BLAULICHT

Betrug durch Love-Scamming: Angeklagter gibt sich völlig ahnungslos

lw; 22.08.2023, 10:38 Uhr
BLAULICHT

Betrug durch Love-Scamming: Angeklagter gibt sich völlig ahnungslos

lw; 22.08.2023, 10:38 Uhr
Waldbröl - 29-Jähriger soll Teil einer Bande sein und als Abholer fungiert haben – Morsbacherin gab erst 1.500 Euro, dann schaltete sie die Polizei ein.

Von Lars Weber

 

Die Einsamkeit und die Sehnsucht nach Nähe und Liebe ausnutzen und damit Geld machen: Das ist das Geschäftsprinzip von Banden, die Love-Scamming betreiben. Meist über das Internet wird ein Kontakt zu dem Opfer aufgebaut, Interesse an einer Beziehung vorgegaukelt, bevor dann unter Vorspiegelung falscher Tatsachen versucht wird, an etwas Zählbares zu kommen. So ähnlich soll es auch bei einem Fall in Morsbach gewesen sein. Am Waldbröler Amtsgericht musste sich deshalb gestern Bobby N. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) aus Witten vor dem Schöffengericht unter dem Vorsitzenden Richter Carsten Becker verantworten. Der 29-Jährige wird beschuldigt, als Mitglied einer Bande gewerbsmäßigen Betrug begangen zu haben. Er soll als Abholer tätig gewesen sein.

 

Bereits vor zwei Monaten war die Verhandlung das erste Mal gestartet, aufgrund der geringen Deutschkenntnisse des Angeklagten – er kommt aus Nigeria, ist seit acht Jahren in Deutschland - aber abgebrochen worden (OA berichtete). Nun stand ein Dolmetscher Bobby N. zur Seite. Zu einem Urteil kam das Schöffengericht aber noch nicht.

 

Laut der Anklage der Staatsanwaltschaft soll sich Bobby N. der Bande, die zu großen Teilen in Nigeria sitzen soll, vor dem 13. Mai 2020 angeschlossen haben. Am 28. Oktober 2020 habe die Bande mit dem Betrugsversuch bei Ute O. aus Morsbach begonnen, indem sie ihr eine Nachricht über die sozialen Netzwerke zukommen ließ. Ein vermeintlicher US-Soldat meldete sich bei ihr, der gerade in Kabul stationiert sei. Schnell gewannen die Kriminellen das Vertrauen der Frau. Am 16. November kündigten sie an, ein Paket schicken zu wollen: Einen ganzen Tresor voll mit Geld, Handys, Tablets und Schmuck. Allerdings würden Einfuhrsteuern von mehr als 11.000 Euro anfallen, die Ute O. übernehmen müsste. Sie willigte ein, könne aber nur 1.500 Euro bezahlen.

 

Über eine falsche internationale Spedition sollte am 17. November das Geld geholt werden. Dies soll Bobby N. übernommen haben. Da 1.500 Euro zu wenig seien, sollte die Morsbacherin doch ein Darlehen aufnehmen, um den Restbetrag aufzubringen. Nun kamen der Frau doch Zweifel. Sie schaltete die Polizei ein und spielte beim Betrug weiter mit. Am 1. Dezember sollte der nächste Übergabetermin stattfinden, bei dem Bobby N. von der Polizei vorläufig festgenommen wurde. 

 

Bobby N. möchte von all den Betrügereien nichts gewusst haben, weder von einer nigerianischen Bande, noch von einem US-Soldaten. Demnach habe eine Internetbekanntschaft aus seinem Heimatland ihn gebeten, etwas abzuholen und an einen anderen Mann zu übergeben. Letzterer sollte dafür sorgen, dass der Umschlag bei dem Mann in Nigeria ankommt. Dass Geld in dem Umschlag war, habe er erst bei der Übergabe durch Ute O. erfahren, die eine Quittung haben wollte. Etwas bekommen habe er für seine Dienste auch nicht. Erst beim zweiten Mal habe er Spritgeld eingefordert. Dabei habe ihn der Mann erneut überredet, etwas bei der Frau abzuholen. In diesem Fall soll es laut dem 29-Jährigen um eine Spielekonsole gegangen sein.

 

„Ich helfe einfach gerne“, sagte der Angeklagte auf die Frage, warum er den Weisungen des Mannes aus dem Internet Folge geleistet habe. Nicht erklären konnte er sich indes, wie eine bestimmte Datei auf eine bei ihm gefundene Festplatte geraten ist, die die Polizei sichergestellt hatte. Die Datei enthält laut Richter Becker Textbausteine, wie man Frauen im Internet ansprechen sollte, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen und mit ihnen zu flirten. Unerklärlich war ihm ebenso, wie eines seiner Handys im Zusammenhang mit einem anderen versuchten Betrug genutzt worden sein soll. „Ich hatte es aber mal in der Bahn vergessen.“

 

Ute O. erkannte Bobby N. als den Mann wieder, dem sie zuerst 1.500 Euro überreicht und beim zweiten Mal mit der Polizei in die Falle gelockt hatte. Als der vermeintliche US-Soldat sie angeschrieben hatte, habe die 59-Jährige gerade eine schlimme Zeit mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten hinter sich gehabt. „Mir wurden die Worte geschrieben, die mir guttaten.“ Dass jemand geschickt wurde, um für den Zoll Geld abzuholen, sei ihr auch nicht komisch vorgekommen. Sie habe ein Pflichtgefühl dem US-Soldaten gegenüber empfunden, schließlich habe dieser sein Vermögen zu ihr schicken wollen, damit sie bald zusammenleben können.

 

Als dann aber weitere 10.000 Euro gefordert wurden, wurde sie misstrauisch. „So teuer kann doch kein Paket sein!“ Von den Schilderungen des Angeklagten über die Übergaben wich sie nur in einem Detail ab: Beim zweiten Mal sei es niemals um eine Spielekonsole gegangen. „Es ging nur um Geld.“ Nachdem Bobby N. festgenommen worden war, habe sich der vermeintliche US-Soldat noch einmal gemeldet. „Das wirst du bereuen“, habe er der 59-Jährigen geschrieben.

 

Der Betrug hat Ute O. arg mitgenommen. Sie brach in Tränen aus, als sie von den Auswirkungen berichten soll. Nachdem sie in der Beziehung zuvor Gewalt erlebt hatte und nun auf die Betrüger hereingefallen war, habe sie auch darüber nachgedacht, sich etwas anzutun.

 

Nach einem Rechtsgespräch bot das Gericht dem Angeklagten bei einem Geständnis einen klar abgesteckten Strafmaßrahmen an – dies lehnte Bobby N. allerdings ab. Er legte kein Geständnis ab. Dementsprechend wird der Prozess fortgesetzt werden. Zur weiteren Klärung sollen die weitere Computerauswertung und der verantwortliche Polizist als Zeuge beitragen. Außerdem möchte Richter Becker eine weitere Zeugin laden, die über den Anruf von Booby N.‘s Handy fast Opfer eines Betrugs geworden sei. Weiter geht’s am 5. September um 10 Uhr.

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