REICHSHOF

Umstrittener Straßenausbau: Für die Anlieger wird es teuer

pn; 29.04.2024, 15:45 Uhr
Fotos: Peter Notbohm ---- Die beiden Straßen „Auf dem Lehmel“ und „Im Drieschgarten“ müssen bis spätestens 2027 ausgebaut und abgerechnet sein. Sonst bleibt die Gemeinde auf den Kosten sitzen.
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Umstrittener Straßenausbau: Für die Anlieger wird es teuer

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pn; 29.04.2024, 15:45 Uhr
Reichshof – Nach 20 Jahren will die Gemeinde den Endausbau der beiden Heischeider Straßen „Auf dem Lehmel“ und „Im Drieschgarten“ durchführen – Anwohner und Teile der Politik sind dagegen - Gemeinde will bei der Finanzierung helfen.

Von Peter Notbohm

 

Seit Jahren beschäftigt der Zustand der Straßen in der Gemeinde Reichshof Verwaltung und Politik. In den Fokus gerückt sind nun allerdings zwei Straßen, deren Qualität im Vergleich zu manch anderer Straße noch verhältnismäßig gut ist. In den beiden Straßen „Auf dem Lehmel“ und „Im Drieschgarten“ in der Ortschaft Heischeid soll nach 20 Jahren der Endausbau stattfinden. Das hat nun der Gemeinderat mit Stimmen der CDU und FDP mit knapper Mehrheit (18 zu 15 Stimmen) beschlossen.

 

Die Gemeinde will sich mit dem Beschluss rechtlich absichern. Denn: Zwar hat die schwarz-grüne Landesregierung Ende Februar die umstrittenen Straßenausbaubeiträge (KAG) abgeschafft, hiervon nicht betroffen ist allerdings der Endausbau von erstmalig herzustellenden Straßen. Durch eine sich seit Jahren ändernde Rechtslage im Bereich der Abrechnungsfähigkeit von Straßen müsse die Gemeinde nun handeln, erklärt Sarah Schmidt, allgemeine Vertreterin des Bürgermeisters. Es gebe Urteile, wonach eine einfache Teerschicht ohne weitere Herstellungsmerkmale schon als endgültiger Ausbau angesehen werden können. Dies würde bedeuten, dass die gesetzliche Frist von 20 Jahren bereits laufe.

 

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Aktuell gebe es eine Übergangsfrist durch den Gesetzgeber, wonach Anlieger nach dem Eintreten der sogenannten Vorteilslage eine Deadline für den endgültigen Endausbau ausmachen können müssen (endet hier am 31. Dezember 2027). Werden die beiden Straßen in dieser Frist nicht ausgebaut und abgerechnet, bleibt die Gemeinde bei einem späteren Endausbau auf den kompletten Kosten sitzen und müsste auch den 90-prozentigen Anteil der Anlieger übernehmen. Der nun beschlossene Ausbau entspricht auch einer Empfehlung des Städte- und Gemeindebundes NRW.

 

Bei den beiden Straßen handelt es sich aus Sicht der Gemeinde um sogenannte Baustraßen, die noch nicht fertiggestellt wurden und somit keine KAG-Straßen sind. Beide waren seit Anfang der 2000er stets im Ausbaubauprogramm und im Haushalt festgehalten. Randbereiche sollen ergänzt werden und die endgültige Asphaltdeckschicht gezogen werden. Im Zuge der Arbeiten plant die Gemeinde neben der Instandsetzung einiger Teilbereiche (auf Gemeindekosten) außerdem die Wasserleitungen zu erneuern.

 

Für die Anlieger wird der Ausbau teuer. Zu Beginn des Jahrtausends mussten Anlieger der Straße „Auf dem Lehmel“ bereits 4,34 Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche zahlen. Die damalige Prognose: Beim Endausbau werden noch einmal 2,97 Euro fällig. Die Gemeinde geht inzwischen aufgrund von Inflation und explodierter Kosten in der Baubranche von zusätzlichen 7,50 bis 8,50 Euro aus. In der Straße „Im Drieschgarten“ sieht es ähnlich aus. 4,07 Euro wurden damals bereits bezahlt. Aus den prognostizierten zusätzlichen 2,81 Euro je Quadratmeter sollen im Endausbau nun 5,50 bis 6,60 Euro werden. „Das sind Hausnummern. Das ist uns bewusst“, sagt Sarah Schmidt. Die Gemeinde versichere aber, niemanden im Regen stehen zu lassen: „Die Beitragshöhe ist aufgrund der Inflation nicht mit damals vergleichbar. Wir werden mit allen Anliegern Lösungen besprechen und auch finden.“

 

[Aus Sicht von Teilen der Politik befinden sich die beiden Straßen nicht in einem Zustand, der einen sofortigen Endausbau rechtfertigt.]

 

Die FWO warb dafür den Ausbau zurückzustellen. „Der Zustand der Straßen erfordert keinen Ausbau. Wir haben viele schlechtere Straßen. Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass dort kein Anlieger mehr bauen will. Daher ist es nicht nachvollziehbar, gerade jetzt einen Ausbau durchzuführen“, sagte Reinhard Krumm. Er befürchtete weitere Fälle, die zu „massenhaften Verfahren“ gegen diese Gebührenbescheide führen könnten: „Wenn wir vorschnell agieren, beißt der Hund hier möglicherweise nicht den Letzten, sondern den Ersten.“

 

Jürgen Barth (Grüne) störte sich daran, dass es keine Bürgerbeteiligung gegeben habe, zudem erinnerte er daran, dass 2015 die CDU in einem anderen Fall in Wildberg noch gegen einen Ausbau gestimmt habe: „Hier dürfen wir aus Gründen der Gleichbehandlung keine andere Entscheidung treffen.“ Kritik übte auch Stephanie Schneider (SPD): „Bürgerbeteiligung ist für mich nicht, wenn Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt werden.“ Ihre Anfrage, ob man zumindest die 90-prozentige Anliegerbeteiligung reduzieren könnte, verneinte Bürgermeister Rüdiger Gennies aus Gleichbehandlungsgründen. Marlies Schirp (SPD) sprach von einem „20 Jahre lang verschlafenen Ausbau“.

 

Thomas Funke (CDU) warb indessen bei den betroffenen Eigentümern um Verständnis: „Das ist ein Thema der Gleichbehandlung und Gerechtigkeit. Die Straßen befinden sich im Neubau und werden erstmalig hergestellt. Wir wissen, dass es hier um viel Geld geht, aber bei allem Verständnis dürfen wir nicht unsere restlichen Bürger vergessen. Jeder Bauherr wurde zur Erschließung herangezogen.“ Auch Anja Krämer (FDP) sprach von einer klaren Faktenlage.

 

Neben den Straßen „Auf dem Lehmel“ und „Im Drieschgarten“ wird das Thema Reichshofs Politik demnächst wohl nochmals beschäftigen. Sarah Schmidt berichtete, dass dieselbe Problematik bei den Straßen „Sonnenhardt“ und „Auf dem Hardtfeld“ in Denklingen bestehen würde. Auch diese beiden Baustraßen müssen in der Frist ausgebaut werden.

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