SOZIALES

Mit der Kälte steigt die Gefahr

pn; 06.11.2020, 19:00 Uhr
Beispielfoto: José Manuel de Laá auf Pixabay
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Mit der Kälte steigt die Gefahr

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pn; 06.11.2020, 19:00 Uhr
Oberberg – Zahl der Wohnungslosen nimmt im Oberbergischen zu – In Zeiten der Corona-Pandemie fordert „Wohnhilfen Oberberg“ kurzfristige Lösungen – Winternotprogramm startet.

Von den Zahlen aus deutschen Großstädten ist man im Oberbergischen zwar noch weit entfernt, aber auch im ländlichen Raum nimmt die Zahl der Obdachlosen bzw. die der Menschen, die vom Leben auf der Straße bedroht sind, zunehmend zu. Verschärft wird die Situation zusätzlich durch die Corona-Pandemie. Damit wohnungslose Menschen in der Winterzeit nicht auf der Straße übernachten müssen, rufen die „Wohnhilfen Oberberg“ der Diakonie Michaelshoven dazu auf, sie in ihrer Arbeit zu unterstützen.

 

„In diesem Jahr haben wir eine besondere Situation, wir befinden uns seit mehreren Monaten in einem Ausnahmezustand, der sich auch auf unsere Arbeit auswirkt“, sagt Susanne Hahmann, Bereichsleiterin Wohnhilfen Oberberg und Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe. Ein besonders großes Thema ist im Oberbergischen Kreis die sogenannte verdeckte Wohnungslosigkeit. Dabei handelt es sich um Menschen, die nicht offen auf der Straße leben, sondern stetig zwischen Alternativen pendeln. „Junge Leute nennen das Couchsurfing“, erklärt Wilfried Fenner, Mitarbeiter im Projekt Aufsuchende Arbeit und Leiter Regionalteam Mitte.

 

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Projekt Aufsuchende Arbeit

 

Das Projekt wird seit 2016 in Kooperation der Wohnhilfen Oberberg, der Diakonie Michaelshoven und der VSB Gummersbach durchgeführt. Vier Mitarbeiter suchen regelmäßig Szenetreffpunkte auf, um Wohnungslose an das Hilfesystem (bspw. Systemsprenger) heranzuführen. In vier Jahren wurden etwa 450 bis 480 Menschen erreicht, die erfolgreich oder zumindest zeitweise wieder an ein normaleres Leben herangeführt wurden. „Wir wünschen uns, dass das auch in den kommenden anderthalb Jahren fortgesetzt werden kann“, sagt Hartwig Zehl, Projektleitung Aufsuchende Arbeit.

 

Rund 1.600 Hilfesuchende werden pro Jahr betreut. Verlässliche Statistiken zu verdeckt Wohnungslosen gibt es allerdings nicht, auch wenn es Bestrebungen auf Landesebene gebe, diese Zahlen genauer zu erfassen. Insgesamt sei aber ein deutlicher Anstieg – besonders in ländlichen Regionen - zu verzeichnen, sagt Fenner, der seit 20 Jahren aktiv hilft. „Von den Zahlen aus Großstädten sind wir glücklicherweise aber noch weit entfernt." Man erkenne wohnungslose Menschen häufig daran, dass sie mehrere Taschen, Rucksäcke oder einen Schlafsack mit sich führen. „Auch bei Menschen, die an Hauseingängen, am Bahnhof oder Bushaltestellen schlafen, sollte man aufmerksam werden“, führt er weiter aus. Das Gleiche gelte auch für Personen, die man regelmäßig antrifft, die immer wieder draußen sitzen und sich den ganzen Tag dort aufhalten.

 

In solchen Fällen setzt Wohnhilfen Oberberg auf die Mitarbeit der Bürger, die sich an die Beratungsbüros in Wipperfürth, Waldbröl und Gummersbach telefonisch oder per E-Mail wenden können. Die Mitarbeiter prüfen dann, ob ihnen die Person bekannt ist und was im konkreten Fall getan werden kann. Das kann von Beratungsmöglichkeiten von Essensstellen, eine warme Unterkunft oder Möglichkeiten sich zu duschen oder einfach nur das Handy aufzuladen, gehen. „Wichtig ist, dass wir diese Menschen versuchen, wieder an das System heranzuführen“, so Fenner, der weiß, dass viele Stellen im Freien, die im Sommer noch verlockend waren, im Winter sehr ungemütlich sein können.

 

[Grafik: Wohnhilfen Oberberg.]

 

Das „Horrorszenario“, dass Menschen draußen erfrieren, soll unbedingt vermieden werden. „Es gibt eine Verpflichtung der Unterbringung für die Kommunen, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht“, ergänzt Fenner. Dass Wohnungslose, die angebotene Hilfe verweigern, hat er noch nicht erlebt, auch wenn es manchmal mehrerer Gespräche bedürfe, um die Zurückhaltung der Betroffenen zu überwinden.

 

Ein besonderes Problem entsteht durch die Corona-Pandemie. Die Zahlen in den Notunterkünften steigen, Abstandsregeln seien immer schwerer einzuhalten. Die Menschen auf der Straße wissen häufig kaum etwas von den aktuell gültigen Verordnungen und haben auch Schwierigkeiten, sich vor Erkrankungen zu schützen. „Wir klären über die aktuelle Pandemie-Situation auf und verteilen bei Bedarf zum Beispiel Alltagsmasken“, sagt Hartwig Zehl. Bislang habe es keine Quarantäne-Fälle unter Wohnungslosen gegeben, in den Notunterkünften gebe es aber durchaus die Möglichkeit, dass Menschen in diesem Notfall voneinander getrennt leben könnten.

 

„Im ersten Lockdown von März bis Mai gab es unbürokratische Hilfe und Fördermittel vom Land. Darauf hoffen wir auch jetzt wieder. Aber anders als im Frühjahr können Beratungen und Essensausgaben nicht mehr draußen stattfinden“, sagt Susanne Hahmann, die es für notwendig hält, erneut die Möglichkeit zu haben, Spenden an Bedürftige in besonderen Notlagen zu verteilen. Wohnhilfe Oberberg ruft daher auch erstmalig auf, Winterschlafsäcke zu spenden.

 

Spenden sind über den Förderverein der Freunde der Wohnhilfen Oberberg auf die Kontonummer DE 73 3705 0299 0342 0027 66 möglich.

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