BLAULICHT

Gewalttätige Brüder: Viele Vorwürfe und eine Entschuldigung

pn; 11.04.2024, 18:10 Uhr
Symbolfoto: Peter Notbohm ---- Zwei jungen Waldbrölern droht nach zahlreichen Vergehen eine Haftstrafe.
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Gewalttätige Brüder: Viele Vorwürfe und eine Entschuldigung

pn; 11.04.2024, 18:10 Uhr
Waldbröl - Im Prozess gegen zwei junge Männer sagen mehrere Opfer aus - Zwei mutmaßliche Mittäter schweigen - Eine Zeuge erhält zumindest eine Entschuldigung.

Von Peter Notbohm

 

Im Prozess gegen zwei irakische Brüder am Amtsgericht Waldbröl (OA berichtete) ist es am zweiten Verhandlungstag zu keinem Urteil gekommen. Das Jugendschöffengericht um den Vorsitzenden Richter Carsten Becker vertagte sich auf den 25. April. Zuvor hatte die Kammer mehrere weitere Zeugenaussagen gehört. Hamza und Amir H. (Anm.d.Red.: Namen geändert) wird von der Staatsanwaltschaft unter anderem Bedrohung, Beleidigung, Diebstahl, gefährliche Körperverletzung und Raub vorgeworfen.

 

Zumindest in einem Fall gab es eine Entschuldigung bei einem der Opfer. „Ich habe erst jetzt im Knast verstanden, was meine Eltern mir immer wieder versucht haben mitzugeben. Mir war damals alles scheißegal. Ich hatte falsche Freunde und ein falsches Umfeld. Es ist mein erstes Mal im Gefängnis und ich hoffe, es bleibt auch mein letztes Mal“, sagte Amir H. (18). Er sitzt derzeit genau wie sein mitangeklagter Bruder Hamza H. (21) und seine beiden älteren Brüder in Heinsberg ein. Die beiden Angeklagten waren Anfang November von der Polizei verhaftet worden und sitzen seitdem in U-Haft (OA berichtete).

 

Wie aufrichtig diese Worte gemeint sind, muss das Jugendschöffengericht beurteilen. Laut einem Gefängnisbericht sei der 18-Jährige zwar durchaus umgänglich, habe aber auch schon drei Konflikte hinter Gittern provoziert. Auch seine Bewährungshelferin, die er seit einem Gerichtsverfahren im August 2022 hat, spricht von einem eher ambivalenten Verhalten des jungen Mannes. Zwar habe er ein Sozialkompetenztraining und auch seine Sozialstunden anstandslos absolviert, beruflich habe es aber mehrfach Rückschläge wegen seiner Unzuverlässigkeit gegeben. Und auch weitere Verfahren im vergangenen Jahr (OA berichtete und OA berichtete) sprechen für ein Sucht- und Gewaltproblem. Dass sich Amir A. aber auch für Dinge begeistern kann, hörte man sofort, als er über seine großen Leidenschaft, den Fußball, sprach.

 

Das Vorstrafenregister und den Bericht der Jugendgerichtshilfe über seinen älteren Bruder Hamza H. will die Kammer erst in zwei Wochen ins Verfahren einführen. Nach vielen Zeugenaussagen am ersten Prozesstag sagte heute zunächst eine 23-jährige Rewe-Mitarbeiterin aus. Sie berichtete, dass man den 21-Jährigen im vergangenen September dabei gefilmt habe, wie er ein Jack Daniels-Flasche gestohlen habe. Zu diesem Vorwurf schwieg der Angeklagte. Ebenso schwieg er, als Richter Becker ihm die Gelegenheit gab, sich bei einem 15-jährigen Waldbröler zu entschuldigen, den er gemeinsam mit seinem Bruder und einem damals 13-Jährigen 'abgezogen' haben soll.

 

Der Schüler sagte detailliert vor Gericht aus, dass er die gesamte Situation anfangs noch für einen schlechten Scherz gehalten habe. Den Ernst der Lage habe er erst begriffen, als man ihm einen Schlag ins Gesicht und einen Tritt gegen den Oberschenkel versetzt habe. Die damalige Beute: 40 Euro, ein Parfüm, AirPods sowie die Bankkarte des 15-Jährigen, mit der weitere 40 Euro abgehoben worden seien. „Sie haben mir gedroht, mir die Seele herauszureißen, meine Mutter zu vergewaltigen und meinen Vater zu töten“, so der Zeuge. Einige Tage später sei er erneut auf seine Peiniger getroffen. Die sollen ein Angebot gemacht haben: Herausgabe der AirPods gegen Rücknahme der Anzeige. Aus Angst vor weiteren Zwischenfällen habe er sich danach wochenlang nur mit einem Bodyguard durch Waldbröl bewegt.

 

Ähnlich drastisch war die Aussage eines 19-Jährigen Waldbrölers, dem Amir H. den Kiefer gebrochen haben soll. „Ich weiß nicht, ob es ein Schlag oder ein Tritt war. Danach gingen bei mir sofort die Lichter aus“, sagte der junge Mann. Zuvor soll man ihm die Jacke mit einem Messer zerschnitten haben und ihm Portemonnaie und iPhone gestohlen haben. Er habe anschließend drei Wochen im Krankenhaus gelegen und weitere zwei Monate nur Flüssignahrung zu sich nehmen können. Auch heute leide er noch unter dem Vorfall: „Ich gehe kaum noch alleine nach Waldbröl. Ich habe es versucht, aber ich fühle mich unwohl dabei.“ Immerhin: Die Entschuldigung des Angeklagten nahm er an.

 

Auch die Schläge auf einen 19-jährigen Waldbröler räumten die beiden Brüder ein. Ihre Gründe wichen allerdings stark von den Aussagen des Opfers ab. Während sie behaupteten, der 19-Jährige habe sie beleidigt und geschubst, worauf sie sich gewehrt hätten, berichtete der Waldbröler, dass er die beiden konsequent ignoriert habe. „Nach mehreren Fragen in einer Sprache, die ich nicht verstanden habe, kamen sie mir hinterher und Hamza H. hat mir eine volle Bierflasche über den Kopf gezogen“, so das Opfer. Die Folge: Die Flasche zersplitterte und hinterließ leichte Schnittwunden sowie ein gebrochenes Nasenbein. Zwar hätte er sich anschließend zu zwei Freunden, die auf ihn am Schwimmbad warteten, retten können. Als der 13-jährige Begleiter der beiden Brüder dann aber ein Messer gezogen habe, habe man nur noch die Beine in die Hand genommen. „Sie haben gedroht, mich abzustechen. Das habe ich sehr ernst genommen und bin nur noch gerannt.“

 

Zu keiner Aussage bereit waren indessen ein 16-jähriger Waldbröler sowie sein 13-jähriger Bruder. Die beiden sollen in mehrere der den beiden Irakern vorgeworfenen Taten involviert gewesen sein. Während der 16-Jährige aufgrund eines eigenen anhängigen Verfahrens von seinem Schweigerecht Gebrauch machte, legte der 13-Jährige, der noch nicht strafmündig ist, einen eher respektlosen Auftritt vor Gericht hin. Den Richter ignorierte er mehrfach und verwies auch auf Nachfragen der Staatsanwaltschaft nur auf Erinnerungslücken.

 

Der Prozess wird fortgesetzt

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