LOKALMIX
Erschreckend nah dran am Krieg
Gummersbach - Arzt im regelmäßigen Austausch mit Studienfreund in Charkiw - Medikamente für Krankenhäuser in der Ukraine - Klinikum Oberberg erfährt viel Unterstützung für Hilfstransport.
Permanente Bombeneinschläge sind zu hören, während der Chefarzt der Gefäßchirurgie am Krankenhaus Charkiw, Dr. Vitaliy Prascel, mit seinem Freund aus Studienzeiten Igor Prudkov im Kreiskrankenhaus Gummersbach telefoniert. „Wir sind auf Eure Hilfe angewiesen, unsere gesamte Infrastruktur ist zerstört“, berichtet Dr. Prascel, der im chirurgischen Institut Tag und Nacht operiert. Er bleibt bei seinen Patienten und unterbricht seine Arbeit nur dann, wenn Luftangriffe das Krankenhaus bedrohen. Knapp einen Kilometer entfernt stehe der Fernsehturm, den die russischen Angreifer immer wieder bombardierten. Die Fenster des Krankenhauses seien inzwischen zerborsten, bei minus 14 Grad Außentemperatur. „Wir montieren Schranktüren ab und vernageln damit die Fenster“, berichtet der Chirurg. Charkiw ist nahezu eingekesselt durch russisches Militär, doch über humanitäre Korridore kommen noch Hilfslieferungen in die zweitgrößte Stadt der Ukraine.
Ein Kleinbus, beladen mit medizinischem Sachbedarf und Medikamenten, ist unterwegs dorthin, wie das Klinikum Oberberg mitteilt. Es habe für seine Hilfsaktion viel Unterstützung erfahren und insgesamt in den vergangenen Wochen rund 60.000 Euro Spenden erhalten, um Krankenhäusern in der Ukraine helfen zu können. In den Krankenhäusern in Lwiw (Lemberg) und Charkiw fehlen Schmerzmittel, Verbandsmaterialen, Anästhetika, OP-Bedarf für die Versorgung verletzter Gefäße und Knochen, Blutplasma und vieles mehr.
![]()
[Igor Prudkov, der Bus-Fahrer, Lars Lemmer, Chefapotheker im Klinikum Oberberg, und Rudolf Warkentin, Mitarbeiter der Apotheke, packen medizinischen Hilfsgüter für das chirurgische Institut in Charkiw.]
Igor Prudkov, der seit 2009 im Kreiskrankenhaus Gummersbach arbeitet, stehe im permanenten Austausch mit Schul- und Studienfreunden in der Ukraine. Aufgewachsenen in Charkiw hat er noch viele Verbindungen in seine Heimat. Prof. Yuriy Orel vom Krankenhaus Lwiw und Dr. Prascel vom chirurgischen Institut in Charkiw senden dem Gummersbacher Arzt Listen mit den dringend benötigten Medikamenten. Um die Beschaffung kümmert sich Lars Lemmer, Chefapotheker im Klinikum Oberberg. „Es ist gar nicht so einfach, die Medikamente und den medizinischen Sachbedarf in den benötigten Mengen zu bekommen“, berichtet der Apotheker in der Mitteilung. Einge Hersteller seien hilfsbereit und gewährten Rabatte.
Zwei Kleinbusse, die bis unters Dach voll mit Ware beladen werden konnten, haben Lemmer und Prudkov auf den Weg geschickt. Der Bus nach Lwiw ist schon angekommen, während der Bus nach Charkiw noch auf der gefährlichen Route in die umkämpfte Stadt nahe der Grenze zu Russland unterwegs ist.
[Ankunft der Ware im Krankenhaus Lwiw.]
Dort operiert Dr. Prascel viele verletzte Zivilisten. „Auf einen Soldaten kommen drei Zivilisten“, sagt er. Sein jüngster Fall sei ein Patient, der Brot kaufen wollte, als er durch Artilleriebeschuss schwer an der Wirbelsäule verletzt wurde. Der Chirurg findet nur ein paar Stunden Zeit für Schlaf. An sich selbst denke er nicht, weiß Studienfreund Prudkov. „Dr. Prascel hat das Krankenhaus seit dem 24. Februar nur einmal verlassen, als eine Gasleitung in seinem Haus kaputt war.“
Weiterer Artikel zum Thema:
KOMMENTARE
Jeder Nutzer dieser Kommentar-Funktion darf seine Meinung frei äußern, solange er niemanden beleidigt oder beschimpft. Sachlichkeit ist das Gebot. Wenn Sie auf Meinungen treffen, die Ihren Ansichten nicht entsprechen, sehen Sie von persönlichen Angriffen ab. Die Einstellung folgender Inhalte ist nicht zulässig: Inhalte, die vorsätzlich unsachlich oder unwahr sind, Urheberrechte oder sonstige Rechte Dritter verletzen oder verletzen könnten, pornographische, sittenwidrige oder sonstige anstößige Elemente sowie Beschimpfungen, Beleidigungen, die illegale und ethisch-moralisch problematische Inhalte enthalten, Jugendliche gefährden, beeinträchtigen oder nachhaltig schädigen könnten, strafbarer oder verleumderischer Art sind, verfassungsfeindlich oder extremistisch sind oder von verbotenen Gruppierungen stammen.Links zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
