SOZIALES

„Rosa Briefe sind keine Liebesbriefe“

ks; 10.10.2023, 12:45 Uhr
Foto: Katharina Schmitz --- Haben an der symbolischen Spendenübergabe teilgenommen: (v.l.) Thomas Kröger, Mona Schmidt (beide AWO), Frank Grebe, Gunter Derksen (beide Sparkasse), Peter Rothausen (Caritas) sowie Kristina Schüttler, Thomas Hildner und Dr. Oliver Cremer (alle Diakonie).
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„Rosa Briefe sind keine Liebesbriefe“

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ks; 10.10.2023, 12:45 Uhr
Oberberg – Die oberbergischen Sparkassen unterstützen die Schuldnerberatungen der Wohlfahrtsverbände mit über 45.000 Euro – Verschuldung ist im Mittelstand angekommen.

Während in der Vergangenheit eine Verschuldung häufig mit einer Arbeitslosigkeit einherging, seien die Umstände heute vielfältiger. Ob die Auswirkungen der Coronapandemie, die Energiekrise, die Inflation, eine psychische Erkrankung oder auch der Eintritt in die Rente: immer mehr Menschen schlittern in die Schuldenfalle. „Die Haushaltseinkommen steigen zwar, aber die Ausgaben steigen noch stärker. Viele gehen an ihre Ersparnisse, in manchen Fällen sind diese aber schon aufgebraucht“, sagte Frank Grebe, Vorstandsvorsitzender der Gummersbacher Sparkasse, gestern im Rahmen eines Pressetermins.

 

Zusammen mit Gunter Derksen, dem Regionalvorstand der Kreissparkasse Köln im Oberbergischen Kreis, hat Grebe im Rahmen des Termins an Vertreter der drei Schuldnerberatungsstellen der Region einen symbolischen Spendenscheck überreicht. Rund 45.000 Euro sollen den Beratungsstellen von AWO, der Diakonie „Kirchenkreis An der Agger“ und der Caritas zufließen. Die Spende stamme aus einem speziell eingerichteten Fonds zur Mitfinanzierung der Schuldnerberatung und werde, je nach Mitarbeiterstärke, auf die drei Beratungsstellen aufgeteilt.

 

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Kristina Schüttler hat den Spendenscheck für die Beratungsstelle der Diakonie entgegengenommen. Die Einrichtungsleiterin rechnet in diesem Jahr mit einem starken Anstieg der Anfragen, sprach von einer Zunahme von 25 Prozent. „Die Verschuldung ist im Mittelstand angekommen. In den Köpfen ist das aber noch nicht angekommen“, sagte Schüttler und ergänzte, dass sich viele Betroffene trotz ihrer Situation gar nicht als „arm“ wahrnehmen würden.

 

Hätten viele der hilfesuchenden Menschen sonst über ein Jobcenter oder ein Sozialamt zu den Schuldnerberatungsstellen gefunden, weite sich die Klientel nun aus. Betroffen davon seien laut Caritasdirektor Peter Rothausen nicht zuletzt Menschen, „die es sonst mit Konsumverzicht geschafft“ hätten. Die aktuelle Situation belaste viele. „Doch zu schaffen macht das insbesondere älteren Menschen, die noch nie Schulden hatten“, so Rothausen.

 

Thomas Kröger (AWO) warf zudem einen Blick auf jüngere Altersgruppen, bei denen Bezahldienste wie PayPal, Amazon Pay oder auch Klarna sehr beliebt seien. Riskant sei außerdem die Methode „Buy Now, Pay Later“. Seien Rechnungen früher des Öfteren in Schuhkartons gesammelt worden, laufe heute vieles nur noch übers Handy. „Dabei verlieren die Leute den Überblick“, so Grebe.

 

Schüttler hat zudem den Eindruck, dass der Fokus verstärkt auf Jugendlichen liege: „Kreditkarten werden ihnen nachgeschmissen wie Smarties.“ Sorgen bereite ihr aber auch die App TikTok. So gebe es auf dem Videoportal Challenges darin, wer die meisten Schulden bei Klarna habe. Schüttler warnt und ruft Eltern zu mehr Achtsamkeit auf: „Rosa Briefe sind keine Liebesbriefe. Da steckt die Bezahlkarte von Klarna drin.“

 

Laut Derksen habe es in den vergangenen eineinhalb Jahren einen leichten Anstieg bei den Dispo- und den Kontokorrentkrediten gegeben. „Besorgniserregend ist das aber nicht“, sagte der Regionalvorstand aus Wipperfürth. Deutlich sei hingegen, dass der Wunsch vieler Kunden, sich Eigentum zu leisten, für viele unerschwinglich geworden sei. Außerdem befürchtet Derksen einen Rückgang bei der privaten Altersvorsorge.

 

Ist die Verschuldung einmal da, sei die Insolvenz für viele Betroffene der letzte Ausweg. „Jeder hat eine Chance und kann auch da rauskommen“, machte Kröger Mut. Wichtig sei es laut Rothausen, die Betroffenen aus der Lethargie und auch der Angst zu holen, gemeinsam Struktur und Stabilisation aufzubauen: Nicht zuletzt gebe das den Menschen ein neues Lebensgefühl. Was im Oberbergischen außerdem benötigt werde, sei die kreisweite Einrichtung eines Allgemeinen Sozialen Dienstes, der den Schuldnerberatungen vorgeschaltet werde.

 

Erste hilfreiche Tipps finden Betroffene in Erklärvideos der Diakonie.

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