BLAULICHT

Vorwurf Love Scamming: „Gutmütigkeit ausgenutzt“

lw; 05.09.2023, 16:48 Uhr
BLAULICHT

Vorwurf Love Scamming: „Gutmütigkeit ausgenutzt“

lw; 05.09.2023, 16:48 Uhr
Waldbröl – 29-Jähriger kommt mit einer Geldstrafe davon – Opfer bekommt ihr Geld zurück – Verurteilung wegen Geldwäsche.

Von Lars Weber

 

Wusste Bobby N. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) davon, welche Rolle er in dem Spiel einer nigerianischen Bande spielte, die durch den Modus Operandi des Love Scamming die Morsbacherin Ute O. um viel Geld betrügen wollte? Oder wurde nur die Gutmütigkeit des 29-jährigen Nigerianers aus Witten ausgenutzt, der vor allem seinen Landsleuten scheinbar kaum einen Wunsch abschlagen kann? Genau diese Frage musste das Schöffengericht um den Vorsitzenden Richter Carsten Becker heute beim Fortsetzungstermin am Amtsgericht in Waldbröl beantworten (OA berichtete). Ist er als Mitglied der Bande des gewerbsmäßigen Betrugs schuldig oder doch „nur“ der leichtfertigen Geldwäsche? Leicht machten es sich alle Prozessbeteiligten nicht. Nach dreieinhalb Stunden stand aber trotzdem das Urteil fest.

 

Beim Love Scamming nutzen die Täter die Einsamkeit und Verletzlichkeit ihrer im Internet aufgespürten Opfer aus. Unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen erschleichen sie sich das Vertrauen, bis sie die Frauen finanziell ausnehmen wollen. Im Falle der Morsbacherin meldete sich im Herbst 2020 ein vermeintlicher US-Soldat bei ihr in den sozialen Netzwerken. Schnell wurde die Beziehung enger, bis er ankündigte, zu ihr kommen zu wollen und vorher seine Wertsachen zu ihr schicken zu wollen. Die dabei anfallenden Einfuhrsteuern über 11.000 Euro sollte sie übernehmen.

 

Bei einer ersten Übergabe zahlte sie 1.500 Euro. Bobby N. war der Abholer, der laut eigener Aussage von einem Freund darum gebeten wurde, aus dem Ruhrpott nach Morsbach zu fahren, einen Umschlag zu holen und ihn an einen anderen Mann in Essen zu übergeben. Der Bande reichte der Betrag nicht. Ute O. sollte einen Kredit aufnehmen, um auch den Rest bezahlen zu können. Da durchschaute sie das Spiel, ging zur Polizei und dem Abholer wurde eine Falle gestellt, in die Bobby N. tappte. Dieses Mal dachte er laut eigenen Angaben, dass er nur eine Spielkonsole abholen sollte. Stattdessen wurde er vorläufig festgenommen.

 

Beim Prozessauftakt beteuerte der Angeklagte stets, von dem Betrug nichts gewusst zu haben. In Erklärungsnot kam er dabei, da auf einer beschlagnahmten Festplatte eine Datei mit Textbausteinen gefunden wurde, die zum Modus Operandi passte. Außerdem soll von seinem Handy bei einem vermeintlichen Betrugsversuch eine andere Frau angerufen worden sein.

 

Bevor der Prozess heute fortgesetzt wurde, leistete Bobby N. Schadenswiedergutmachung und hinterlegte beim Gericht 1.500 Euro für die Morsbacherin. Dieser Schritt wäre ungeachtet einer möglichen Verurteilung wegen Betrugs auf ihn zugekommen. Einen Großteil der Summe kam dabei als Leihgabe von einem Freund, der ihm bei den ersten Schritten in Deutschland half und in den vergangenen acht Jahren zu einer Art Vaterfigur geworden ist. Er begleitete ihn auch bei jedem Termin in Waldbröl.

 

Zwei Zeugen sollten heute noch etwas mehr Licht in den Fall bringen – was aber nicht geschah. Die Frau, die damals mit dem Handy des Angeklagten angerufen worden sein soll, hatte sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigt. Bei ihrer Eingabe bei der Polizei vor zwei Jahren allerdings hatte sie schon angegeben, sich an den Anruf nicht erinnern zu können.

 

Zugegen war dafür der Polizist, der an der Datenanalyse der Festplatten beteiligt war. Die belastende Textdatei sei in einem Zwischenspeicher gefunden worden und auch zu einem Zeitpunkt geöffnet worden, als der Angeklagte bereits im Besitz des Gebraucht-PC gewesen sei soll. Ansonsten habe es aber keine weiteren Anhaltspunkte dafür gegeben, dass mit diesem Computer Straftaten verübt worden seien. Schon vor den Plädoyers gab es von Richter Becker den rechtlichen Hinweis, dass auch eine Verurteilung aufgrund leichtfertiger Geldwäsche in Betracht komme.

 

Die folgenden Schlussstatements von Staatsanwaltschaft und Verteidigung waren beide auf ihre Weise emotional und rollten den Fall noch einmal von vorne bis hinten auf. Beide kamen letztlich zu sehr unterschiedlichen Anträgen. Die Staatsanwaltschaft sah den ursprünglichen Tatverdacht bestätigt. Sämtliche Indizien zusammengenommen ließen keinen Zweifel zu, dass Bobby N. Teil der Betrügerbande sei. Es wurden ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert. Die Tat als Ganzes sei besonders verwerflich. Nur die unerwartete Schadenswiedergutmachung habe die Staatsanwaltschaft veranlasst, die Bewährung in Betracht zu ziehen. Bezüglich der Erklärungen des Angeklagten für seine Beteiligung sagte die Staatsanwaltschaft: „So viele Zufälle sind doch sehr unwahrscheinlich“.

 

Genau das dachte der Rechtsanwalt des Angeklagten auch am Anfang des Falls. Die Ausführungen des 29-Jährigen sprächen aber seiner Meinung nach dafür, dass die Gutmütigkeit seines Mandanten von einer hochorganisierten Bande ausgenutzt worden sei. Seiner Erfahrung nach würden nicht nur den Opfern Geschichten aufgetischt, sondern auch zunächst Unbeteiligten, die dann ihre Konten zur Verfügung stellten oder als Boten involviert würden. Der Vorwurf der leichtfertigen Geldwäsche passe für seinen Mandanten besser. Er hätte ahnen müssen, dass an der ganzen Sache etwas faul ist. Das Strafmaß stellte der Verteidiger in das Ermessen des Gerichts. „Ihm sollten seine Chancen aber nicht verbaut werden“, so der Anwalt. Schließlich habe sich der 29-Jährige bislang nichts zu Schulden kommen lassen und ist gut in die Gesellschaft integriert.  

 

Die Schöffen und Richter Carsten Becker folgten nach langer Beratung der Verteidigung und sprachen Bobby N. schuldig der leichtfertigen Geldwäsche. Er muss eine Geldstrafe über 2.400 Euro bezahlen. Für Schöffen und Richter reichten die Indizien in der Summe schlicht nicht aus, um dem Angeklagten eine Involvierung als Bandenmitglied nachzuweisen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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