SOZIALES

Wichtige Geschenke: Zuhören und sich Zeit nehmen

lw; 24.12.2021, 13:04 Uhr
Foto: Ingrid Meißner.
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Wichtige Geschenke: Zuhören und sich Zeit nehmen

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lw; 24.12.2021, 13:04 Uhr
Gummersbach – Digitaler Besuch von Bürgermeister Frank Helmenstein bei der Telefonseelsorge Oberberg – Einsamkeit bleibt das zentrale Thema – Suche nach weiteren Ehrenamtlern.

Von Lars Weber

 

Für Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein ist es eine wichtige Tradition, an Heiligabend jenen Respekt zu erweisen, die das ganze Jahr über und auch besonders in der Weihnachtszeit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Vor Corona war Helmenstein seit vielen Jahren an Heiligabend bei Feuerwehr, Polizei und der Telefonseelsorge zu Gast, meist mit dem Landrat zusammen. Doch die Pandemie hat diese Tradition im vergangenen Jahr ruhen lassen. Dieses Jahr hat das Stadtoberhaupt aber bei der Telefonseelsorge vorbeigeschaut – zumindest auf digitalem Wege. Dabei ist nicht nur deutlich geworden, wie wichtig der Einsatz der Ehrenamtlichen dort weiterhin für Hilfesuchende ist, sondern wie sehr auch die Pandemie bei der Telefonseelsorge ihre Spuren hinterlassen hat.

 

Im kommenden Jahr feiert die evangelische Telefonseelsorge den 30. Geburtstag. In den drei Jahrzehnten hat sich gesellschaftlich viel getan, erzählt der Mitarbeiter Peter Keller (Anm.d.Red.: Name geändert, die Mitarbeiter bleiben anonym). Keller ist Dienstältester in dem Team, das seit Mai von Arno Molter geleitet wird, nachdem Pastorin Christa Dresbach-Schnieder in den Ruhestand gegangen ist.  Seit 1993 ist Keller dabei, er hat Tausende Gespräche geführt. „Meist sind Kummer, Leid und Not die Gründe für einen Anruf.“ Und doch möchte er diese Aufgabe nicht missen. „Häufig fließen am Anfang des Gesprächs Tränen, und am Ende merkt man beim Gesprächspartner sogar ein Lächeln“, erzählt er.

 

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Bei allen Themen, die es in den Jahren gegeben habe - eines ist damals wie heute zentral: die Einsamkeit. 21 Prozent der Anrufer nehmen deshalb den Hörer in die Hand, sagt Molter. 20 Prozent rufen wegen einer depressiven Stimmung an. Corona, lange Zeit eher ein Thema im Hintergrund, ist seit November in zehn Prozent der Gespräche Hauptthema. Alle drei hängen aber auch zusammen. „Wie viele Menschen werden gerade aufgrund der Kontaktbeschränkungen von unseren Augen nicht sichtbar in die Einsamkeit getrieben?“, fragt Michael Braun, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises An der Agger. Auch deshalb sei die Weihnachtszeit eine besondere Zeit für die Telefonseelsorge. Synodalassessor und Diakoniepfarrer Thomas Ruffler ergänzt: „Wege aus der Krise führen vor allem über die Kommunikation.“

 

Das heißt: sich Zeit nehmen, dem Gegenüber Zeit geben, sich fremden Menschen öffnen. Das sind die großen Leistungen der Ehrenamtlichen, die auch Frank Helmenstein stets „größten Respekt“ abverlangen. „Jeder ist bei ihnen willkommen.“ Doch für Hilfesuchende ist es schwieriger geworden, mit einem Anruf durchzukommen. Manchmal benötige es zehn Anrufe, bis man es schafft, sagt Molter, so groß ist die Nachfrage nach einem Gespräch von Mensch zu Mensch. Und das, obwohl die Telefonseelsorge Oberberg im Verbund arbeitet mit jenen in Köln, Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis.

 

[Screenshot: Siegfried Frank/Stadt Gummersbach --- Die Teilnehmer der Gesprächsrunde an Heiligabend.]

 

Die Pandemie hat aber die Ausbildung neuer Mitarbeiter über fast zwei Jahre komplett lahmgelegt. 25 Ehrenamtliche teilen sich bei der Telefonseelsorge Oberberg momentan so viele Schichten, wie es eben geht. Etwa 50 wären für einen runden Dienstplan nötig. Immerhin: Gerade läuft wieder ein neuer Kurs mit elf Auszubildenden, wie Molter erzählt. Dieser ist anspruchsvoll, jeder muss mindestens 100 Stunden durchlaufen haben und auch bei einem Mitarbeiter hospitiert haben, bevor man allein eine Schicht übernehmen kann. Im kommenden Jahr soll der nächste Kurs starten. Molter hofft, dass möglichst viele der Interessierten dabeibleiben und das Team verstärken.

 

Um der Telefonseelsorge Oberberg bei der Ausbildung finanziell unter die Arme zu greifen, hatte Bürgermeister Helmenstein noch eine Überraschung parat: Eine Spende der Sparkasse Gummersbach über 1.000 Euro, die er als Vorsitzender des Verwaltungsrats gerne zusagte. Angesichts des runden Geburtstags im kommenden Jahr wird es sicherlich nicht nur bei dieser Unterstützung bleiben - wie notwendig und wichtig der Dienst der Ehrenamtlichen für ihre Mitmenschen ist, hat der traditionelle Termin an Heiligabend wieder gezeigt.

 

Rund um die Uhr

 

Das Markenzeichen der Telefonseelsorge ist ihr niederschwelliges, unbürokratisches Angebot: Jede und jeder kann ohne Anmeldung, Krankenschein, Termin, jederzeit ohne Ansehen der Person anrufen, und zwar anonym, ohne Namensnennung. Die Arbeit geschieht vertraulich. Die Telefonseelsorger stehen unter Tel.: 0800/11 10 111 und Tel.: 0800/11 10 222 zur Verfügung und unterliegen der Schweigepflicht. Die Deutsche Telekom übernimmt seit 1997 die Gesprächskosten für alle Anrufe und gewährleistet damit Datenschutz.

 

Durch die Kooperation mit anderen Telefonseelsorgen ist eine Erreichbarkeit rund um die Uhr gewährleistet. Weitere Informationen, auch für Interessierte, die helfen möchten, gibt es hier.

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