LOKALMIX

Eine Gratwanderung jagt die nächste

lw; 26.05.2021, 16:14 Uhr
Archivfoto: Lars Weber --- Die Herausforderungen für Nadine und Pascal Haas sind im Laufe der Pandemie nicht weniger geworden.
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Eine Gratwanderung jagt die nächste

lw; 26.05.2021, 16:14 Uhr
Bergneustadt – OA hat bei Familie Haas nachgehört, wie sich ihre Situation in der Pandemie seit dem Gespräch im Juli vor einem Jahr verändert hat – Größte Sorge gilt den Kindern.

Von Lars Weber

 

„Wir wünschen uns eine Perspektive und Planungssicherheit.“ Diesen Wunsch äußerten vor knapp einem Jahr Nadine und Pascal Haas aus Bergneustadt im Gespräch mit OA. Die Familie wandte sich nach ein paar Monaten Pandemie an die Redaktion, um über die schwierige Situation zu Hause zu sprechen. Über die Herausforderungen des Lockdowns, die Vereinbarkeit von Arbeit, Homeoffice, Schutz der eigenen Eltern und Erziehung der bald vier und sechs Jahre alten Söhne. Ein Jahr später bestimmt die Pandemie weiter das Leben. Es gab die zweite Welle, dann die dritte. Aber eine Perspektive oder Planungssicherheit? „Nicht wirklich“, meint Nadine Haas.

 

Ein Blick zurück. Der Sommer 2020 verschafft der Familie Haas ebenso wie vielen anderen zunächst eine Pause zum Durchschnaufen. Die Kitas öffnen fast ohne Einschränkungen. Da beide Söhne dieselbe Einrichtung besuchen, nachdem der Jüngste zuvor bei einer Tagesmutter war, fallen für die Mutter schonmal ein paar Wege weg. Für sie eine Erleichterung, sattelt sie doch als Umschülerin um. War sie zuvor in der Pflege tätig, geht es für sie jetzt in den wirtschaftlichen Bereich. Das heißt für Nadine Haas: Arbeiten und Schule gehen Hand in Hand, der Stressfaktor ist hoch. Papa Pascal arbeitet im Schichtbetrieb. Die „Allzweckwaffe dieser Zeit“, das Homeoffice, ist also nur der Mutter möglich.

 

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Das Durchschnaufen ist nur von kurzer Dauer. In der Kita müssen schnell die Betreuungszeit gekürzt werden, bald herrscht eingeschränkter Pandemie- und dann wieder Notbetrieb. „Unsere Grenzen sind schnell überschritten, weil wir die Kinder auch nicht bei den Großeltern parken wollen, bis sie nicht geimpft sind. Es ist eine Gratwanderung“, sagt Nadine Haas. Urlaubs- und Kinderkranktage werden immer weniger, die Mutter muss ihre Arbeit in die Abend- und Nachtstunden verlagern.

 

Noch extremer ist es in Quarantäne. Viermal findet sich die Familie in der Situation wieder, nachdem direkte Kontaktpersonen positiv getestet worden waren. Als besonders aufreibend empfand das Paar die Kommunikation mit dem Gesundheitsamt. „Wir waren sofort alle zu Hause geblieben, nachdem wir von den infizierten Personen informiert wurden.“ Die notwendigen Quarantäneanordnungen aber, die auch die Arbeitgeber sehen wollten, ließen aber auf sich warten und seien nur nach vielen Telefonaten mit vielen verschiedenen Mitarbeitern des Gesundheitsamts zu bekommen gewesen.

 

Die Lücken in den Quarantänebestimmungen haben ihren Teil dazu beigetragen, so war in einem Fall nur ein Sohn direkte Kontaktperson, die Eltern hätten sich frei bewegen können, obwohl sie – erst recht in Zeiten von Mutationen – auch potenzielle Überträger hätten seien können. Dazu sei es auch noch bei der Übertragung der Daten des Virusmelders zu Fehlern gekommen. Ein schwieriger Prozess für die Familie. „Wir handeln verantwortungsbewusst, mussten aber plötzlich Angst vor einem Lohnausfall haben.“

 

Die größte Sorge der Eltern gilt aber den Kindern. Beide hätten nicht nur „die Nase voll“ von den Einschränkungen und dem Verzicht auf Freunde, Kita und Vereine. „Der Große hat auch Angst davor, in die Schule zu müssen im Sommer. Seine Sorge ist, sich nicht von seinen Freunden in der Kita verabschieden zu können.“ Denn dort gibt es inzwischen feste Gruppen, vorher gab es ein offenes Konzept. Die Brüder sind in einer Gruppe zusammen. „ Sie haben keine Freiräume unabhängig voneinander mehr, das merken wir zu Hause. Es gibt mehr Streit, sie sind schneller wütend, schneller traurig.“ Die Kinder fragen viel, wollen Antworten, wann alles wieder normal ist. „Sie wollen Sicherheit. Es ist sehr schwer, sie aufzufangen.“

 

Die Kinder im Blick zu behalten, das fordert Nadine Haas nun – wie viele andere Eltern auch – von der Politik. Damit ist sie nicht allein. Auch Ärzte, Psychologen oder Erzieher sehen eine Welle an Problemen auf die Gesellschaft zukommen, falls die Jüngsten nun aus dem Fokus geraten sollten. „Die Kinder haben keine Stimme hier in Deutschland, das müssen wir ändern, wir müssen weiter hinschauen“, appelliert Nadine Haas deshalb. Von einem Ende der Pandemie möchte die Mutter dabei nicht sprechen. Sie ist sich sicher: „Corona wird unsere Gesellschaft nachhaltig verändern und uns in irgendeiner Weise noch weiter begleiten.“

 

Drei Fragen an das Gesundheitsamt zum Thema Quarantäne

 

OA: Eine Person geht aufgrund eines positiv getesteten Kontakts in Quarantäne und benötigt für den Arbeitgeber die Anordnung. Wie ist dieser Prozess geregelt?

Gesundheitsamt: Die positiv getestete Person wird kontaktiert und unter anderem aufgefordert, eine Kontaktliste zu erstellen und diese an den Oberbergischen Kreis zu übermitteln. Nach Eingang der Kontaktliste wird diese abgearbeitet. Jede aufgeführte Person wird telefonisch kontaktiert, soweit erforderlich mündlich in Quarantäne versetzt und zu einem Test geladen. Enge Kontaktpersonen, für die vom Gesundheitsamt eine Quarantäne angeordnet wird, erhalten eine schriftliche Ordnungsverfügung als Nachweis.

 

OA: Wie sollten sich Bürger verhalten?
Gesundheitsamt: Bis zur Kontaktaufnahme durch das Gesundheitsamt handelt es sich für die enge Kontaktperson nicht um eine angeordnete Quarantäne. Enge Kontaktperson von positiv getesteten Person werden zunächst von der infizierten Person selbst informiert und gebeten, sich freiwillig in häusliche Isolation zurückzuziehen. Wenn die Kontaktperson weiterhin Kontakte nach außen haben muss, sind verstärkt Hygieneregeln zu beachten (Maske tragen, Abstand halten und Kontakte reduzieren). Wie lange es bis zu einer Anordnung dauert, hängt insbesondere von der Zusendung der Kontaktliste ab. Personen, die Kontakt zu infizierten Personen außerhalb des Oberbergischen Kreises hatten oder die Bearbeitungszeit verkürzen möchten, können sich über den Virusmelder selbst erfassen.

 

OA: Wie hat sich der Prozess im Laufe der Pandemie verändert, wurde er optimiert?
Gesundheitsamt: Der gesamte Bearbeitungsprozess wurde fortlaufend an die aktuell geltenden Vorgaben durch das Robert Koch-Institut und die Landesverordnungen angepasst. Auf www.obk.de/faq (FAQ zu Tests und Quarantäne) informiert der Oberbergische Kreis zu den meistgestellten Fragen und zu verschiedenen Fallkonstellationen.

 

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