REICHSHOF
Vom Azubi zum Bürgermeister: Ein halbes Jahrhundert im Dienst der Gemeinde
Reichshof – Erinnerungen, Anekdoten und prägende Ereignisse – Reichshofs Noch-Bürgermeister Rüdiger Gennies verlässt im Herbst das Rathaus und wirft zu seinem 50-jährigen Dienstjubiläum einen aufgeräumten Blick zurück.
Von Peter Notbohm
Reichshof in drei Wörtern: Das sind für Bürgermeister Rüdiger Gennies Vielfältigkeit, Innovation und Freundlichkeit. Seit 2009 ist er das kommunalpolitische Gesicht der Gemeinde. Doch in diesem September geht mit der anstehenden Kommunalwahl, zu der 65-Jährige nicht mehr antritt, nicht nur eine Ära als Verwaltungschef zu Ende, für Gennies ist der anstehende Ruhestand auch das Ende einer langen Karriere im Rathaus. Am heutigen Freitag feiert er sein 50-jähriges Dienstjubiläum, seinen Arbeitgeber hat er nie gewechselt.
Im August 1975 begann nach seinem Abschluss an der damaligen Hauptschule Eckenhagen mit der Ausbildung zum Verwaltungsangestellten seine berufliche Karriere. Ein Schritt, den er nie bereut hat und jederzeit wiederholen würde, sagt der gebürtige Bergneustädter im Gespräch mit Oberberg-Aktuell. Er hatte damals die Wahl zwischen einem Ausbildungsplatz beim Finanzamt, als Industriekaufmann oder bei der Gemeinde. Den Ausbildungsplatz im Rathaus bezeichnet er im Nachhinein als „Glücksfall“.
Gleich zu Beginn seiner Ausbildung prasselte viel auf den jungen Gennies ein. Seine Laufbahn begann noch im alten Rathaus: Reichshof war erst vor sechs Jahren aus den Gemeinden Denklingen und Eckenhagen entstanden, er erlebte die weitere kommunale Neugliederung des Oberbergischen Kreises live mit und auch den Umzug in das damals hochmoderne Rathaus in Denklingen im Juni 1976. Es folgten Lehrgänge, als Sachbearbeiter in der Hauptverwaltung baute er unter anderem das Beschaffungswesen der Gemeinde mit auf.
Der entscheidende Karriereschritt folgte 1986: Gregor Rolland wurde neuer Gemeindedirektor und Bernd Hombach sein Kämmerer. Der beförderte Gennies zum Finanzabteilungsleiter. „Zahlen waren immer ein Faible von mir“, erinnert sich Gennies. 2000 wurde er schließlich Kämmerer der Gemeinde und 2009 folgte die Wahl zum Bürgermeister.
Wie sich die Gemeinde seit 1975 verändert hat? „Massiv!“, sagt das Gemeindeoberhaupt. „Sie hat sich von einer notorischen Aufstockgemeinde zu einer finanzwirtschaftlich eigenständigen Gemeinde entwickelt“, blickt Gennies zurück. Bis zu sechs Millionen Mark bekam die Gemeinde in den 1980er Jahren vom Land, um ihren Haushalt ausgleichen zu können. 1989 gelang erstmals ein ausgeglichener Haushalt.
Das finanzielle Wachstum ist eng mit dem Gewerbegebiet Wenrath und der weiteren Ansiedlung vieler starker Unternehmen in der Gemeinde verbunden. Vorbei waren die Zeiten, in denen Reichshof von anderen nur als „Haferspanien“ bezeichnet und „am goldenen Zügel des Ausgleichsstock hängend“ müde belächelt wurde. Doch auch die Belastungen für die Gemeindekasse stiegen. Reichshof musste mehrfach in die Haushaltssicherung, kam aus dieser aber ebenso schnell heraus. „Das Konsolidieren des Haushalts hat mich immer begleitet“, sagt Gennies, der sich in finanziell schwierigen Zeiten in den Ruhestand verabschieden wird.
Nicht ohne Stolz blickt er auf seine 16 Jahre als Bürgermeister zurück. 132 Millionen Euro hat die Gemeinde in dieser Zeit in die Zukunft investiert. Ankerpunkte sind das Gebäudesanierungskonzept, das Integrierte Handlungskonzept, Dorferneuerungsmaßnahmen und LEADER-Fördermaßnahmen. Highlights sind für Gennies aber auch die Sicherung der Hausärzteversorgung in der Gemeinde, die Zusammenarbeit mit den Vereinen für neue Kunstrasenprojekte und vor allem, die Modernisierung der Feuerwehren.
Dass dabei nicht bei jeder Entscheidung im Rat und in der Bevölkerung „eitel Sonnenschein“ geherrscht habe, versteht sich von selbst, sagt Gennies, trotzdem würde er nichts anders machen. Besonders die Dichtheitsprüfung und die daraus resultierenden Kosten für die Bürger in Wildbergerhütte habe er bei seinen Wahlergebnissen gespürt. Eine enorme Kraft sei in der Ortschaft auch entstanden, als eine Bürgerinitiative gegen die vom Land geplante Forensik Sturm gelaufen ist.
Das Bürgermeisteramt hat Gennies, wie viele seiner Amtskollegen, immer als Privileg verstanden, seinen Führungsstil bezeichnet er als kollegial und offen. Dankbar ist er vor allem seiner zweiten Ehefrau, die ihm nicht nur jederzeit den Rücken freigehalten, sondern auch zu nahezu allen repräsentativen Veranstaltungen begleitet hat. „Und Ruhe bewahren und nicht an Hochdruck leiden, hilft auch“, ergänzt Gennies mit einem Lächeln.
Vermissen wird er nichts, glaubt er: „Alles hat seine Zeit. Ich werde mit Dankbarkeit zurückblicken, aber mich jetzt auch einmal anderen Dingen widmen.“ Damit meint er neben Zeit mit seiner Frau und seinem zweijährigen Enkel auch Renovierungsarbeiten an seinem Haus und die Verschönerung seines Gartens. Auch das Reisen soll nicht zu kurz kommen und ein altes Hobby wiederbelebt werden: das Angeln.
Auch seine Lieblingsanekdote aus 50 Jahren Verwaltung verrät Gennies im Gespräch. In seiner Zeit als Kämmerer habe es eines Tages an seiner Tür geklopft. Eine Bürgerin habe ihm von seltsamen Geräuschen auf ihrem Speicher berichtet. Seinen Marder-Verdacht als Urheber der Plagegeister bestätigte die Frau zwar, glaubte dabei allerdings auch, dass die Kämmerei den Kammerjäger beschäftige. Ein Missverständnis zum Schmunzeln, Gennies half der Bürgerin natürlich trotzdem weiter. Ein weiteres persönliches Highlight: Die Feierlichkeiten zu „850 Jahre Reichshof“ im Jahr 2017, die er als Bürgermeister begleiten durfte.
Seinem Nachfolger wünscht er viel Erfolg, will ihm aber keine guten Ratschläge mit auf den Weg geben: „Wenn ich raus bin, bin ich raus. Der neue Bürgermeister wird seine eigenen Visionen haben und umsetzen.“ Allerdings sieht Gennies schwierigere Verhältnisse auf die Gemeinde zukommen, nicht nur finanziell: „Auf die Kommunen kommen immer höhere Anforderungen zu und die Begrenzung des Schuldenmachens scheint keine Rolle mehr zu spielen. Zudem befürchte ich, dass wir nach der Kommunalwahl im Rat andere politische Verhältnisse haben werden.“
Trotzdem blickt er positiv in die Zukunft: „Besonders die Kraft unserer Vereine und die Gemeinschaft in der Gemeinde sind große Dinge, auf die wir bauen können.“
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