BLAULICHT

Ehefrau getötet: Eifersucht als Motiv?

pn; 05.10.2022, 16:20 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Seit heute muss sich ein 64-jähriger Wipperfürther (hier mit seiner Anwältin Bettina Güldner und seinem Dolmetscher) am Landgericht Köln wegen Totschlags verantworten.
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Ehefrau getötet: Eifersucht als Motiv?

pn; 05.10.2022, 16:20 Uhr
Wipperfürth/Köln - Prozessauftakt am Landgericht nach tödlicher Messerattacke in Wipperfürth – 64-jähriger Angeklagter soll seine Frau mit 79 Messerstichen getötet und seine Enkelin verletzt haben – Unterbringung in Psychiatrie steht im Raum.

Von Peter Notbohm

 

Hager, eher kleingewachsen, dazu dick verpackt in eine graue Jacke: Dem Mann, der heute auf der Anklagebank des Kölner Schwurgerichts Platz genommen hat, traut man das grausame Verbrechen, das ihm vorgeworfen wird, körperlich kaum zu. Der Vorwurf, den die Staatsanwaltschaft dem 64-jährigen Wipperfürther macht, lautet Totschlag und gefährliche Körperverletzung im Zustand der Schuldunfähigkeit. Ihm droht eine Einweisung in eine Psychiatrie.

 

Mit insgesamt 79 Messerstichen soll Agim C. (Anm.d.Red.: Name geändert) am Mittag des 4. April dieses Jahres seine damals 61-jährige Ehefrau in einer Wohnung in der Bahnstraße in Wipperfürth getötet haben. Seine inzwischen 17-jährige Enkelin hatte damals noch versucht, ihre Oma vor den Attacken zu retten, wurde dabei aber mehrfach am rechten Arm verletzt und floh schließlich aus Todesangst. Der Mann, der seit Jahrzehnten unter einem paranoid-halluzinatorischen Syndrom leidet, war von der alarmierten Polizei noch am Tatort festgenommen worden und befindet seit dem 5. April in einer LVR-Klinik in Essen.

 

Verteidigung scheitert mit Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit

 

Bevor das Verfahren unter dem Vorsitz von Richter Martin Kümpel beginnen konnte, versuchte die Verteidigerin zunächst noch, die Öffentlichkeit aufgrund der Erkrankung ihres Mandanten für das Verfahren auszuschließen. Die Kammer lehnte das aber nach halbstündiger Beratung ab. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege in diesem Fall die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten, begründete Kümpel.

 

Gegen 13:30 Uhr soll es am 4. April im Schlafzimmer des Ehepaars zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen sein. Das spätere Opfer wollte wohl gerade ihr zweijähriges Enkelkind in den Schlaf wiegen, als ihr Mann das Zimmer betrat und mit einem 29 Zentimeter langen Küchenmesser (15 Zentimeter Klinge) immer wieder auf ihren Bauch- und Brustbereich eingestochen haben soll. Bei der Obduktion wurde festgestellt, dass sämtliche Organe während der Attacke verletzt worden waren.

 

Enkelin war im Nebenzimmer und versuchte noch einzuschreiten

 

Vor Gericht sagte die 17-jährige Enkelin aus, dass sie bei den ersten Schreien sofort aus dem Wohnzimmer in das Zimmer gestürmt sei. „Im ersten Moment dachte ich, mein Cousin sei heruntergefallen“, sagte sie. Doch als sie die Tür aufgerissen habe, sah sie ein Blutbad. Ihrem Opa sei sie sofort auf den Rücken gesprungen und habe versucht, ihm das Messer zu entreißen. Ihre Oma habe die Situation noch nutzen können, um auf den Flur zu fliehen.

 

Der 64-Jährige habe sich aber nicht aufhalten lassen und sei seiner Frau hinterhergestürzt. Im Flur habe das Mädchen erneut versucht, ihn aufzuhalten, ihr Großvater habe dabei aber mehrfach mit dem Messer nach hinten geschlagen und sie dabei an Hand, Arm und Schulter erwischt. Als sie gesehen habe, dass ihre Oma stirbt, habe sie selbst Todesangst bekommen und sei in den Hausflur des Mehrfamilienhauses geflohen, wo ihr Nachbarn geholfen hätten. „Ich war mir sicher, er hätte mich auch umgebracht“, sagte sie. Noch heute plagen sie schlimme Alpträume, die in den vergangenen Wochen schlimmer geworden seien. Seit der Tat befinde sie sich in psychiatrischer Behandlung.

 

Angeklagter soll über Jahre gewalttätig gewesen sein

 

Über die Motive von Agim C. konnte sie nur spekulieren, erzählte allerdings viele Details aus einer scheinbar zerrütteten Ehe. „Zu meiner Oma hatte ich einen sehr guten Kontakt, mit ihm habe ich nicht mehr als ein ‚Hallo‘ und ‚Wie geht´s‘ gewechselt“, berichtete sie. Ihr Opa sei schon immer gewalttätig gewesen. Bereits als Siebenjährige habe sie ihre Großmutter vor ihm verteidigen müssen. An jenem Mittag habe er aber nervöser als sonst gewirkt: „Er guckte nur aus dem Fenster und hat die ganze Zeit gezittert. Normal war er nicht so.“

 

Zudem berichtete die 17-Jährige von mehreren Situationen, in denen das Familienoberhaupt seine erwachsenen Söhne getreten und mit einem Gürtel geschlagen haben soll. Der banale Grund: Sie guckten einen Film, während er die Nachrichten sehen wollte. Die Familie habe immer wieder auf die 61-Jährige eingeredet, sich endlich von ihm zu trennen. Agim C. soll vermutet haben, dass sie ein Verhältnis gehabt habe.

 

Familie war in Folge des Jugoslawien-Krieges nach Deutschland gekommen

 

Der Angeklagte selbst schwieg zu den Vorwürfen, machte über seine Verteidigerin lediglich Angaben zu seinem Lebenslauf. Nachdem die Ehe 1978 durch seine Eltern arrangiert worden war, floh die Familie 1993 in Folge des Jugoslawien-Krieges nach Deutschland, nachdem sich Agim C. damals für die albanische Seite eingesetzt hatte. Seitdem lebten sie in Wipperfürth. Dass in der Bundesrepublik festgestellt wurde, dass drei seiner vier Söhne geistige Behinderungen haben und er 2001 abgeschoben werden sollte, habe ihn sehr belastet. Im selben Jahr erhielt er aber doch eine Arbeitserlaubnis. Trotzdem war er mehrfach wegen suizidaler Gedanken in Behandlung und musste regelmäßig Medikamente einnehmen.

 

Vernommen wurden heute noch weitere Familienmitglieder. Insgesamt sind für den Prozess sechs Verhandlungstage vorgesehen. Das Urteil wird für den 27. Oktober erwartet.

 

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