhaupt noch möglich ist, wieviel Verschleuderung von fossiler Energie in Autos und Flugverkehr wir uns noch leisten können, wieviel Konsum zu Billigstpreisen akzeptabel ist, wenn Klima und Umwelt derart gefährdet sind, wie dies derzeit zurecht beschrieben wird? Vorbei wären Flugreisen zum Taxi-Preis, Schluss mit Fleischpreisen auf Ramsch-Niveau. Einen schmerzfreien Klimaschutz nach dem Motto ‚Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass‘ wird es jedenfalls nicht geben. Dies alles müsste auch die oberbergische SPD (und mit ihr viele andere) sagen, wäre es ihr mit dem Klimanotstand wirklich ernst. Doch dazu fehlt der Mut. Denn Konsumenten sind auch Wähler – und an denen fehlt es nun ja bekanntlich sehr.

 

Artikel: SPD Oberberg fordert Ausrufung des Klimanotstands

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KOMMENTARE

1

Sehr guter Kommentar. Deutschland muss halt die Welt retten mit ca. 2% CO2-Ausstoss. Was ist eigentlich mit der Abholzung des Regenwaldes? Da spricht keiner mehr von.

Achim Schmidt, 29.05.2019, 16:21 Uhr
2

Ich bin nur halb bei Bernd Vorländer. Natürlich ist es richtig, dass ein "Klimanotstand" in Oberberg erstmal etwas Symbolisches wäre.
Aber Rosa Parks Sitzenbleiben im Bus, oder Gandhis Salzmarsch waren auch symbolische Akte, die dennoch sehr grundlegende Veränderungen angestoßen haben.
Und natürlich muss uns Bürgern auch klar sein, dass es eine evtl. "Klimarettung" nicht zum Nulltarif gibt, da hat Bernd völlig Recht. Wir alle müssen uns auf etwas (vielleicht sogar ganz und gar) Neues einstellen. Das wird nicht einfach und von uns allen Veränderungsbereitschaft verlangen.
Aber solch eine "Ausrufung des Klima-Notstandes" (wenn möglichst viele Kommunen, wie z.T. schon geschehen, mitmachen) kann eine Chance sein, mit vielen vielen kleinen Schritten auch Großes oder gar unmöglich Erscheinendes zu erreichen.

Thomas Döpp, 30.05.2019, 01:14 Uhr
3

Danke fürdiesen ausgewogenen, klarstellenden Kommentar!
Vom Abholzen des Regenwaldes darf nicht mehr geredet werden, weil man die Flächen ja zum Abau von Panschmittelne für das "Ökubenzin" der Grünen braucht!

Gelbe-Haußen, 30.05.2019, 09:00 Uhr
4

Ein sehr guter Kommentar der vieles andeutet. Ich kann überunsere Politiker nur den Kopf schütteln,wann werden die mal wach.
z.B. Schweiz, Berner Oberland , Mönch 4100 Meter hoch, 1985 am Gipfel ein großer Hängegletscher aus Eis , 2005 ein schmaler weicher Firngrat ,
etwas weiter südlich , Aletschgletscher , Konkordiaplatz 2900 m , vom Jahr 1900 bis 1996 hatte sich etwas verändert , mussten die Tour ändern ,im Jahr 2005 waren die Eisveränderungen deutlich zu sehen,von 1996 bis 2017 sind auf dieser großen Eisfläche gut 30 m Eis in der Höhe abgeschmolzen . Engardin , Morteratschgletscher von 1986 bis jetzt nur
noch ein kleiner Eisstrom .Wann sind die Gletscher im Einzugsgebeit von
Vorder- Hinter- Rhein und Aare verschwunden , was ist mit dem Trinkwasser von Millionen bei uns. Es ist nicht 12 Uhr, sondern 10 min. nach 12 Uhr .

L Golland, 30.05.2019, 18:41 Uhr
5

Kann ich leider auch in meinem Umfeld gut beobachten. An der Urne die Grünen wählen und danach im übergroßen Diesel-SUV zum nächsten Billigramschladen fahren, um sich mit Plastikbechern für die nächste Party eindecken. Der Notstand könnte allerdings ein erster Schritt sein, wachzurütteln – auch wenn es im ersten Schritt nach Aktionismus und Symbolpolitik riecht.

Regenwald: Der geht zu großen Teilen eher auf die Produktion von Billig-Soja und Palmöl. Aber auch hier gilt: mehr Aufmerksamkeit beim Einkauf. Wenn sich keiner mehr für Soja aus ehemaligen Regenwäldern interessiert, wird er auch nicht mehr abgebaut. Der Konsument hat bei allem die volle Kontrolle!

G. D. Nieksan, 31.05.2019, 07:53 Uhr
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