KULTUR

Ab 18:30 Uhr live im Stream: Die Lesung mit Bestseller-Autor Tom Saller

lw; 30.09.2021, 18:00 Uhr
Fotos: Lars Weber, Cover: Ullstein Buchverlage --- Tom Saller über den Dächern seiner Heimatstadt Wipperfürth.
KULTUR

Ab 18:30 Uhr live im Stream: Die Lesung mit Bestseller-Autor Tom Saller

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lw; 30.09.2021, 18:00 Uhr
Oberberg – Wipperfürther startet die Reihe zum Jubiläum der VHS Oberberg - Vorher stand er OA bereits in einem Interview Rede und Antwort.


+++Live ab 18:30 Uhr: Die Lesung mit Tom Saller+++

Dies ist die Auftaktveranstaltung der gebührenfreien Online-Lesereihe anlässlich des Jubiläums „50 Jahre VHS Oberberg“. Die Lesung wird auch nach dem Ende der Veranstaltung weiter bei YouTube auf dem Kanal der VHS Oberberg verfügbar sein.

Literaturspezialist Mike Altwicker begleitet darüber hinaus an fünf weiteren Terminen international bekannte Schriftsteller durch die gebührenfreien Veranstaltungen. Die nächste findet am 7. Oktober mit Horst Eckert statt.


Mehr Informationen dazu gibt es hier.

 

+++Das Interview mit Tom Saller+++

 

Von Lars Weber

 

Mit seinem Debüt „Wenn Martha tanzt“ landete der Wipperfürther Therapeut, Musiker und Autor Tom Saller vor drei Jahren auf Anhieb einen Beststeller. Nach seinem zweiten Buch „Ein neues Blau“ ist nun Anfang August sein neuestes Werk erschienen. In „Julius oder die Schönheit des Spiels“ greift er unter anderem die Lebensgeschichte Gottfried von Cramms auf, dem ersten deutschen Tennisstar. Am Donnerstag, 30. September, liest Saller im Rahmen der Literaturreihe zu 50 Jahren VHS Oberberg. Die Lesung wird live auf OA ab 18:30 Uhr gestreamt. Schon jetzt stand der Wipperfürther OA in einem Interview Rede und Antwort.

 

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OA: Herr Saller, „Julius“ erschien erst vor wenigen Wochen. Überwiegt bei Ihnen die Vorfreude oder die Aufregung vor einer neuen Veröffentlichung?

Saller: Halb und halb. Vorfreude ist immer da. Es ist ein bisschen so, als würde man ein Los in eine Lostrommel werfen. Habe ich Glück, wird es ein Hauptgewinn. Aber es gibt auch kleinere Gewinne, und manchmal zieht man sogar eine Niete. Von daher bin ich auch aufgeregt, ganz klar. Zumal ich von Natur aus ehrgeizig bin. Wenn ich ein Buch veröffentliche, dann würde ich lügen, wenn ich sagte: Ich schaue nicht auf die Verkaufszahlen. Da war der Erfolg von „Wenn Martha tanzt“ Fluch und Segen zugleich. Übertrieben gesprochen dachte ich: Das geht jetzt einfach so weiter. Ich habe den Erfolg zu der Zeit möglicherweise gar nicht so geschätzt, wie ich ihn hätte schätzen müssen. Denn natürlich geht es nicht einfach so weiter.

 

OA: Und wie ist „Julius“ gestartet?

Saller: Die Zahlen sehen gut aus. Was mich dabei besonders freut, ist, dass das Buch auch und gerade von den Leserinnen und Lesern goutiert wird. Deren Meinung ist mir sehr wichtig. Sie investieren schließlich viel Energie und Zeit in ein Buch, natürlich auch Geld. Viele, die bislang nach einer Lesung zu mir kamen, sagten: „Wir hätten gar nicht gedacht, dass uns das so gut gefällt, wir sind ja gar keine Tennisfans!“ Eine wichtige Rückmeldung, dass das Thema Tennis für manche Menschen offenbar ein Hemmschuh ist, dass sie erst über ihren Schatten springen müssen, um einen diesbezüglichen Roman überhaupt in die Hand zu nehmen.

 

OA: Gerade im zweiten Teil des Buches lehnen Sie den Protagonisten an die reale Person Gottfried von Cramm an. Was fasziniert Sie an ihm?

Saller: Ich spiele selbst Tennis (Anm.d.Red.: beim TC Wipperfürth Rot-Weiß), von daher kannte ich seinen Namen und seine sportlichen Erfolge schon lange. Ich könnte gar nicht sagen, warum ich mich dann irgendwann genauer mit seiner Lebensgeschichte befasst habe. Aber schnell wurde klar, dass er mich als Persönlichkeit fasziniert. Auf der einen Seite ein Superstar, auf einer Stufe mit Max Schmeling, flächendeckend in den Klatschspalten vertreten. Auf der anderen Seite passte er in diese Rolle gar nicht rein, weil er sehr bescheiden und zurückhaltend gewesen sein soll. Seine adelige Herkunft war ihm nicht wichtig. Man sagt, er habe sich entweder als Gottfried oder als Herr Cramm vorgestellt, ohne das „von“. Dieses Bild finde ich schön. Er überzeugte nicht nur durch Leistung, sondern auch mit seinem Charakter, was er nicht zuletzt in der Zeit des Nationalsozialismus unter Beweis gestellt hat. Hätte er auch nur ein bisschen für den Führer in die Kamera gewunken, wäre ihm wahrscheinlich wenig bis nichts passiert. Stattdessen verbog er sich nicht, biederte sich nicht an und kam zuletzt in Gestapo-Haft.

 

[Julius oder die Schönheit des Spiels von Tom Saller, List Hardcover, 368 Seiten, ISBN: 9783471360422]

 

OA: Einige Themen kehren in „Julius“ wieder, die auch schon bei den Vorgängern eine Rolle spielten. Das Leben in Deutschland während der 1920er- und 1930er-Jahre, die Weimarer Republik oder auch die Nationalsozialisten. Zugleich bleiben sie aber niemals nur in der Historie kleben, sondern es gibt stets Verweise ins Hier und Jetzt, auch Handlungsstränge. Machen Sie sich über diese Wechselwirkung besonders Gedanken?

Saller: Absolut. Es gibt Menschen, die behaupten, Geschichte wiederhole sich, andere behaupten das Gegenteil. Ich selbst bin da unentschieden. Aber evident ist: Es gibt ein paar ewige Themen, das Flüchtlingsthema gehört zum Beispiel dazu. Nehmen Sie allein Wipperfürth: Hier gab es zwischen 1945 und 1960 das größte Durchgangslager Nordrhein-Westfalens. Eine Million Menschen wurden dort durchgeschleust, von denen etliche tausend in der Region hängengeblieben sind, viele Menschen aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien beispielsweise. Heute ist das Thema wieder allgegenwärtig, siehe 2015 oder aktuell die Entwicklung in Afghanistan. Da würde ich mir wünschen, dass den Menschen bewusster ist, dass es sich nicht um eine neue Fragestellung handelt und dass viele von uns unmittelbare Nachkommen von Flüchtlingen und Vertriebenen sind. Grundsätzlich möchte ich in meinen Romanen nicht belehrend auftreten, aber gerne zum Nachdenken anregen. Darum ist das Flüchtlingsthema auf die eine oder andere Weise bislang in jedem meiner Romane zu finden.

 

OA: Bei „Julius“ gibt es das erste Mal einen männlichen Protagonisten in ihren Romanen: Bewusste Entscheidung oder Zufall?

Saller: Beides. Als Autor läuft man immer Gefahr, einen Stempel aufgedrückt zu bekommen. Bei mir: Tom Saller, der Autor mit den starken Frauenfiguren. Die Verlage finden das oft nicht schlecht und forcieren das, ich aber versuche mich nicht allzu sehr davon vereinnahmen zu lassen. Diesmal war es einfach: Julius´ Vorbild ist männlich, gleichzeitig aber auch kein typischer Mann.

 

OA: Ein anderes Thema, was Sie sehr beschäftigt, ist die Musik. Sie sind Jazzmusiker, spielen in einer Band Saxofon. Wie beeinflusst die Musik Ihren Schreibstil und Ihre Sprache?

Saller: Tatsächlich kann ich Sprache und Musik gar nicht voneinander trennen. Das merkt man schon an den verwendeten Begrifflichkeiten. Es gibt den Sprachrhythmus – das ist Musik. Es gibt die Sprachmelodie – das ist Musik. Worte klingen – das ist Musik. In der Musik gibt es wiederum Sätze und so weiter. Ich lese mir alles, was ich schreibe, schon während des Vorgangs laut vor und denke, dass man meiner Sprache diese Arbeitsweise anmerkt. Ich schreibe unglaublich langsam, korrigiere jeden Satz 50-mal und mehr. Das liegt daran, dass der Text für mich den passenden Rhythmus haben muss – und das höre ich beim Lesen. Deshalb mache ich auch sehr, sehr gerne öffentliche Lesungen! Nicht zuletzt höre ich mir dabei selbst zu.

 

OA: Es ist aber nicht nur die Musik, die Ihr Schreiben beeinflusst, sondern auch Ihr Beruf. Das, was Therapeuten und Autoren auf den ersten Blick verbindet, ist die Auseinandersetzung mit den Menschen.

Saller: Ganz genau!

 

OA: Was nehmen Sie aus Ihrer Praxis mit an Ihren Schreibtisch nach Hause?

Saller: Zunächst einmal: Die Geschichten aus meiner Praxis werden niemals in irgendeiner Form in meinen Romanen auftauchen, auch nicht abgewandelt. Das bin ich meinen Patienten schuldig und da achte ich sehr drauf; sie bleiben in der Praxis. Was ich aber mit nach Hause nehme, sind meine diagnostischen Fähigkeiten. Als Therapeut versuche ich mich permanent in Menschen reinzudenken und reinzufühlen, und das ist eine Erfahrung, von der ich als Autor profitiere. Ich hoffe, dass die Leserinnen und Leser in meinen Charakteren nur selten oder gar nicht einen falschen Ton hören. In der Beschreibung dessen, wie eine Figur denkt und handelt, fühle ich mich wohl wie ein Fisch im Wasser!

 

OA: Entwerfen Sie Ihre Figuren, bevor Sie in den Schreibprozess eintauchen?

Saller: Überhaupt nicht! Ich schreibe mehr oder weniger drauf los. Gleich beim ersten Buch habe ich gelernt, dass die Charaktere sich oft selber schreiben, sich selber entwerfen, und sich manchmal in eine andere Richtung entwickeln, als ich das eigentlich will. So gesehen ist schreiben einfach: Ich brauche meinen Figuren bloß nicht im Wege stehen, ich muss sie einfach machen lassen. Und ich vertraue ihnen, verlasse mich tatsächlich auf sie. Das ist einer der Punkte, die das Schreiben für mich so erstrebenswert machen. Allerdings, zugegeben: Zwischendurch und gerade zu Beginn ist es auch häufig Kampf und Arbeit.

 

OA: Arbeiten Sie schon am nächsten Projekt?

Saller: Es gibt zumindest ein Thema, eine Idee. Allerdings hatte ich noch nie so große Schwierigkeiten, die Erzählstimme zu finden. Und ich habe sie auch noch immer nicht gefunden. Das kostet mich ernsthaft schlaflose Nächte und macht mir schlechte Laune! Allerdings glaube ich nicht an die berühmte Schreibblockade. Die Freude und auch der Schreibfluss werden wiederkommen, sobald ich die Erzählstimme, den Rhythmus gefunden habe. Aber gerade eben ist es eine eher frustrane Phase.

 

OA: Sie sind 1967 in Wipperfürth geboren und sind auch hier aufgewachsen. Später nach dem Studium kehrten Sie auch bewusst in Ihre Heimat zurück. Wieviel Wipperfürth steckt in Ihren Romanen?

Saller: Martha zum Beispiel ist in einer Kleinstadt aufgewachsen, Julius auch. Da spielt Wipperfürth in meinem Hinterkopf bestimmt eine Rolle. Ich bin hier verwurzelt. Viele Menschen kennen mich, ich werde gegrüßt und grüße gerne zurück. Ich mag das. Gleichzeitig bin ich häufig um eine freundliche Distanz bemüht, mich selbst und mein Gegenüber betreffend. Das funktioniert in aller Regel gut und hat nicht zuletzt mit gegenseitigem Respekt zu tun.

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