BLAULICHT

Vom Kaninchenstall ins Gefängnis: 55-Jähriger muss in Haft

pn; 02.01.2023, 17:00 Uhr
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Archivfoto: Peter Notbohm.
BLAULICHT

Vom Kaninchenstall ins Gefängnis: 55-Jähriger muss in Haft

pn; 02.01.2023, 17:00 Uhr
Morsbach – 55-jähriger Morsbacher am Amtsgericht Waldbröl zu Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt - Mehrfach vorbestrafter Alkoholsüchtiger schlug seine Ehefrau, nachdem sie ihm keine 200 Euro für Spielcasino-Besuch geben wollte.

Von Peter Notbohm

 

Kein Geständnis, keine Wohnung, nicht arbeitsfähig, stark alkoholabhängig und dazu ein negativer Lebenswandel. Richter Carsten Becker fehlten am Ende des Verfahrens gegen Eugen M. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) die Argumente, um dem mehrfach vorbestraften 55-Jährigen noch eine allerletzte Chance in Form einer Bewährungsstrafe zu geben. Der Morsbacher wurde nun am Waldbröler Amtsgericht unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Waldbröl vom 19. Juli des vergangenen Jahres sowie eines Urteils des Amtsgerichts Wermelskirchen vom 23. August wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

 

Am Nachmittag des 6. November 2021 hatte der Hartz-IV-Empfänger einen Streit mit seiner Noch-Ehefrau begonnen. Es ging dabei um 200 Euro: Die 58-Jährige, damals ebenfalls auf das Geld vom Staat angewiesen, ging davon aus, dass Eugen M. diese für Alkohol und Spielcasinos ausgeben wollte. „Er war sehr aggressiv und meinte, er würde mir garantiert 1.000 oder 2.000 Euro zurückbringen. Gleichzeitig hat er mir gedroht, mich vom Balkon zu werfen oder mich abzustechen“, sagte Marta M. gegen ihren Ex-Mann aus, der mittlerweile ein sechsmonatiges Kontaktverbot hat und angab, deshalb im Kaninchenstall eines Bekannten zu leben.

 

Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, habe er sie zudem geohrfeigt. Aus Angst habe sie behauptet, das Geld aus der Küche zu holen, nutzte die Gelegenheit aber zur Flucht aus der Wohnung. Er habe sie verfolgt und sie im Hauseingang ins Gesäß getreten, woraufhin sie auf den Asphalt gestürzt sei. Anschließend habe er sich eine Zigarette angezündet, was sie zu einem erneuten Fluchtversuch genutzt habe. Bevor Eugen M. die 58-Jährige hinter den Mülltonnen herauszerren konnte, kamen Nachbarn und wenig später die alarmierte Polizei zu Hilfe.

 

Die Version von Eugen M., der seine Ex-Frau während ihrer Aussage kaum ansehen konnte, klang dagegen vollkommen anders. Er habe mit seiner Frau normal gesprochen, sie nur ein bisschen geschubst, „denn ich schlage keine Frauen!“ Auch um Geld sei es nie gegangen. Sie habe ihm vorgeworfen, zu viel Alkohol zu trinken. Die Polizei stellte am Tatabend um 19:49 Uhr einen Atemalkohol von 1,5 Promille fest.

 

Schon im Juli 2020 war der stark Alkoholsüchtige zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden (OA berichtete). Die damals angeordnete Alkoholtherapie wurde nach einem Monat aus disziplinarischen Gründen abgebrochen. Eine später erneut angeordnete stationäre Therapie wurde von der Rentenversicherung wegen zahlreicher Fehlschläge als „nicht erfüllbar“ abgewiesen.

 

Chancen hatte Eugen M. ohnehin schon mehrfach bekommen. Auch von seiner Frau, die sogar die eingereichte Scheidung zwischenzeitlich zurückgenommen hatte, nachdem ihr Mann in der Klinik gewesen war. Doch selbst sie scheint die Hoffnung aufgegeben zu haben. „Ich bin der Meinung, er ist ein erwachsener Mensch und muss sich für seine Taten verantworten. Wenn nicht jetzt, dann wird er das immer weitermachen“, antworte sie auf die Frage von Richter Becker, ob sie wolle, dass ihr (Noch)Ehemann bestraft wird.

 

Während die Staatsanwaltschaft in Eugen M. einen alkoholabhängigen und wohnungslosen Bewährungsversager sah und eine 18-monatige Haftstrafe forderte, plädierte sein Verteidiger für eine allerletzte Chance in Form einer einjährigen Bewährungsstrafe, „denn er will noch einmal eine Therapie versuchen“. Chancen hatte der Morsbacher aus Sicht von Carsten Becker aber genug erhalten. „Das war kein Augenblicksversagen mehr, sondern zieht sich durch ihre gesamte Beziehung“, ließ er den 55-Jährigen wissen. Bewährung hätte es nur bei einer positiven Prognose oder besonderen Gründen geben können. „Die gab es aber nicht, wir haben ja nicht einmal ein Geständnis“, so Becker.

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