BLAULICHT

Freispruch im Waldbröler Vergewaltigungsprozess

pn; 28.02.2023, 13:20 Uhr
Foto: Peter Notbohm --- Im Zweifel für den Angeklagten hieß es für einen 24-jährigen Mann aus Reichshof (r.) vor dem Bonner Landgericht.
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Freispruch im Waldbröler Vergewaltigungsprozess

pn; 28.02.2023, 13:20 Uhr
Waldbröl – Das Bonner Landgericht hat einen 24-jährigen Reichshofer vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen – Richter hatten zu große Zweifel.

Von Peter Notbohm

 

Am Ende stand Aussage gegen Aussage. Im Vergewaltigungsprozess vor dem Bonner Landgericht ist der 24-jährige Angeklagte freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm ursprünglich vorgeworfen, seine ehemalige Freundin, eine heute 23-jährige Waldbrölerin, am 27. November 2019 in ihrer Wohnung vergewaltigt zu haben (OA berichtete). Zuvor soll er sie im Rahmen einer Aussprache mehrfach gegen ihren Willen angefasst haben, sie anschließend mit seinen Knien fixiert haben, um dann mit mehreren Fingern in sie einzudringen, was bereits den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt.

 

„Wir haben viele Zeugen gehört und viel verlesen. All das hat nicht zu der Überzeugung geführt, dass das Tatgeschehen sich so ereignet hat, wie es angeklagt war“, sagte die Vorsitzende Stefanie Johann to Settel bei der Urteilsverkündung. Ausführlich begründete die Richterin, warum es sich aus Sicht des Gerichts um einen äußerst komplizierten Fall gehandelt habe. Man habe es mit einer Aussage gegen Aussage Situation mit nur zwei Beteiligten zu tun gehabt. „In solchen Fällen ist es die schwierigste Aufgabe, die Wahrheit herauszufinden“, so die Vorsitzende. Vom Gesetzgeber gebe es hier sehr enge Regeln der Beurteilung. Eine Verurteilung könne es nur geben, wenn es keine vernünftigen Zweifel gebe.

 

Diese hat die Kammer nach vier Verhandlungstagen aber noch gehabt und damit in dubio pro reo entschieden. Besonders wichtig sei bei Sexualdelikten das unmittelbare Verhalten in den Tagen nach der Tat. Hier habe es aus Sicht der Richter Unstimmigkeiten gegeben. In einer Sprachnachricht an eine Freundin am nächsten Tag habe die Waldbrölerin, die im Prozess als Nebenklägerin auftrat, noch „liebevoll über den Angeklagten gesprochen“. Das passe nicht zur vorgeworfenen Tat.

 

Wenig hilfreich sei zudem gewesen, dass die 23-Jährige immer wieder mit ihren Freundinnen über die vorgeworfene Tat gesprochen habe – auch unmittelbar vor der Verhandlung. Dieses Verhalten sei zwar nachvollziehbar, sagte Johann to Settel: „Aber für die Würdigung einer Aussage ist es Gift, weil am Ende niemand mehr weiß, wann er was erfahren hat.“ Unter anderem hatte eine Zeugin ein Notizbuch hervorgeholt, in dem sie sich alles feinsäuberlich notiert hatte, was man im Vorfeld besprochen hatte. „Ständige Absprachen sind nicht gut“, so die Richterin.

 

Widersprüche hatte es aus Sicht der Richter aber auch bei der Tat selbst gegeben. Wie der Angeklagte auf der Waldbrölerin gekniet haben soll, sei anatomisch unmöglich, zudem habe die Nebenklägerin Details bei der Polizei noch anders wiedergegeben als vor Gericht. Die Richterin: „Wir maßen uns nicht an, zu wissen, was die Wahrheit dieses Tages ist. Aber wir haben Zweifel, dass das, was angeklagt war, so passiert ist. Damit war für die Kammer klar, dass wir in dubio pro reo entscheiden müssen.“

 

Auch die Staatsanwaltschaft hatte auf Freispruch plädiert. „Damit will ich nicht die Glaubwürdigkeit des Opfers abwerten. Aber gemessen an den hohen Maßstäben, die manchmal unmenschlich hoch sind, konnte ich keine zweifelsfreie Gewissheit gewinnen, dass es so passiert ist, wie es angeklagt war“, sagte die Staatsanwältin. Es sei durchaus möglich, dass sich die Waldbrölerin an manches falsch erinnere, dieses könne aber nicht zu Lasten des Angeklagten gehen, wenn es sich dabei um Kerngeschehen handle.

 

Der Nebenklagevertreter sah hingegen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Mandantin und hatte eine Strafe nicht unter zwei Jahren gefordert: „Sie leidet noch heute unter dem Vorfall, muss Medikamente nehmen, ist häufig krank und hat dadurch ihren Job verloren. Ihr gesamtes Leben wird durch die Tat beeinflusst.“ Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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