BLAULICHT

Prozessauftakt: 24-jähriger Reichshofer soll Ex-Freundin vergewaltigt haben

pn; 25.01.2023, 15:00 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Seit Dienstag muss sich ein 24-jähriger Reichshofer vor dem Bonner Landgericht wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung verantworten.
BLAULICHT

Prozessauftakt: 24-jähriger Reichshofer soll Ex-Freundin vergewaltigt haben

pn; 25.01.2023, 15:00 Uhr
Oberberg - Mann schweigt zu Vorwürfen vor dem Bonner Landgericht - Mutmaßliches Opfer mehrere Stunden vernommen - Verteidiger werfen ihr Lügen vor.

Von Peter Notbohm

 

Mit perfektem Haarschnitt und akkurat geschnittenem Bart nimmt Paul K. (Anm.d.Red.: Name geändert) auf der Anklagebank Platz. Er versucht Selbstsicherheit auszustrahlen und lächelt immer wieder kurz. Seine Augen wandern allerdings immer wieder unruhig durch den Raum, während er sich etliche Male mit der Hand durch Bart und Frisur fährt. Der Blick bleibt mehrfach bei seiner Ex-Freundin hängen, die er vergewaltigt haben soll. Das zumindest wirft die Staatsanwaltschaft dem 24-jährigen Reichshofer vor und soll nun unter dem Vorsitz von Richterin Stefanie Johann to Settel durch die 1. Große Strafkammer am Bonner Landgericht aufgeklärt werden.

 

Passiert sein soll die Vergewaltigung am Mittag des 27. November 2019. Nachdem die heute 23-jährige Waldbrölerin nach zahlreichen Eskapaden die Beziehung bereits im Sommer beendet hatte, soll der junge Mann an diesem Tag einen neuerlichen Anlauf genommen haben, sich für seine vielen Fehltritte zu entschuldigen. Sie soll ihn in ihre Wohnung gelassen haben, wo es eigentlich zu einer Aussprache kommen sollte.

 

Doch viele Worte sollen nicht gewechselt worden sein. Stattdessen habe Paul K. sehr schnell Nähe gesucht und versucht, sie zu küssen. Nachdem sie sich dagegen wehrte und ihn aufforderte dies zu unterlassen, soll er übergriffig geworden sein, sie mit seinen Knien fixiert haben und schließlich mit mehreren Fingern in sie eingedrungen sein, was bereits den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt. Erst nachdem sie ihm ins Gesicht gespuckt habe, sei es der Frau gelungen, sich zu befreien und anschließend in die Wohnung ihrer Eltern zu flüchten.

 

Während Paul K. zum Prozessbeginn schwieg, nahm die Aussage der 23-Jährigen mehrere Stunden in Anspruch. Mit 15 Jahren hätten sich die beiden kennengelernt, er sei ihr erster Freund gewesen, bekundete sie. Aus heutiger Sicht würde sie die Beziehung allerdings als ständige On-Off-Geschichte bezeichnen, weil er sie immer wieder betrogen habe: „Ich war jung und hatte keine Erfahrungen. Deshalb bin ich immer wieder zu ihm zurückgekommen und habe mich von ihm bequatschen lassen. Reden konnte er immer gut.“

 

Im weiteren Verlauf bezeichnete sie ihn als narzisstischen und toxischen Menschen. Er habe sie von sich abhängig gemacht, meinte sie. Erst im Sommer 2019 habe sie genug gehabt, sich von seinem dauernden Fremdgehen angeekelt gefühlt: „Es hat lange gedauert, bis bei mir der Schalter umgekippt war.“ Zunächst habe sie sogar noch versucht, mit ihm auf freundschaftlicher Basis in Kontakt zu bleiben. Doch spätestens als sie durch einen gemeinsamen Freund erfuhr, dass er mittels eines Trojaners Zugriff auf ihre Social-Media-Accounts habe und ihr in einem Streit eine geschenkte Kette vom Hals habe reißen wollen, sei auch damit Schluss gewesen. „Da habe ich zum ersten Mal verstanden, was er für ein Mensch er war.“

 

Warum sie ihn am 27. November trotzdem in ihre Wohnung gelassen hat? An diesem Tage habe er das reparierte Auto ihrer Mutter zurückgebracht. Statt den Schlüssel wie vereinbart in den Briefkasten zu werfen, habe er geklingelt und erneut den Kontakt gesucht. Bei den Schilderungen, was sich in den folgenden etwa 15 Minuten abgespielt hat, kämpfte die Waldbrölerin, die vor Gericht selbstbewusst auftrat, immer wieder mit den Tränen.

 

Paul K. sei ihr anschließend in die Wohnung der Eltern gefolgt. Zu weiteren Übergriffen sei es dort aber nicht gekommen. Stattdessen habe er gefragt, ob er mit dem Hund Gassi gehen dürfe. „Ich hatte Angst, dass er mir etwas antut, wenn ich nein sage“, berichtete die junge Frau. Er sei allerdings nur kurz bis zur Waldgrenze gegangen, habe den Hund dann wieder zurückgebracht und sei davongefahren. In den kommenden Monaten habe er sie zudem immer wieder in Waldbröl gestalkt.

 

Angezeigt hat die 23-Jährige, die noch heute unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und Antidepressiva nimmt, die Tat erst 2021, nach vielen Gesprächen mit Freundinnen und Beratungsstellen wie nina+nico. Auch ihren Eltern habe sie sich erst sehr spät geöffnet. „Ich habe mich geschämt und hatte eine tierische Angst, dass mir niemand glaubt“, erzählte sie. Eine Angst, die sich später bewahrheiten sollte: „Ich habe unzählige anonyme Hassnachrichten erhalten, warum ich Gerüchte über so einen tollen Menschen in die Welt setze.“ Ähnliches dürfte auch der Angeklagte erlebt haben: Als der Prozess im vergangenen Herbst terminiert wurde, drohte ein Social-Media Account mit über 27.000 Followern auf Instagram die Privatadresse des Reichshofers zu veröffentlichen.

 

Kritische Nachfragen gab es am Dienstag aber auch vom Gericht und den beiden Verteidigern von Paul K. Den Richtern wollte sich zunächst nicht erschließen, warum die Waldbrölerin es zugelassen hatte, dass der Reichshofer nur drei Tage nach der mutmaßlichen Tat auf den Geburtstag ihres Vaters durfte und sie sogar für ihn ein Geschenk mitbesorgt hatte. Einen weiteren Kontakt gab es im August 2020, als sie Probleme mit ihrem Auto hatte und ausgerechnet ihn deshalb anrief. Die Anwälte störten sich indessen vor allem daran, dass die junge Frau aussagte, dass sie mit einer Ausnahme nach dem 27. November nie wieder Kontakt aufgenommen habe. Sie legten dem Gericht mehrere Screenshots von Chatverläufen aus Instagram und Snapchat vor, die das Gegenteil bewiesen und bezichtigten sie der Lüge.

 

Sie habe diese Nachrichten offensichtlich geschrieben, antwortete die 23-Jährige: „Aber ich habe mittlerweile die komplette Zeit mit ihm verdrängt und kann mich nicht mehr daran erinnern.“ Eigene Chatverläufe konnte sie nicht vorlegen. Ihr altes Handy sei defekt und auf dem neuen Gerät habe sie alles gelöscht und den Angeklagten auf allen Kanälen geblockt. Vernommen wurden gestern zudem die Cousine und die beste Freundin der Waldbrölerin – ihnen hatte sie sich schon in den Tagen nach der mutmaßlichen Tat offenbart. Für den Prozess sind insgesamt vier Tage angesetzt, das Urteil wird für den 9. Februar erwartet.

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