POLITIK

Schritt für Schritt zum Kreishaus-Anbau

lw; 16.04.2024, 08:00 Uhr
Foto: OA.
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Schritt für Schritt zum Kreishaus-Anbau

lw; 16.04.2024, 08:00 Uhr
Oberberg – Kreistag mehrheitlich für die Aufteilung des Projekts in drei Bauabschnitte – Opposition scheiterte mit Änderungsantrag - Gemeinsame Erklärung für „Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat" verabschiedet.

Von Lars Weber

 

Für eine Realisierung des Großprojekts der Kreishauserweiterung in drei Bauabschnitten hat sich die Mehrheit des Kreistags bei der aktuellen Sitzung in Lindlar ausgesprochen. CDU, FDP/FWO/DU, UWG und die AfD stimmten dafür, sich zunächst aus Kostengründen auf den ersten und größten Bauabschnitt zu fokussieren und damit die Zentralisierung der Kreisverwaltung – raus aus den vielen Anmietungen, rein in einen modernen Bau – weiter voranzutreiben. Zuvor waren SPD, Grüne und Linke mit einem Änderungsantrag gescheitert, mit dem die Opposition einen weiteren Versuch unternommen hatte, den aus ihrer Sicht unnötigen Umzug des Notfallzentrums von Kotthausen in die Gummersbacher Moltkestraße zu verhindern.     

 

Baudezernent Felix Ammann hatte zur Einführung noch einmal die Ergebnisse des Fachbüros Avantago zusammengefasst. Dieses hatte eine Potenzialanalyse zur Einsparung von Flächen durchgeführt (OA berichtete). Da seit der Vorstellung des Gewinners des Architekturwettbewerbs einige Jahre vergangen waren, in denen die Entwicklung der Arbeitswelt weg von einem festen Schreibtisch hin zu flexibleren Modellen große Schritte gemacht hatte, sollte das Raumprogramm auf der einen Seite darauf angepasst werden. Auf der anderen Seite galt es, den Umzug des Notfallzentrums zu berücksichtigen. Diesen hält die Verwaltung für unumgänglich. Sie argumentiert mit kurzen Wegen im Katastrophenfall.

 

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Gestartet war man in den Architektenwettbewerb 2017 mit einem Raumbedarf von 9.200 Quadratmetern, der durch den geplanten Umzug der Leitstelle auf insgesamt 12.700 benötigte Quadratmeter angestiegen war. Nun, unter Berücksichtigung sämtlicher New Work-Faktoren – von Home-Office über flexible Arbeitszeiten und Desksharing-Modelle bis zu den Vorteilen der Digitalisierung des Aktenbetriebs – benötigt der Kreis wieder rund 9.100 Quadratmeter. „Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter werden keinen festen Arbeitsplatz mehr haben“, so Ammann.

 

Dass man bei der Umsetzung nun abschnittsweise vorgehen möchte, habe vor allem mit der wirtschaftlichen Situation zu tun. „Es wäre schwer, den Haushalt mit der gesamten Maßnahme zu belasten.“ Zu sehr sind die Baukosten in den vergangenen Jahren explodiert. Stattdessen sollen im ersten Bauabschnitt über 5.500 Quadratmeter die wichtigsten Umzugsmaßnahmen vollzogen werden. Einig sei man sich, dass das Jugendamt dazugehöre. Wer noch umziehen darf, müsse priorisiert werden. Dabei müssten auch die Liegenschaften in den Blick genommen werden, die aufgrund ihres Alters besonders viel Energiekosten verschlingen.

 

Danach wurde deutlich, dass die Kommunalwahl im kommenden Jahr näherkommt. Beide designierten Landratskandidaten aus der Opposition traten ans Rednerpult und begrüßten generell die Aufteilung in Bauabschnitte. SPD-Fraktionschef Dr. Sven Lichtmann zeigte sich dabei von der angriffslustigen Seite: Er warf der Verwaltung und den Mehrheitsparteien vor, das Thema Erweiterung vor der Wahl nur „abräumen“ zu wollen und angesichts der Rechenspiele beim Platzbedarf „Sand in die Augen der Bürger zu streuen“. Lichtmann sprach von „Taschenspielertricks“. Würde auf den Umzug der Leitstelle verzichtet und vor Ort in Kotthausen modernisiert und erweitert, könne man sich den dritten Bauabschnitt komplett sparen.

 

Bernadette Reinery-Hausmann (Grüne) verzichtete auf direkte Angriffe und sah sogar Einsicht bei der Kreisspitze, „dass diese riesige Investition nicht in die Krisenzeit passt“. Überzeugt seien die Grünen aber weiterhin, dass das Notfallzentrum in Kotthausen aufgrund der Infrastruktur, der guten Verkehrsanbindung und kürzlich erworbenen weiteren Flächen dort besser aufgehoben sei. Der Kreis und die Mehrheitsparteien sollten „Vernunft walten lassen“.

 

FDP-Fraktionschef Reinhold Müller sieht den von der Kreisverwaltung vorgeschlagenen Weg als den richtigen und nannte den Beitrag Lichtmanns eine „Landrats-Bewerbungsrede ohne Substanz“. „Momentan werden Abläufe durch die Verstreuung der Verwaltung gefährdet“, sagte Müller. Michael Stefer, Fraktionsvorsitzender der CDU, warf der SPD vor, sich nicht ausreichend mit der Potenzialanalyse auseinandergesetzt zu haben, sondern sie nur zur „Bestätigung der eigenen Position“ zu nutzen. In Sachen Umzug der Leitstelle habe er keine neuen Argumente gehört.

 

Mit dem Kreistagsbeschluss kann die Verwaltung nun die Planungen vorantreiben. Im Frühjahr nächsten Jahres wird eine verlässliche Kostenschätzung erwartet, dann soll der Kreistag für den ersten Abschnitt grünes Licht geben.

 

Aus dem Kreistag

 

Normalerweise ist es alle fünf Jahre eher eine Fußnote, wenn der Kreistag sich für eine Vorschlagsliste für ehrenamtliche Richter am Verwaltungsgericht Köln entscheidet. 40 Namen aus allen Fraktionen befinden sich darauf. Dieses Jahr aber verhinderte Dr. Ralph Krolewski (Grüne), dass die Liste einfach durchgewinkt wurde. Stattdessen sagte er, dass er der Liste nicht zustimmen könne, weil auch vier AfD-Mitglieder darauf zu finden waren. Da es am Verwaltungsgericht auch um Ausländerangelegenheiten gehen könne, seien AfD-Mitglieder dort fehl am Platz. Anschließend musste Landrat Jochen Hagt die Sitzung unterbrechen, um das weitere Vorgehen zu prüfen. Letztlich wurden die Namensvorschläge aus den Fraktionen im Block abgestimmt. Alle Personen erhielten die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit – mit Ausnahme der vier AfD-Mitglieder. Um trotzdem 40 Personen vorzuschlagen, wurden Ersatzkandidaten gefunden. Landrat Hagt kündigte an, das Vorgehen nochmal rechtlich prüfen zu lassen. Er schloss die Möglichkeit einer Sondersitzung und einer Wiederholung nicht aus, um zeitliche Fristen zu wahren. Überprüfen möchte den Vorgang auch die AfD-Fraktion, wie deren Chef Bernd Rummler ankündigte.

 

Eine gemeinsame Erklärung für „Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat" ist vom Kreistag einstimmig verabschiedet worden. Die AfD enthielt sich. Eingebracht wurde die Erklärung von CDU, SPD, Grünen, FDP/FWO/DU und der UWG. Damit reagierten sie auf die gesellschaftlichen Entwicklungen nach dem Potsdamer Treffen im Januar. „Wir wehren uns, wenn der Kern unserer Verfassung und die Basis unseres Zusammenlebens angegriffen wird: die Würde des Menschen“, heißt es darin unter anderem. Die ganze Erklärung gibt es hier. Jan Köstering (Linke) machte darauf aufmerksam, dass auch er als Vertreter von Die Linke gerne den Antrag mit gestellt hätte. „Manche wollten uns nicht dabei haben“, sagte er mit Blick Richtung CDU. Generell würde er sich freuen, „wenn sich alle gemeinsam als Demokraten positionieren“. Einen Redebeitrag der AfD-Fraktion verurteilten Reinhold Müller (FDP) und Friedhelm Julius Beucher (SPD) scharf.

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