BLAULICHT

In Angst und Schrecken versetzt

Red; 05.04.2024, 16:40 Uhr
Foto: Archiv.
BLAULICHT

In Angst und Schrecken versetzt

Red; 05.04.2024, 16:40 Uhr
Waldbröl – Vor dem Amtsgericht Waldbröl müssen sich seit gestern zwei junge Männer verantworten, die seit November in U-Haft sitzen – Den polizeibekannten Brüdern werden zahlreiche Vergehen vorgeworfen.

Bei einem aktuellen Prozess am Waldbröler Amtsgericht nicht den Überblick zu verlieren, ist leichter gesagt als getan. Angeklagt sind zwei junge Waldbröler, die im vergangenen Herbst per Haftbefehl des Amtsgerichts Bonn gesucht worden sind und seit Anfang November in Untersuchungshaft sitzen (OA berichtete). Vorgeworfen werden den irakischen Brüdern unter anderem Bedrohung, Beleidigung, gefährliche Körperverletzung und Raub.

 

Gestern Morgen wurden Hamza und Amir H. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) von der JVA Heinsberg zurück ins Oberbergische gebracht. Verkehrsbedingt startete die Hauptverhandlung des Jugendschöffengerichts unter dem Vorsitz von Richter Carsten Becker mit einer rund einstündigen Verspätung. Konfrontiert wurden die Brüder von der Staatsanwaltschaft dann mit einer prall gefüllten Anklageschrift – allein die Verlesung dauerte etwa eine Viertelstunde.

 

Insgesamt brachte die Staatsanwaltschaft aus dem vergangenen Jahr elf Fälle zur Sprache, in die die Brüder oder jeweils einer der beiden involviert gewesen sein sollen. Am längsten zurück lag ein Ereignis vom 27. Mai. Am Abend sollen die Angeklagten auf der Brölbahnstraße auf einen 48-jährigen Fußgänger getroffen sein. Amir H., der jüngere der beiden, soll den Mann auf einem E-Scooter umkreist und sich genähert haben. „Die wollten mich ärgern“, sagte der Waldbröler gestern im Zeugenstand aus. „Ich habe gesagt: Was soll das? Lasst mich in Ruhe gehen!“

 

Der 48-Jährige sei zur nahegelegenen Tankstelle gelaufen, wo noch Licht brannte. Trotzdem sei die Situation eskaliert. Der mittlerweile 18-jährige Amir H. soll den Mann durch einen sogenannten Roundhouse-Kick, einer kreisförmig ausgeführten Technik aus dem Kampfsport, mit dem Fuß im Gesicht getroffen haben. Außerdem sollen dem Mann aus einer Umhängetasche eine Powerbank sowie eine Dose Red Bull gestohlen worden sein. Wenig später seien die Brüder von Polizeibeamten in der Nähe des Schwimmbades angetroffen worden. Ein Beamter sagte aus, dass die Angeklagten polizeibekannt seien.

 

Am 10. Oktober sollen die beiden Brüder zusammen mit dem damals zwölfjährigen Levi F. in ebenjene Tankstelle an der Bröhlbahnstraße gegangen sein und mehrere Flaschen Whiskey-Cola gestohlen haben. Laut Kassiererin, die gestern aussagte, habe sich das Trio verdächtig verhalten. Unter den Jacken habe sie dann die Getränkedosen entdeckt. Die beiden Brüder gaben zu, zuvor Alkohol und (vielleicht) auch Drogen konsumiert zu haben.

 

Die Kassiererin soll die drei konfrontiert haben. Der 21-jährige Hamza H. sagte aus, einfach weggelaufen zu sein. Sein jüngerer Bruder räumte ein, seine Hand gehoben zu haben – allerdings nicht, um die Frau zu schlagen, sondern um sie fernzuhalten. Dem Jüngsten der drei soll die Kassiererin noch ein Bein gestellt haben; darauf seien übelste Beleidigungen gegen ihre Eltern gefolgt. Zwar arbeite die Frau auch heute noch in der Tankstelle, doch seit diesem Vorfall mit einer gewissen Angst und Unsicherheit.

 

Ebenfalls am 10. Oktober soll es einen Vorfall am Waldbröler Jugendzentrum (JUBS) im Hahner Weg gegeben haben, wo sich Ben D. mit einer rund zehnköpfigen Gruppe aufgehalten hatte. Der 21-Jährige habe zu dem Treffen einen Kasten Bier mitgebracht, andere hätten Sixpacks besorgt. Hamza H. sei zusammen mit seinem Bruder Amir und dem damals zwölfjährigen Levi zu der Gruppe gestoßen. Wie Ben D. und der Angeklagte Hamza H. übereinstimmend schilderten, habe sich der 21-Jährige eine Flasche Bier aus dem Kasten nehmen wollen. Zwar habe er gefragt, ob er sich eine Flasche nehmen dürfe, abgewartet hätte er die Antwort aber nicht.

 

Ben D. sagte aus, die Frage mit „Nein“ beantwortet und seinen Fuß demonstrativ auf den Kasten gestellt zu haben. Hamza H. behauptete allerdings, dass der 21-Jährige ihn mit dem Fuß an der Hand getroffen habe. „Dann habe ich dem eine Schelle gegeben“, meinte der Angeklagte. Ben D. habe versucht, sich in sein Auto zu flüchten, doch Hamza H. habe mit dem Bein die Fahrertür aufgehalten. Der Angeklagte soll Ben D. angeschrien und ihn auch geschlagen haben, als er im Auto saß. „Er hat erst aufgehört, als die Streife kam“, sagte der junge Waldbröler, dessen Lippe durch die Schläge aufgeplatzt sei.

 

Neun Tage später, nämlich am 19. Oktober, habe Amir H. bereits auf der Anklagebank im Amtsgericht Waldbröl Platz nehmen müssen. Laut Richter Becker sei der Iraker in der damaligen Hauptverhandlung nicht freigesprochen worden. Weitere fünf Tage später habe es allerdings schon einen weiteren Vorfall gegeben, in dem der 18-Jährige verwickelt gewesen sein soll. Auch am Abend des 24. Oktober sei er mit seinem Bruder Hamza und Levi F. unterwegs gewesen – und dabei zufällig auf Max K. gestoßen.

 

Max K. sei mit Freunden in Waldbröl gewesen, als Amir H. ihn gesehen hätte, zu ihm gegangen sei und ihn am Arm gepackt hätte mit den Worten „Wir müssen reden“. Die jungen Männer kannten sich, hätten Tage vor dieser Begegnung noch miteinander telefoniert. In dem Gespräch habe Amir H. gefragt, ob ihn sein Bekannter mit dessen Auto fahren könnte; Max K. habe das abgelehnt. Daraufhin soll der Angeklagte gesagt haben: „Wenn wir uns das nächste Mal sehen, dann wird es unschön für dich.“

 

Auch an diesem Abend sollen die Brüder zuvor Alkohol getrunken haben. Amir H. sei zusammen mit dem 18-jährigen Max K. in eine „dunkle Ecke“ gegangen, wo er sich einen verstärkten Handschuh angezogen haben soll. Dann soll der Angeklagte den jungen Waldbröler mit einem gezielten Faustschlag niedergeschlagen haben. „Ich hatte drei Sekunden Zeit zum Aufstehen“, schilderte Max K. Er sei aufgestanden, dann erneut niedergeschlagen worden. Auf seiner Flucht sei er gestolpert, gefallen und vom älteren der beiden angeklagten Brüder getreten worden. Hamza H. sagte aus, dass er von Max K. angerempelt worden sei: „Dann habe ich ihm zwei Schläge und einen Kick in die Rippen gegeben.“

 

Gesprochen wurde außerdem über einen Vorfall vom 4. Oktober, an dem unter anderem ein 16-jähriger Waldbröler zu Schaden gekommen sein soll. Der Jugendliche sprach von der Begegnung mit einer Gruppe, zu der unter anderem Hamza H. und Levi F. gehörten – treibende Kraft soll dem Angeklagten zufolge dabei der Zwölfjährige gewesen sein. Der Junge soll dem 16-Jährigen dessen Umhängetasche abgenommen haben, in der sich ein Armband, eine Armbanduhr, ein Ring, eine EC-Karte und ein paar Euro befunden hätten.

 

Beim gestrigen Prozessauftakt wurde nur ein Teil der von der Staatsanwaltschaft vorgetragenen Fälle thematisiert. Weiter gehen soll die Verhandlung am kommenden Donnerstag. Die Bewährungshelferin der beiden Brüder war gestern noch nicht vor Ort. Auch weitere Zeugen sollen aussagen. Bezüglich des Alkoholkonsums der Angeklagten sei bislang noch kein Gutachter einbezogen worden.

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