BLAULICHT

Eine Schlägerei zu viel: 22-Jähriger soll hinter Gitter

pn; 16.09.2023, 08:00 Uhr
Symbolfoto: Peter Notbohm ---- Zu einer Haftstrafe ohne Bewährung wurde ein 22-jähriger Reichshofer am Amtsgericht Waldbröl verurteilt.
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Eine Schlägerei zu viel: 22-Jähriger soll hinter Gitter

pn; 16.09.2023, 08:00 Uhr
Waldbröl – Am Amtsgericht Waldbröl wird ein Reichshofer zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt – Mehrfach vorbestrafter 22-Jähriger soll in einer Gummersbacher Bar zwei Männer brutal geschlagen und getreten haben.

Von Peter Notbohm

 

Johann K. (Anm.d.Red.: Name geändert) ist mit Gerichtssälen mittlerweile mehr als vertraut. Seine Strafakte füllen mehrere Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung einer völlig betrunkenen Mitschülerin auf einer privaten Schulabschlussparty im Jahr 2018. Bislang kam er allerdings mit Bewährungs- und Geldstrafen davon. Zuletzt hatte das Amtsgericht Gummersbach Ende Februar ein Verfahren wegen einer körperlichen Auseinandersetzung mit seiner Ex-Freundin gegen den 22-jährigen Reichshofer im Hinblick auf ein Verfahren am Amtsgericht Waldbröl eingestellt, da hier eine erheblich höhere Strafe zu erwarten war (OA berichtete). In Waldbröl war er bereits im April wegen einer Schlägerei auf einer Betriebsfeier in Belgien im Dezember 2021 zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.500 Euro verdonnert worden, nachdem er seinem Opfer 3.000 Euro im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleich gezahlt hatte.  

 

Das nun durchgeführte Verfahren war allerdings der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Johann K. soll ins Gefängnis. Wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen wurde er von einem Schöffengericht um den Vorsitzenden Carsten Becker zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Hintergrund waren zwei Schlägereien in bzw. vor einer Gummersbacher Shisha-Bar im November 2021. Nach Überzeugung des Gerichts hatte der Reichshofer zunächst einem Besucher der Bar ins Gesicht geschlagen und anschließend wenig später einen weiteren Mann auf dem Parkplatz mit weiteren gesondert verfolgten Tätern brutal zusammengeschlagen und -getreten. Ohne echten Grund: Die Anklage sprach davon, dass die beiden Männer sich „nicht respektvoll verhalten hätten“.

 

Die Verteidigung hatte die Taten teilweise eingeräumt und beiden Opfern 5.000 Euro im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs angeboten. Dies hatte der Hauptgeschädigte, der mehrere Monate krankgeschrieben war und noch heute unter der Tat leidet, aber abgelehnt. „Meinem Mandanten ist wichtiger, dass der Täter richtig bestraft wird, als dass er das Geld annimmt und dadurch die Strafe geringer ausfällt“, erklärte der Nebenklagevertreter die Weigerung. Vernommen wurde am zweiten Prozesstag zudem eine 21-jähriger Wiehlerin, die mit ihrer Freundin beherzt eingegriffen hatte, als die Gruppe auf ihr Opfer eintraten und einprügelten. Trotzdem habe die Schlägerei fast fünf Minuten gedauert, sagte sie aus. Blanker Hohn sei eine  Aussage des Angeklagten gewesen. Er soll zu dem am Boden Kauernden „wegen dir sind meine Schuhe nun voller Blut“ gesagt haben.

 

Wichtig aus Sicht des Gerichts war auch die Frage, wie Johann K. zu beurteilen sei. Zum Tatzeitpunkt war der junge Mann noch 20 Jahre alt – als Heranwachsender wäre Jugendstrafrecht somit möglich gewesen. Von der Jugendgerichtshilfe gab es hierzu keinen Vorschlag, da der Angeklagte mehrere Termine nicht wahrgenommen habe. Seine Bewährungshelferin sprach zumindest davon, dass der 22-Jährige sich nach seiner Entgiftung im Dezember des vergangenen Jahres deutlich gewandelt habe: „Durch seine Angst vor einer Inhaftierung und den Verzicht auf Alkohol und harte Drogen ist eine deutliche Beruhigung in seinem Leben eingetreten.“ Sorgen bereitete der Frau allerdings die immer noch fehlende Opferempathie des Reichshofers.

 

Einigkeit herrschte anschließend auch nicht zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Der Staatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einem Rädelsführer mit hoher krimineller Energie, bei dem er befürchte, dass er auf der falschen Feier, mit den falschen Freunden jederzeit wieder explodieren könne. „Zusätzlich zeugt der Spruch mit dem Blut am Schuh von einer extremen Menschenverachtung!“ Er stellte zwei Anträge: Bei einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht forderte er unter Einbeziehung der laufenden Bewährung drei Jahre und vier Monate. „Sollte das Gericht Erwachsenenstrafrecht anwenden, können wir nicht unterhalb von einem Jahr und sechs Monaten bleiben, die aufgrund der fehlenden positiven Sozialprognose keinesfalls zur Bewährung ausfallen dürfen.“

 

Ein vollkommen anderes Bild zeichnete Verteidiger Udo Klemt, der die Rolle seines Mandanten herunterspielte und von maximal einem oder zwei nachgewiesenen Schlägen sprach: „Der Rädelsführer war ein anderer und erst als der Geschädigte auf dem Parkplatz aggressiv rüber brüllte, ist er leider auf eine Gruppe Angetrunkener gestoßen. Das war der Funken, sonst wäre nichts passiert.“ Die Tat sei inzwischen zwei Jahre her, zudem sei es die Aufgabe der Justiz Menschen zu begleiten und nicht einfach nur wegzusperren - er verzichtete auf einen konkreten Antrag.

 

Das Schöffengericht verurteilte Johann K. dennoch nach Erwachsenenstrafrecht zu zwei Jahren ohne Bewährung. Es habe sich um einen Grenzfall gehandelt, sagte der Richter; die Taten seien aber kein rein jugendtypisches Delikt. „Uns fehlte eine positive Sozialprognose, auch wenn sie mittlerweile gefestigter sind. Zudem haben sie aus unserer Sicht nichts Ausreichendes gegen ihr Gewaltproblem getan“, begründete Becker die Verurteilung. Wenig Pluspunkte hatte der Reichshofer auch mit seinem letzten Wort gesammelt, in dem er sich zwar äußerst reif präsentiert hatte, aber weiterhin jegliche Opferempathie vermissen ließ.

 

Dass die Jugendstrafen nicht in das Urteil einbezogen wurden, hat formale Gründe. Johann K. gilt formal nicht als Bewährungsversager. Zwar kann die Bewährung widerrufen oder auch verlängert werden, es gebe aber keinen Automatismus, erklärte der Vorsitzende. Rechtskräftig ist das Urteil ohnehin noch nicht. Verteidiger Klemt kündigte unmittelbar an, in Berufung gehen zu wollen.

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