LOKALMIX

Ankommen gegen die „Goldgräberstimmung“

lw; 26.02.2024, 18:00 Uhr
Symbolfoto: PublicDomainPictures auf Pixabay
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Ankommen gegen die „Goldgräberstimmung“

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lw; 26.02.2024, 18:00 Uhr
Oberberg – Kreis hat gemeinsam mit vielen Beteiligten und Betroffenen einen Handlungsleitfaden zur Steuerung von Photovoltaik-Freiflächenanlangen erstellt – Gerade Landwirte treiben Sorgen um.

Von Lars Weber

 

Wo können bestenfalls Photovoltaik-Freiflächenanlagen im Oberbergischen Kreis entstehen, um sich an der Energiewende zu beteiligen? Welche Flächen sollten davon verschont bleiben, weil sie besonders schützenswert sind? Und welche Größen und Mengen machen Sinn? Diese Fragen stellen sich momentan die Verantwortlichen in den Kommunen, in denen die bauplanrechtlichen Voraussetzungen für die Anlagen geschaffen werden müssen. Diese Fragen stellen sich aber auch der Kreis, Umweltschützer, Energieversorger, Tourismusagenturen und vor allem auch Landwirte. Im vergangenen Jahr hat der Kreis daher sämtliche Akteure an einen Tisch gebracht, um Antworten zu finden (OA berichtete). Das Ergebnis vieler Treffen ist heute im Kreishaus präsentiert worden: Ein Handlungsleitfaden zur Steuerung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen im Kreis.

 

Für den konstruktiven Austausch dankte Planungsdezernent Frank Herhaus, der die Ergebnisse an der Seite von Wipperfürths Bürgermeisterin Anne Loth als Vertreterin der Bürgermeisterkonferenz, Frank Bellinghausen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Oberberg und Dietmar Hartmann aus dem Vorstand des Nabu Oberberg, erläuterte. „Wir haben es geschafft, einen großen Konsens zu erreichen“, was angesichts der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten die gute Qualität des Austauschs zeige, was auch die anderen Gesprächsteilnehmer bestätigten. Das übergeordnete Ziel: Für die Kommunen eine geeignete Form der Steuerung der Flächenauswahl erarbeiten. Damit sollen bestenfalls Flächenkonflikte verringert, Wildwuchs verhindert und Verfahren beschleunigt werden.

 

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Eingeflossen in die Diskussionen sind „harte Kriterien“ wie die Zielvorgaben aus der Landes- und Regionalplanung sowie beispielsweise bauleitplanerische Vorgaben ebenso wie „weiche Kriterien“ wie Agrarstruktur und Pachtverhältnisse, Tourismus, Denkmalschutz oder auch Landschaftsschutz. Es wurde zudem versucht, ein mögliches Ausbauziel für den OBK zu umreißen, auch wenn diese Zahl nur ein Richtwert sein kann: Unter der Annahme, dass auf einem Hektar etwa 1 MW erzeugt werden könne und unter Berücksichtigung des Ausbauziels des Bunds seien bis 2030 im Oberbergischen Kreis 200 Hektar PV-Freiflächen nötig. Dies seien 15 Hektar pro Kommune.

 

Sechs Leitsätze bilden das Herzstück des Papiers. Zum Start sollten die Kommunen sich über eine Strategie im Klaren werden. Möchte sie lieber mehrere kleine Freiflächenanlagen, oder doch besser wenige große mit hohem Flächenverbrauch?

 

Eine zentrale Empfehlung: Die Kommunen sollten auf landwirtschaftlich wertvollen Flächen keine PV-Freiflächenanlagen zulassen. Denn diese seien für die Landwirte von höchster Bedeutung, wie Bellinghausen verdeutlichte. Selbst, wenn Betriebe ihre Flächen aufgeben würden, wäre es entscheidend, diese als mögliche Option für andere Betriebe zu erhalten und nicht aus dem Spiel zu nehmen. Da ginge es auch um Planungssicherheit. „Es gibt noch viele Betriebe hier, wo schon eine junge, gut ausgebildete Generation im Hintergrund wartet. Wir sollten ihnen nicht den Mut nehmen!“

 

Sorgen bereitet Bellinghausen in diesem Zusammenhang, dass nur 30 Prozent der Flächen im Eigentum der Landwirte sind. Die restlichen Flächen sind gepachtet. „Das sorgt für große Unsicherheit.“ Denn was der Eigentümer mit seinem Land macht, sei nicht klar, zumal bei dem Thema eine Goldgräberstimmung in Deutschland herrsche. „Projektierer sind überall im Land unterwegs“, sagte auch Herhaus. „Da werden große Beträge versprochen, die kein Landwirt erwirtschaften könnte“, sagte Bellinghausen. Er warnte jedoch. Es werde viel gelockt, aber längst würden nicht immer die Beträge auch gezahlt.  „Ich kann nur für den Erhalt der Flächen appellieren.“ Bürgermeisterin Anne Loth hat die Goldgräberstimmung auch bereits ausgemacht. „Aufklärung und Informationen sind wichtig, die Richtlinien kommen daher zur richtigen Zeit!“

 

[An einem Strang ziehen (v.li.): Dietmar Hartmann (Vorstandsmitglied Nabu Oberberg), Frank Herhaus (Dezernent für Planung, Regionalentwicklung und Umwelt beim OBK), Jonathan Heyde (Koordinator Erneuerbare Energien beim OBK), Anne Loth (Bürgermeisterin Wipperfürth) und Frank Bellinghausen (Vorsitzender Kreisbauernschaft Oberberg).]

 

Zugelassen werden sollten die PV-Freiflächen nur auf ökologisch gering- und mittelwertigem Acker- und Grünland, so die weitere Empfehlung. Artenreiche Wiesen und Weiden, Schutzgebiete, auch Vertragsnaturschutzflächen sollten nicht infrage gestellt werden. „Wir haben definiert, welche Flächen landwirtschaftlich wertvoll sind und welche ökologisch wertvoll sind“, so Dietmar Hartmann vom Nabu. Die Flächen in der Mitte zwischen diesen Polen bildeten etwa das Potenzial, über das man sprechen sollte in Kommunen. Karten dazu würden vom Kreis noch zur Verfügung gestellt.

 

Generell, so Hartmann, sollte man aber zunächst Flächen nutzen, die ohnehin versiegelt sind: Dächer, Industriegebiete, Parkplätze mit Solar versehen, Flächen an Autobahnen. „So könnte der Druck rausgenommen werden bei ökologischen wichtigen Arealen.“

 

Laut den weiteren Leitsätzen sollten Waldgebiete tabu sein, weiter geht es um Kompensationsmöglichkeiten und die Kulturlandschaft als Imagefaktor des Tourismus, der ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden sollte. Allein gelassen werden sollen die Kommunen auch im weiteren Verfahrensverlauf nicht, so enthält der Handlungsleitfaden unter anderem auch Empfehlungen für die Beteiligung von örtlichen Landwirten und Bürgern oder Musterbeispiele für Ratsbeschlüsse. Weiter miteinander zu reden, so Herhaus, wird auch auf dem Weg zu den größeren Projekten entscheidend sein.

 

Loth erinnerte zudem daran, dass es nicht nur um PV-Freiflächen gehen werde in den nächsten Jahren. Gerade auch Windenergie, aber auch Wasserkraft werde viel angefragt. „Es wird auf den Mix ankommen.“ Wobei bei der Energiewende auch die Wirtschaft und der Umgang der Firmen mit Energie ein Gradmesser sein wird.

 

Der Handlungsleitfaden und Informationen dazu gibt es auch hier.

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