SPORTMIX

„Mentale Krisen müssen genauso behandelt werden wie ein Meniskusriss“

pn; 08.12.2023, 15:00 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Valentin Markser (li.) war auf Einladung von Uli Pohl ins Oberbergische gekommen.
SPORTMIX

„Mentale Krisen müssen genauso behandelt werden wie ein Meniskusriss“

pn; 08.12.2023, 15:00 Uhr
Gummersbach – Auf Einladung des HC Gelpe/Strombach referierte Sportpsychiater Valentin Markser im Lindenforum zum Thema „Mentale Gesundheit im Leistungssport“.

Von Peter Notbohm

 

Das Stigma wird inzwischen zwar kleiner, noch sind psychische Erkrankungen im Leistungssport aber immer noch weitgehend ein Tabuthema. Dabei ist es für Sportler nicht nur wichtig, körperlich fit zu sein, auch die mentale Gesundheit spielt eine entscheidende Rolle für die Leistungsfähigkeit. Etwa fünf Millionen Deutsche leiden an einer Depression, im Sport spricht aber kaum jemand darüber. Um zu diesem wichtigen Thema aufzuklären, hat der HC Gelpe/Strombach im Gummersbacher Lindenforum zu einem Vortrag von Dr. Valentin Markser eingeladen.

 

Der ehemalige VfL-Spieler, der die erfolgreichen 70er Jahre des Vereins mitgeprägt hat, arbeitet als Facharzt in Köln, wo er eine eigene Praxis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Psychoanalyse hat. Der breiten Öffentlichkeit wurde er 2009 als Sportpsychiater nach dem Suizid von Fußball-Nationaltorhüter Robert Enke bekannt. 2010 war er Mitbegründer und stellvertretender Leiter des Referats für Sozialpsychiatrie und -psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).

 

WERBUNG

Markser diskutierte mit den etwa 30 Interessierten über Vorurteile, bekannte Sportlegenden, die an seelischen Störungen leiden und darüber, warum viele Vereine sich dem Thema immer noch verschließen. „Mentale Stärke ist nicht mentale Gesundheit“, sagt Markser. Für den Zuschauer seien viele Sportler nur ein Chamäleon. Im Sport lerne man zwar Zielstrebigkeit und auch erfolgreich zu sein, dafür müsse ein Profisportler aber auch auf viele soziale Erfahrungen verzichten.

 

Als Beispiele nannte er Box-Legende Muhammed Ali, Schwimmstar Michael Phelps und die Queen des alpinen Skisports Lindsey Vonn, die als eine der wenigen aktiven Sportlerinnen während ihrer Karriere eingestand, Antidepressiva zu benötigen. Jeder Leistungssportler habe während seiner Karriere mindestens einmal mit einem Übertrainingssyndrom zu kämpfen, während dem er zu viel trainiert, die Leistung aber stetig abfalle. Weitere Arten der Störung sind Depressionen, Essstörungen und Abhängigkeitserkrankungen.

 

Eine Schlüsselrolle – und das macht das Thema auch für einen Amateurverein wie den HC Gelpe/Strombach interessant - kommt aus Marksers Sicht den Eltern zu, die Kinder häufig schon zu früh unter Druck setzen würden. Kinder würden zwar früh ihre eigenen Grenzen ausloten wollen, das aber eher in spielerischer Form und nicht im Konkurrenz-Denken. „Das ist ein Gefühl, das Kinder selbst erlernen müssen und nicht von außen beeinflusst werden sollten“, so der Sportpsychiater. Trotzdem wollen Kinder ihren Eltern auch gefallen, ergänzt er.

 

In der Pflicht sieht er aber auch Trainer, Vorstände und Geschäftsführer. Im Fußball-Profisport würden bislang nur drei Vereine regelmäßig auf Sportpsychologen setzen. Aus seiner Sicht verschwendetes Kapital. Auch Amateurvereinen rät er zur Zusammenarbeit mit Psychologen und Sportpsychiatern. „Es muss selbstverständlich sein, dass mentale Krisen genauso behandelt werden wie ein Meniskusriss“, so Markser.

 

Ein Sportler der beide Seiten erlebt hat und unter den Zuhörern war, ist Malte Meinhardt. Der ehemalige Linksaußen des VfL Gummersbach und heutige HC-Spieler kennt die Situation des „Gewinnen-Müssens“ aus eigener Erfahrung: „Bei uns ging es darum, dass wir immer performen mussten. Als großer VfL, der gerade in die 2. Liga abgestiegen war, war es für jeden Gegner das Größte, uns zu schlagen, während wir viel zu verlieren hatten.“ Unterstützung durch Sportpsychologen hält er für sinnvoll – auch im Jugendbereich. Aus seiner Akademie-Zeit nennt er Beispiele: „Das macht schon Sinn, wenn beispielsweise Spieler aus dem Ausland kamen, waren sie in einem fremden Land, ohne Deutschkenntnisse und weit von weg ihrem familiären Umfeld. Da kann so etwas helfen.“

 

Markser war auf Einladung von Uli Pohl, dem 1. Vorsitzenden des TV Strombach, mit dem er damals zusammengespielt hat, in die Kreisstadt gekommen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Bernd Vorländer. Er war mit der Resonanz zufrieden: „Das Thema mentale Gesundheit war immer mal wieder Thema bei uns im Verein, gerade was den Druck durch Eltern angeht. Wir wollten Informationen aus erster Hand vermitteln.“

WERBUNG