Waldbröl – 66-Jähriger musste sich wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten – Zeugenaussagen mit Ungereimtheiten.
Von Lars Weber
Als sehr schwierig bezeichnete Richter Dr. Peter Glaubach die Beweisaufnahme, nachdem diese nach mehr als zwei kräftezehrenden Stunden im Verhandlungssaal am Waldbröler Amtsgericht geschlossen wurde. Auf der Anklagebank saß Maxim K. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert), dem von der Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung, Bedrohung und Sachbeschädigung vorgeworfen wurde. Nachdem die Verhandlung bereits vor vier Monaten schon einmal begonnen, aber aufgrund eines veralteten Gutachtens vorzeitig beendet wurde (OA berichtete), ist das Gericht dieses Mal zum Ende des Prozesses gelangt – wenn auch ein Urteil ausblieb.
Laut Anklage soll der 66-jährige Maxim K. am Abend des 30. November 2021 gegen 22 Uhr in seiner Kellerwohnung in Waldbröl nicht nur lautstark Musik gehört, sondern auch mit einer Bohrmaschine Krach veranstaltet haben. Daraufhin soll Vitali O., der Mann einer Nachbarin, zu ihm gekommen sein, um sich zu beschweren und ihn aufzufordern, leise zu sein. Der Angeklagte soll ihm unvermittelt mit einem Heizungsrohr ins Gesicht geschlagen haben, Vitali O. wehrte sich seinerseits mit einem Faustschlag ins Gesicht von Maxim K. Dann soll der Angeklagte mit der laufenden Bohrmaschine auf Vitali O. losgegangen sein. Dabei fügte er ihm Schürfwunden zu.
Währenddessen sollen Teile der Familie von Vitali O. ins Kellergeschoss geeilt sein. Maxim K. soll sich noch ein Messer geschnappt und die Beteiligten bedroht haben: „Ich stech dich ab!“ Wie ein Gutachter ausführte, soll der alkoholkranke Angeklagte zur Tatzeit 2,5 Promille im Blut gehabt haben, wodurch er als vermindert schuldfähig gelte. Verhandelt wurde zudem, ob Maxim K. am 9. Dezember 2021 die Autoreifen seiner Nachbarin, der Ehefrau von Vitali O., zerstochen hat.
An der Aussage des Angeklagten änderte sich im Vergleich zur Verhandlung vor vier Monaten nichts. Vitali O. habe ihn sofort geschlagen, nachdem er die Tür geöffnet habe. Er sei hingefallen, da habe er sich die ausgestöpselte Bohrmaschine genommen und damit nach dem Mann geworfen - und auch getroffen. Sie hätten sich noch weiter geschlagen, bis die Frau, eine Tochter und der Freund einer anderen Tochter aufgetaucht sind. Dass er mit einem Messer gedroht haben soll, bezeichnete Maxim K. als Lüge.
Alle Beteiligten sind sich nicht unbekannt. Sie waren nicht nur Nachbarn zu dieser Zeit, sondern der Sohn des Angeklagten war auch eine Weile mit einer Tochter von Vitali O. liiert. Nachdem sie die Beziehung beendet hatte, habe sich auch das Verhältnis unter den Nachbarn gewandelt, wie die Zeugen aussagten.
„Ständig provoziert“ habe der 66-Jährige, sagte Vitali O. Dabei hätten sie früher auch schonmal ein Bier miteinander getrunken. Seine Schilderung des Abends entsprach weitestgehend der Anklage. Die Bohrmaschine habe sich in die Kleindung eingedreht, deshalb sei die Spitze kaum bis zu seinem Bauch vorgedrungen. Nicht ganz schlüssig erschien dem Gericht die zeitliche Abfolge. Nach dem ersten Schlagabtausch soll Maxim K. die Maschine aus dem Schlafzimmer genommen haben, so Vitali O. „Warum sind sie da nicht einfach gegangen?“, fragte der Verteidiger.
Eine andere Ungereimtheit: Als der Angeklagte das Messer hervorgeholt haben soll, seien laut des vermeintlichen Opfers alle anderen beteiligten Familienmitglieder schon da gewesen – auch seine Frau. Die wiederum gab später an, zu dem Zeitpunkt schon zurück in die Wohnung gegangen zu sein - sie hatte niemals ein Messer gesehen.
Ihre Erinnerung, dass das Hemd ihres Mannes voller Blut gewesen sei, stellte sich anhand der Polizeifotos von diesem Abend ebenfalls als Trugschluss heraus. Dort war nicht viel Blut zu sehen. Die 19-jährige Tochter von Vitali O. war dann schließlich die erste, die davon berichtete, dass sie selbst in den Konflikt eingegriffen habe, indem sie ihren Vater von seinem Widersacher wegziehen wollte. Dieser widersprach dann später noch dem Freund seiner anderen Tochter, dass er und Maxim K. sich nach der ersten Auseinandersetzung nochmals am Kragen gehabt hätten.
Der Verteidiger hatte im Laufe der Befragungen immer wieder bei den Zeugen nachgefragt und die Ungereimtheiten hervorgearbeitet. Leichter war dies bei der Anschuldigung gegen Maxim K., er habe die Autoreifen am Fahrzeug seiner Nachbarin zerstochen. Wirklich gesehen hatte ihn dabei nämlich niemand, es gab nur Indizien.
Und so einigten sich Richter Dr. Glaubach, Verteidigung und Staatsanwaltschaft schließlich, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. „Gerade hinsichtlich des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung haben die Zeugenaussagen ein paar Ungereimtheiten aufgewiesen“, erklärte der Richter, „besonders bei den zeitlichen Schilderungen“. Unter dem Strich wäre nicht viel geblieben, auf dessen Grundlage eine Verurteilung hätte erfolgen können. Da beide Männer Verletzungen im Gesicht gehabt hätten, könne das Gericht auch eine Notwehrsituation nicht ausschließen, als Maxim K. zur Bohrmaschine gegriffen hatte.
