LOKALMIX

Kraftakt zwischen Job, Kindern und Zukunftssorgen

lw; 02.07.2020, 11:35 Uhr
Foto: Lars Weber --- Voller Herausforderungen ist für Nadine und Pascal Haas der Alltag während der Pandemie.
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Kraftakt zwischen Job, Kindern und Zukunftssorgen

lw; 02.07.2020, 11:35 Uhr
Bergneustadt – Viele Familien treffen die Veränderungen durch die Pandemie besonders hart – Arbeit und Kinderbetreuung in Einklang bringen – Familie Haas erzählt von den Herausforderungen.

Von Lars Weber

 

An Mitte März können sich die meisten Familien noch gut erinnern. Von einen Tag auf den anderen werden Schulen und Kitas geschlossen. Die Kinder müssen zu Hause bleiben, viele Eltern aber eigentlich arbeiten. Es beginnt ein Kraftakt, der für viele auch nach der Rückkehr in eine eingeschränkte Betreuung oder dem vorsichtigen Wiederbeginn in den Schulen noch nicht beendet ist. Auch nicht für die Familie Haas aus Bergneustadt, die schon seit Wochen am Rotieren ist. Nadine und Pascal Haas haben einen dreijährigen und einen fünfjährigen Sohn. Sie wollen auf den schweren Stand der Familien in der Pandemie hinweisen und dafür von sich selbst erzählen.

 

Vor dem Lockdown hatte das Paar keine Probleme, sich selbst um ihre Kinder zu kümmern. „Der Jüngste ging zur Tagesmutter, der Große in die Kita, ich und mein Mann konnten sie selbst bringen und abholen.“ Als Corona über Deutschland hereinbrach und die Kindergärten geschlossen wurden, konnte die junge Familie auch noch das beste aus der Situation machen. Nadine Haas war zu dieser Zeit zwischen den Jobs und kurz davor, eine Umschulung zu beginnen. Noch hatte sie die Ressourcen, ihre Jungs daheim zu halten. „Der Umgang mit anderen Kindern hat beiden aber schon gefehlt.“ Da sie aus der Pflege kommt und die Pandemie auch aus medizinischer Sicht betrachtet, war es der Mutter aber sehr wichtig, die Kontaktsperre zu befolgen.

 

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Mitte Mai startet für Nadine Haas ihre Umschulung, sie wechselt aus der Pflege in den wirtschaftlichen Bereich. Das heißt seit Juni: 45 Stunden Unterricht in der Woche. Sie erzählt, wie gerade ihr Alltag aussieht: „Ein normaler Tag startet derzeit bei mir um 4:45 Uhr, damit ich, bevor die Kinder aufwachen, alles für den Tag vorbereiten kann. Gegen 6 Uhr wecke ich meine Kinder und helfen ihnen beim Anziehen und Frühstücken, um 7:05 Uhr geht es ins Auto. Ich bringe meine Kinder zu einer Freundin, dort werden sie zusätzlich betreut, bis sie ab 9 Uhr in die Kita können, um die 35-Stunden-Regelung einzuhalten.“ Anschließend startet bei ihr der Unterricht. „Um 16 Uhr werden meine Kinder dann von Großelternteilen oder von Freunden abgeholt. Ich rase ab 16:30 Uhr über die Autobahn, damit ich um 16:55 Uhr meine Kinder abholen kann.“ Pascal ist ebenfalls Vollzeit tätig und habe seit der Pandemie wesentlich veränderte Arbeitszeiten, sodass er die Kinder nicht pünktlich abholen kann. „Qualitätszeit ist für die Kinder kaum noch möglich. Viel mehr werden sie von einer Betreuungsmöglichkeit zur Anderen verschoben“, sagt Nadine Haas.

 

Bis Ende des Monats seien sämtliche Urlaubstage und finanzielle Mittel ausgeschöpft. „Die Gefahr ist einfach da, dass es zu Fehlzeiten kommt, man nicht pünktlich sein kann. Und wie weit die Sensibilität der Arbeitgeber geht, weiß man nicht.“ Schließlich wolle sie arbeiten, einen guten Job machen. „Aber die Kinder sollen dabei nicht unter die Räder kommen.“ Zwar seien ab August beide Jungs zusammen in einem Kindergarten und die Situation entspanne sich etwas. Das könnte aber schnell vorbei sein. „Was soll im Herbst und im Winter passieren, wenn die Schnupfenzeit kommt?“, fragt Nadine Haas. „Wie schnell sind da die zehn Kinderkranktage auch noch weg?“

 

Die Familie Haas beschwert sich nicht über die Notwendigkeit der Corona-Regeln. Sie lobt das Kindergarten-Team, das sich viel Mühe gibt. Und auch der Kreis habe so gut es geht geantwortet, als Nadine Haas sich an die Verwaltung wandte. Die Verordnung komme eben vom Land. Was sich Nadine und Pascal Haas wünschen - und sie wissen, dass sie mit diesem Wunsch nicht allein in der Region und im Land sind -, ist eine Perspektive. „Das Virus wird uns noch weiter begleiten. Wir brauchen eine Kinderbetreuung im Sinne des Infektionsschutzes, die aber auch verlässlich sein muss. Die Angst vor den Herbst- und Wintermonaten muss Eltern genommen werden.“ Da hingen auch Existenzen dran, nicht nur ihre eigenen. Nadine Haas denkt besonders an Alleinerziehende, die die Situation sehr hart treffe. „Der Politik fehlt da die Richtung, dabei wünschen wir Eltern uns nichts mehr als Antworten, eine Perspektive und etwas Planungssicherheit.“

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