BLAULICHT

„An Schäbigkeit und Niedertracht nur schwer zu ertragen“

pn; 04.03.2024, 13:00 Uhr
Foto: Peter Notbohm --- Die Angeklagten Dimitrios E. (2.v.r.) und Jakub A. (l.) kurz vor dem Urteil mit ihren Verteidigern Gerhard Schaller (r.) und Gottfried Reims.
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„An Schäbigkeit und Niedertracht nur schwer zu ertragen“

pn; 04.03.2024, 13:00 Uhr
Bergneustadt/Köln – Am Landgericht Köln wurden heute zwei 43-Jährige zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt – Männer hatten im vergangenen Juni mit zwei weiteren Tätern eine Seniorin brutal in ihrer Bergneustädter Wohnung überfallen.

Von Peter Notbohm

 

Die beiden Männer (43), die im vergangenen Juni mit zwei weiterhin unbekannten Flüchtigen eine 86-jährige Frau in Bergneustadt brutal überfallen haben, müssen ins Gefängnis. Jakub A. und Dimitrios E. (Anm.d.Red.: Namen geändert) wurden am Montagvormittag von einem Schöffengericht der 10. Großen Strafkammer am Landgericht Köln zu Freiheitsstrafen von zweieinhalb und fünfeinhalb Jahren verurteilt. Jakub A. wegen Beihilfe zu einem Raub; Dimitrios E. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung.

 

„Wir haben hier eine Tat verhandelt, die aufgrund ihrer Schäbigkeit und Niedertracht nur schwer zu ertragen ist. Der Einsatz an roher Gewalt gegen eine hilflose Seniorin schockiert und macht sprachlos“, eröffnete der Vorsitzende der 10. Großen Strafkammer Dr. Alexander Linke sein Urteil. Der Rechtsstaat habe auf dieses rücksichtslose Verhalten eine Antwort finden müssen, ergänzte der Richter.  

 

Besondere Aufmerksamkeit hatte der Fall erhalten, weil Familienangehörige die Aufzeichnungen der Überwachungskamera am Hauseingang online gestellt hatten. Der Clip ging damals über die sozialen Medien viral, die Veröffentlichung sorgte auf Seiten der Ermittlungsbehörden aber auch für Kritik. Für das Urteil waren die Aufnahmen indessen unerlässlich. Mehrfach stützte sich die Kammer im Rahmen ihrer Urteilsbegründung auf die Bilder, die eine „ziemlich gute Qualität“ gehabt hätten.

 

Was die Kamera am 16. Juni in Bergneustadt um 8:11 Uhr aufgezeichnet hatte, nannte der Vorsitzende ein „koordiniertes und professionelles Vorgehen“. Vermummt mit Basecaps, schwarzer Kleidung, Sonnenbrillen, Coronamasken und Arbeitshandschuhen waren die vier Männer – die beiden Angeklagten stammen aus Bergisch Gladbach und Leverkusen - ins Oberbergische gefahren und hatte an der von der Straße nicht einsehbaren Haustür geklingelt und „Polizei“ gerufen.

 

Jakub A. sei in das eigentliche Geschehen nicht involviert gewesen und habe nur eine untergeordnete Rolle gespielt; er stand mit einem Walkie-Talkie an der Straße Schmiere.  Dimitrios E. wurde von der Kammer dagegen als Haupttäter identifiziert. Er war es, der die Tür mit voller Wucht und ohne Vorwarnung aufschlug, als sie einen Spalt weit aufging. „Man hört richtig den Kraftaufwand auf dem Video, das Poltern und die lauten Schreie der Geschädigten“, führte Linke weiter aus.

 

Anschließend seien die beiden noch flüchtigen Täter ins Haus gestürmt, hätte die Seniorin geknebelt, mit Kabelbindern gefesselt und das Haus durchsucht. Ihre Beute: 3.000 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von etwa 2.000 Euro. Was mit dem Geld und dem Schmuck passiert ist, bleibt unklar. Beide Angeklagten hatten im Laufe des Prozesses angegeben, weder einen Anteil noch die versprochenen 500 Euro von den beiden Mittätern bekommen zu haben.

 

Die Frau erlitt bei der brutalen Attacke Rissverletzungen an Schienbein und Händen, Hämatome an Armen und Beinen, Prellungen am Kinn sowie ein Schädel-Hirn-Trauma. Die Kammer sprach von einer abstrakt lebensgefährlichen Behandlung, da die zierliche und gebrechliche Frau unkontrolliert gestürzt sei. Auch psychisch ging der Raubüberfall nicht an ihr vorbei. An einem der vorherigen Prozesstage hatte sie ausgesagt, dass sie anfangs nicht wieder nach Hause gewollt und noch heute Angst bei jedem Klingeln habe. Noch während der Urteilsverlesung verließ angesichts der geschilderten Brutalität eine Angehörige unter Tränen den Saal.

 

Die beiden Angeklagten sind mehrfach vorbestraft, teilweise auch einschlägig, saßen aber noch nie hinter Gittern. Sie hatten zu Prozessbeginn (OA berichtete) Geständnisse über ihre Verteidiger abgelegt und sich jeweils nur als Mitläufer bezeichnet. Die Kammer zweifelte dies stark an: „Der geschilderte Ablauf der Taten war dem Märchenhaften zuzuordnen.“ Dass Jakub A. nicht wirklich gewusst habe, auf was er sich da einlasse, bezeichneten die Richter als lebensfremd und ging von einem vorabgefassten Tatplan aus. Hierfür würden auch die Handyauswertungen sprechen.

 

Die Strafen entsprachen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die beiden Verteidiger Gerhard Schaller und Gottfried Reims hatten auf eine milde Strafe bzw. eine Bewährungsstrafe plädiert. Während Dimitrios E. in Haft bleibt und ihm zudem die Widerrufung einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe wegen Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung droht, kommt Jakub E. bis zu seinem Haftantritt gegen mehrere Auflagen vorerst wieder auf freien Fuß. Er muss eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 Euro hinterlegen, seine Ausweispapiere bei der Staatsanwaltschaft Köln abgeben und sich dreimal wöchentlich bei der Polizei an seinem Wohnsitz in Bergisch Gladbach melden.

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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