LOKALMIX

„Agger soll wieder frei fließen“ - Betreiber reagiert

lw; 29.05.2020, 15:01 Uhr
Fotos: Lars Weber (2)/Paul Kröfges (2) --- Paul Kröfges (li.) und Friedrich Meyer setzen sich für die Renaturierung der Agger in Engelskichen ein.
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„Agger soll wieder frei fließen“ - Betreiber reagiert

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lw; 29.05.2020, 15:01 Uhr
Engelskirchen – Offener Brief an Umweltministerin – Forderung: Land soll marode Staustufen übernehmen – Besitzer der Anlagen hat andere Pläne (AKTUALISIERT).

Von Lars Weber

 

Für Friedrich Meyer und Paul Kröfges ist das Thema nicht neu. Meyer ist Wassernetz-NRW Flussgebietskoordinator für die Agger, Kröfges ist Sprecher der BUND-Regionalgruppe Köln und Vertreter der Naturschutzverbände in der Aggerverbandsversammlung. Beide haben die Situation an der oberen Agger in Engelskirchen schon seit Jahren im Blick. Sie kritisieren den Zustand der dortigen, veralteten Wasserkraftanlagen, machen auf ihre Gefahren aufmerksam und haben auch eine Vision für die Zukunft des Flusses. Deshalb schrieben beide nun einen Offenen Brief an Umweltministerin Ursula Heinen-Esser, mit dem sie Bewegung in das Thema bringen möchten. Die Essenz: „Die Agger soll in diesem Bereich wieder frei fließen können.“   

 

Das sind die Anlagen

 

In dem Bereich der Agger von Ehreshoven bis zur Aggertalsperre befinden sich in der Gemeinde Engelskirchen sechs Stau- und Wasserkraftanlagen. Dazu gehören die Flusskraftwerke Osberghausen (Inbetriebnahme 1956), Wiehlmünden (1939), Haus Ley (1955), Ohl-Grünscheid (1928) sowie die Ausleitungskraftwerke Ehreshoven 1 und 2 (von 1932 und 1933). Fünf Anlagen werden betrieben von der Aggerkraftwerke-Gesellschaft, die zur Auer Holding aus München gehört.

 

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Das sind die Kritikpunkte

 

Meyer und Kröfges bemängeln den Zustand dieser Anlagen, Sicherheitsprüfungen seien seit Jahren versäumt worden. Als Konsequenz wurde die Anlage Grün-Ohlscheid vergangenen September gerichtlich wegen Gefahr in Verzug stillgelegt. Meyer und Kröfges glauben, dass die Anlagen nicht wirtschaftlich zu betreiben sind, erst recht nicht, wenn man sie in einen „ökologische verträglichen Zustand“ bringen müsste. Die Betreiber verdienten Geld mit Zuschüssen, würden sich aber in die Insolvenz flüchten, müssten sie tatsächlich in die Anlagen investieren. Zumal der Strom, der durch die sechs Anlagen gewonnen werde, mit insgesamt rund 7.800 Megawattstunden im Jahr sehr gering sei. Zum Vergleich: Eine moderne Windkraftanlage kommt auf rund 7.000.

 

Bestätigt fühlen sich Meyer und Kröfges auch durch die AggerEnergie. Diese hatte den Kauf der laut Meyer am besten erhaltenden Anlage Haus Ley eingehend geprüft, wie die AggerEnergie auch auf Nachfrage bestätigt. Das Unternehmen sei aber aus wirtschaftlichen Gründen von einem Kauf abgerückt. „Wasserkraft hat hier an der Agger keine Zukunft“, sind sich Meyer und Kröfges sicher.

 

[Die Anlage Ohl-Grünscheid steht seit September still.]

 

Beispiel Stauwehr Ohl-Grünscheid

 

Im September vergangenen Jahres wurde die Anlage stillgelegt. Seitdem der Fluss dort wieder frei fließen kann, habe sich schon einiges entwickelt, was das „Herz von Flussökologen höher schlagen“ ließe. Durch die natürlichen Strömungsverhältnisse könnten Fische wieder laichen, die kleinen Steininseln im Fluss seien ideal als Brutplätze, zum Beispiel für Flussregenpfeifer. „Das ist alles in nur kurzer Zeit passiert“, sagt Kröfges. „Hier entsteht gerade eine Flusslandschaft vom Feinsten, ganz ohne großen Aufwand.“

 

[Die Anlage ist so marode, dass sie gerichtlich wegen Gefahr im Verzug stillgelegt wurde.]

 

Das sind die Erwartungen ans Land

 

In dem Brief an die Umweltministerin fordern Meyer und Kröfges, dass das Land sich einschaltet und die maroden Anlagen erwirbt. „Die Hängepartie muss aufhören und das Land muss sich seiner Verantwortung bewusst werden“, sagt Kröfges. Die Anlagen sollten nach dem Erwerb rückgebaut werden, sodass wieder ein vitaler Fluss entstehen könne. Dass das nicht günstig wird, darüber sind sich Meyer und Kröfges im Klaren. „Dabei sind nicht die Anlagen selbst teuer“, sagt Meyer. „Teuer wird vor allem das Abtragen der Sedimente und der Bauwerke.“ Es seien Schwermetallbelastungen zu erwarten. „Das ist eine Millionengeschichte.“

 

Hier siehen die Experten Chancen für ihr Vorhaben

 

[Paul Kröfges ist Sprecher der BUND-Regionalgruppe Köln und Vertreter der Naturschutzverbände in der Aggerverbandsversammlung.]

 

Ursula von der Leyen stellte unlängst die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 vor. Darin steht auch, dass bis 2030 mindestens 25.000 Flusskilometer wieder in frei fließende Flüsse umgewandelt werden sollen. 2021 sollen, wenn der Entwurf die restliche Hürden passiert, Standorte ausgewählt werden. Es winken hohe Fördersummen. „Ziel muss es daher für das Land sein, die maroden Agger-Anlagen bis 2021 zu erwerben, damit man bei der Auswahl dabei ist.“ Kröfges und Meyer wollen die Gunst der Stunde nutzen. Dabei wollen sie aber auch die Bevölkerung mit ins Boot holen und den Prozess der Renaturierung in die richtige Richtung führen, wie sie sagen. Dabei soll auch das Regionale 2025-Projekt „AggerPerspektiven“ helfen, das gerade ausgearbeitet wird und dann eingereicht werden soll.

 

Das sagt der Betreiber

 

Während die Gesellschaft Wasserkraftwerke Haus Ley nicht zu erreichen war, hat sich die Auer Holdung aus München auf Nachfrage zu Wort gemeldet. Das Unternehmen ist laut eigener Aussage mit 18 Kraftwerken in fünf Bundesländern  eines der größten privaten Wasserkraftunternehmen in Deutschland. Noch im Juni möchte Auer die Anlage Osberghausen wieder in Betrieb nehmen.  "In die Kraftwerke Ohl-Grünscheid und Ehreshoven I und II investieren wir in den nächsten zwei Jahren rund sechs Millionen Euro." Neben dem Austausch des Segmentschützes am Wehr Ohl-Grünscheid umfassten die Investitionen den Austausch jeweils eines Maschinensatzes (Turbine und Generator) und der kompletten Steuerung der Anlagen, so das Unternehmen.

 

"Mit diesen Maßnahmen sind Wirkungsgradverbesserungen und eine signifikante Erhöhung des Regelarbeitsvermögens verbunden." Damit leiste man zum einen einen Beitrag zur Erhaltung "wertvoller kultureller und industrieller Substanz" und zum anderen durch die Sekundärbiotope der Stauseen zur Bewahrung von Lebensraum für Vögel, Fische und Kleinlebewesen

KOMMENTARE

1

Wenn man die Staustufen in den gesamten Stück entfernen würde, wäre die agger nur noch ein Rinnsal bei den aktuellen Sommern... eine ökologische Katastrophe für den ganzen Fluss..ohne Sinn und Verstand der Gedanke...

Torsten, 28.05.2020, 19:22 Uhr
2

Ich finde es, dass es schon lange überfällig ist. Sorge bereitet mir nur, was mit den Altlasten passiert.

Birgit Leidenheimer , 29.05.2020, 15:09 Uhr
3

Ich stimme Torsten vollumfänglich zu. Warum sollte man zudem etwas ändern, was funktioniert und in den letzten "100 Jahren" niemand gestört hat? Es ist schon sportlich, was da so an Themen ausgegraben wird. Die beiden Aktivisten sollten sich lieber dafür einsetzen, dass die heruntergekommenen Staubereiche, wie zB. bei Oesinghausen, von Schlamm und Müll befreit werden, damit sich dort wieder "Tier und Mensch" wohlfühlen!!!

PL, 29.05.2020, 18:06 Uhr
4

Öfter mal was Neues von Herrn Kröfges: Erst war er den "gefährlichen" Keimen in der Agger auf der Spur und jetzt das ... ein "Skandal" jagt den Anderen und am Ende bleibt nicht viel mehr als ein Sturm im Wasserglas!
Wir wandern dort oft und bis auf den unschönen Müll und das Treibgut auf den Staubecken wirkt das dort alles recht idyllisch und OK!

Axel Reinsch, 30.05.2020, 12:00 Uhr
5

Nicht nette Kommentare ist man ja schon fast gewohnt, man sollte aber etwas Ahnung haben, von dem was man so schreibt. Ein natürlicher freifließender Fluss und seine Bewohner überstehen auch Trockenphasen und der Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser gehören einfach zu einem natürlichen System, bereichern dieses und sind sogar Voraussetzung für die Artenvielfalt an und in einem Gewässer und den dazugehörigen Auen. Das man sich in 70, 80 Jahren an die eher lebensfeindlichen Stauteiche, bis oben hin mit Sediment und Schlamm gefüllt, gewöhnt hat und am "Status quo" hängt, verstehe ich ja, aber es ist europaweit ein gut begründetes Ziel, wieder mehr natürliche Flussläufe zurück zu gewinnen um die Biodiversität zu stärken. Und was "gefährliche Keime" angeht, wird es Konsequenzen geben, abwarten.

Paul Kröfges, 04.06.2020, 14:14 Uhr
6

Obwohl ich selbst sehr naturverbunden bin, unterstütze ich ihre Aktivitäten in keinster Weise, weil sie bisher wesentliche Punkte, die in der Blauen Richtlinie vom MUNLV NRW für die Entwicklung naturnaher Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen für Fließgewässer in intensiv genutzten Bereichen beschrieben sind, bisher nicht ausreichend berücksichtigt haben. Das betrifft insbesondere die Punkte Naherholung und Freizeitnutzung. Zumindest einige der Stauseen sollten daher, unabhängig von der Stromerzeugung, allein aus diesen Gründen erhalten bleiben.
Damit beschränkt sich eine mögliche Entwicklung im Sinne der WRRL auf die Verbesserung der Längsdurchgängigkeit und ein natürliches Sohlsubstrat. An ihrer Stelle würde ich mich auf diese Punkte bei ihren Aktivitäten konzentrieren.

IL, 07.06.2020, 12:10 Uhr
7

Die Agger ist bereits soweit zurückgegangen,dass viele Tiere diese überhaupt nicht mehr erreichen. Was ist mit den Kröten, Feuersalamandern und Blindschleichen die am Vogelwanderweg heimisch waren? Sie leben /lebten allesamt im Laub und finden keinen Zugang mehr. Was ist mit dem Wild , dass jetzt die Agger nicht mehr als Trinkquelle nutzen kann ,weil es nicht mehr dorthin gelangt? Und was ist mit den ganzen Wasservögeln,die keine Nistplätze / Brutplätze mehr finden ?
Das Ufer war vorher „ tierisch „ bewohnt. Heute gleicht es einer vermüllten Mondlandschaft.

Rybczynski , 11.06.2020, 21:55 Uhr
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