LOKALMIX

Fischtreppenbau: Balanceakt zwischen Artenschutz und Stromproduktion

lw; 20.01.2021, 13:43 Uhr
Fotos: Lars Weber --- Die Stauanlage Osberghausen in Engelskirchen: Wenn die Arbeiten fertig sind, werden jene Fische, die den Abstieg schaffen, am rechten unteren Bildrand wieder in das Bachbett der Agger eintauchen.
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Fischtreppenbau: Balanceakt zwischen Artenschutz und Stromproduktion

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lw; 20.01.2021, 13:43 Uhr
Engelskirchen – Arbeiten an der Staustufe Osberghausen starten nach fast fünf Jahren der Planung im Februar – Pläne nach Kritik immer wieder angepasst.

Von Lars Weber

 

Der Aggerverband wird im Februar damit beginnen, die Staustufe Osberghausen abzulassen. Es ist der Startschuss für den Bau der Fischtreppe, die Auflage für die Stromerzeugung der Wasserkraftanlage vor Ort ist. Betrieben wird diese von der bayerischen Auer Holding, der weitere Anlagen entlang der Agger gehören. Da in Osberghausen der Aggerverband der Besitzer der Anlage ist, muss dieser auch für den Bau der Fischtreppe sorgen. Mit dem Beginn der Umsetzung endet eine lange Planphase, in der sich der Verband auch immer wieder großer Kritik von Umweltverbänden ausgesetzt sah. Zu den Kritikern gehört Friedrich Meyer, der Flussgebietskoordinator für die Agger ist, und dessen großes Ziel die Renaturierung der Agger ist.

 

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Die Durchgängigkeit beim Aufstieg

 

Die Kritik Friedrich Meyers fußt unter anderem auf die Erlaubnis zum Aufstau der Agger zum Zweck der Wasserkraftnutzung durch die Bezirksregierung aus dem Jahr 2016. Darin werden die Bedingungen für den Fischaufstieg in den damaligen Plänen als „suboptimal“ beschrieben. Die Fische benötigten zu viel Kraft, um den Weg zur Treppe zu finden, weil sie hingezogen würden zur Lockströmung aus dem Turbinenuntergraben, der weit vor der Treppe angesiedelt ist. Die Zunahme der Sterblichkeit sei die Folge.

 

[Friedrich Meyer am Turbinenuntergraben, der sich gut 100 Meter flussabwärts von der Stauanlage befindet.]

 

Dass die Bedingungen an der Bestandsanlage aus dem Jahr 1956 nicht optimal und die Wege für die Fische sehr lang sind, weiß auch der Aggerverband. „Wir denken in der Planung immer pro Fisch, der Naturschutz in Nordrhein-Westfalen werde nicht umsonst groß geschrieben“, sagt Wim Dissevelt, Abteilungsleiter Talsperren und Fließgewässer. Deshalb seien die Pläne in den vergangenen Jahren stets weiterentwickelt worden.

 

An der Stelle am Turbinenuntergraben, also wo das Wasser der Kraftanlage wieder in die Agger geleitet wird, werde deshalb eine elektrische Fischscheuche installiert. Sie sei ein bisschen mit einem Weidezaun zu vergleichen. Für die Fische sei sie nicht gefährlich, die Scheuche lenke sie aber weiter in Richtung der Fischtreppe, wo sie über 40 Wasserbassins den Aufstieg angehen können. Damit zu jeder Zeit genug Wasser in der Agger sei, ist die Menge per „strenger“ Auflage geregelt, so Dissevelt. „Im Moment gibt es für die Tiere gar keine Chance, nach oben zu wandern. Bald wird es diese Chance geben.“

 

Dass trotz der Treppe Fische auf dem Weg verenden werden, räumt der Aggerverband auch ein. Die jetzigen Pläne werden aber inzwischen von der Bezirksregierung positiv bewertet. Sie spricht auf Nachfrage von einer „deutlichen Verbesserung der aufwärtsgerichteten Durchwanderbarkeit“. Anders als noch 2016 stehen auch keine Ausgleichszahlungen für die toten Fische mehr im Raum.

 

[Wim Dissevelt (links) und Axel Blüm vom Aggerverband zeigen den Plan für die Fischtreppe.] 

 

Die Durchgängigkeit beim Abstieg

 

In der Theorie sollen die Fische von der Strömung angezogen Richtung Wehr schwimmen. Dort wird ein neuer Rechen installiert mit einem Abstand von 15 Millimetern. Daran sollen die Fische entlanggleiten können in eine Spülrinne, an deren Ende sie wieder ins Bachbett kommen. „Auch das bedeutet Stress für die Tiere“, sagt Dissevelt. Es gehe darum, Störfaktoren soweit wie nur möglich zu minimieren. Meyer wiederum verweist auf eine Meinung des Fischereiverbands NRW. Dort heißt es: „Es werden zwar einige Fische absteigen, keinesfalls in ausreichender Menge und nicht das gesamt Artenspektrum.“ Der Verband bescheinigt dem Aggerverband aber eine Planung, die den aktuellen technischen Vorgaben entspreche.    

 

Die Stromerzeugung

 

Friedrich Meyer schätzt die Rolle der Wasserkraft an der Energiewende gerade an Agger als zu gering ein, als dass es die Anlagen und die Folgen für einige Tiere rechtfertigt. „Wir sollten an den Gewässern retten, was noch zu retten ist“, sagt er. Dem entgegen steht, dass unter anderem in Osberghausen seit den 50er-Jahren Strom mit Wasserkraft produziert wird und die Erlaubnis vorliegt, noch mindestens bis ins Jahr 2046 damit fortzufahren. Läuft die Anlage, können damit etwa 300 Haushalte versorgt werden, rechnet man die anderen Wasserkraftanlagen an der Agger dazu seien es rund 3.500. Die Anlagen seien überhaupt eine der wenigen Möglichkeiten, im Oberbergischen regenerative Energie zu produzieren, so Dissevelt.

 

[Am Rand der Stauanlage soll die Fischtreppe von unten münden. Auf dem Weg dorthin müssen sie 40 Wasserbecken überwinden. In jedem dieser Becken soll es einen Ruhebereich geben, damit die Fische Kraft schöpfen können.]

 

„Natürlich wurde beim Bau der Anlage in der Nachkriegszeit nicht an Themen wie eine Fischtreppe gedacht“, sagt Axel Blüm, Leiter des Vorstandsbüros des Aggerverbands. „Deshalb versuchen wir jetzt mit großem Aufwand, dem Klima- und Artenschutz gerecht zu werden.“ Dies gehöre ebenso zu ihren Aufgaben wie die Bereitstellung von Brauchwasser zur Stromerzeugung. Diese Balance versuche der Verband so gut es möglich hinzubekommen.

 

Zeitplan und Finanzierung

 

Die Staustufe soll noch im Februar abgelassen werden, um die Holzbeplankung am Wehr zu erneuern und die Rechenanlage auszutauschen. Parallel wird mit dem Bau der Fischtreppe begonnen. Wim Dissevelt geht davon aus, dass man Ende des Jahres wieder anstauen kann. Die Baumaßnahme soll bis März 2022 abgeschlossen sein. Solange läuft auch die Frist der Bezirksregierung für den Bau der Fischtreppe als Auflage für die Stromerzeugung.

 

Rund eine Million Euro soll die Umsetzung kosten. Die Hälfte kommt vom Land als Zuschuss, die andere Hälfte werde laut Aggerverband von der Auer Holding übernommen. Das Unternehmen werde zudem noch den Stauhaltungsdamm ertüchtigen, ebenfalls auf eigene Kosten. Wie viel Geld die Holding investiert, ist unklar. Mehrere Anfragen blieben unbeantwortet.

 

Um die Öffentlichkeit von dem Projekt zu überzeugen, war eigentlich auch eine Informationsveranstaltung geplant, so Axel Blüm. Diese habe die Pandemie aber verhindert. Stattdessen soll es einen Tag der offenen Tür geben, wenn alles fertig ist. „Die Akzeptanz der Bürger ist uns wichtig“, so Blüm.

 

KOMMENTARE

1

Wäre mal sehr interessant zu erfahren was das dann alles so pro Fisch kostet?

Armin Grünschlag, 20.01.2021, 16:10 Uhr
2

Darüber gab es kürzlich auch einen interessanten Bericht im WDR-Fernsehen. Soll weit über eine Mio. Euronen kosten.
Gibt es nichts Wichtigeres, oder Sinnvolleres wo man öffentliche Gelder für einsetzen kann/sollte!?
Was wird das wohl pro Fisch kosten, wenn Herr Dissevelt schon von dieser Bezugsgröße spricht?
Und was wird sich durch diese Baumaßnahme am Klima(wandel) verändern/verbessern, wie Herr Blüm vom Verband fabuliert ... das erschließt sich mir jedenfalls nicht?!
Akzeptanz beim Bürger erreicht man bei mir als Steuerzahler mit solchen populistischen Aussagen auch nicht; da hilft auch kein "Tag der offenen Tür" nach der Pandemie, der dann auch wieder unnötiges Geld kostet!

Clemens Feldbusch, 20.01.2021, 19:00 Uhr
3

Ich hatte hierzu einen Bericht in der Lokalzeit gesehen. Dort war von ungefähr 1 Million die Rede - sprich: wahrscheinlich werden es dann 2 ;-)

christian, 21.01.2021, 13:57 Uhr
4

wie erklärt sich aus dem Fischtreppenbau ein Einfluss, bzw. eine Veränderung/Verbesserung des Klimas (Klimaschutz)???

Sven Bauer, 21.01.2021, 14:29 Uhr
5

Bein uns an der "Klus" in Waldbröl wurde auch schon viel öffentliches Geld vom Aggerverband für nicht besonders viel Naturschutz und Renaturierung ausgegeben. Unfassbar wie großzügig und für was in unserem Land nach wie vor Steuergelder ausgegeben werden ...

Kirsten Dyck, 21.01.2021, 16:57 Uhr
6

Wie sollen die Fische denn da hoch kommen wenn es im Verlauf der Agger abwärts so was nicht gibt. In Ehreshoven 1 und 2 Vilkerath gibt es keine Fischtreppen. Wie bitte schön sollen dann die Fische Flussaufwärts oder Abwärts wandern.

Beobachter, 27.01.2021, 18:33 Uhr
7

Keine Ahnung wozu teure Fischtreppen gebaut werden, weil spätestens an der Staumauer der Aggertalsperre für jeden Lachs (so er denn käme) Schluss ist !?!
Umweltfreundlicher Strom ist wichtiger als ein Lachs vor der Staumauer !

Wolfgang Korb, 14.04.2021, 17:49 Uhr
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