RECHTECK

Wer krank feiert, der fliegt?

Red; 12.07.2014, 10:00 Uhr
RECHTECK

Wer krank feiert, der fliegt?

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Red; 12.07.2014, 10:00 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Heute geht es vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit als Kündigungsgrund.

Täuscht ein Arbeitnehmer unter Vorlage eines ärztlichen Attestes eine Arbeitsunfähigkeit vor und lässt sich also bezahlen, obwohl er nicht arbeitet, liegt regelmäßig für den Arbeitgeber ein wichtiger Grund vor, um das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen zu können. Soviel zu Theorie. Wie schwierig die erfolgreiche Kündigung in Fällen dieser Art aus Sicht des Arbeitgebers in der Praxis trotzdem sein kann, soll unser Beispielsfall verdeutlichen.

 

Die Arbeitgeberin, ein Betrieb der metallverarbeitenden Industrie, beschäftigt unseren Arbeitnehmer als Maschinenbediener. Der meldet sich krank und legt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die Arbeitgeberin traut dem Braten nicht und lässt den Maschinenbediener außer Diensten von einem Detektiv beobachten. Der beauftragte Sherlock Holmes trifft erstaunliche Feststellungen. Trotz der Krankschreibung kann unser Arbeitnehmer Auto fahren, im Baumarkt einkaufen, Holzbalken transportieren und seinem Schwager beim Bau seines Einfamilienhauses helfen. Nach getaner Arbeit auf der Baustelle wird der Arbeitnehmer beobachtet, wie er bis in die späten Abendstunden hinein bei bester Laune in seiner Stammkneipe Karten spielt.

 

Nach Durchsicht des Detektivberichtes, in dem jede einzelne Aktivität minutiös aufgelistet und mit Farbfotos dokumentiert ist, und kurzer unbefriedigender Anhörung des Patienten platzt der Arbeitgeberin der Kragen, sie kündigt fristlos. Der Arbeitnehmer klagt gegen die Kündigung, die Streithähne führen anschließend vor dem Arbeitsgericht einen regen Schriftverkehr und werden einige Monate später zur mündlichen Verhandlung in den Gerichtssaal eingeladen.

 

Der freundliche Richter lässt keinen Zweifel daran, dass das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Allerdings erklärt der Richter auch, dass die Arbeitgeberin im Kündigungsschutzprozess beweisen muss, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorgetäuscht hat. Nun gilt, dass die Vorlage des ärztlichen Attestes in der Regel beweist, dass tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitnehmer vorlag. Deshalb ist es zunächst einmal die Aufgabe der Arbeitgeberin, den Beweiswert dieser ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.

 

Dazu muss die Arbeitgeberin Umstände vortragen, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen (1. Schritt). Ist der Arbeitgeberin dies gelungen, liegt es am Arbeitnehmer, sich zu verteidigen. Er muss erklären, welche Krankheiten vorlagen, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat und ggf. welche Medikamente er mit der Folge eingenommen hat, dass er nicht arbeiten konnte (2. Schritt). Hat der Arbeitnehmer zu seiner Arbeitsunfähigkeit ergänzend vorgetragen, liegt es am Arbeitgeber, den Beweis der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit zu führen, indem er den Vortrag des Arbeitnehmers widerlegt (3. Schritt).

 

Die Rechtsauffassung des Arbeitsrichters, die der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes und der Landesarbeitsgerichte entspricht, ist für unsere Arbeitgeberin wenig erfreulich. Nach den zweifelsfrei dokumentierten Beobachtungen des Detektivs ging die Arbeitgeberin eigentlich davon aus, sie habe schon bewiesen, dass der Arbeitnehmer ein linker Vogel ist, der sich das ärztliche Attest erschlichen hat, weil er sich in Wahrheit bester Gesundheit erfreut. Der Arbeitnehmer hat aber im Prozess offengelegt, dass ihm wegen verschiedener Beschwerden in Verbindung mit schmerzhaften Muskelverspannungen Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde. Und bei diesem Krankheitsbild könne er zwar unmöglich die monotone Arbeit eines Maschinenbedieners im Betrieb der Arbeitgeberin ausführen. Arbeiten in ständig wechselnder Körperhaltung, wie sie typischerweise beim Ausbau eines Einfamilienhauses anfallen, seien demgegenüber nicht nur nicht genesungswidrig, sondern umgekehrt sogar geeignet, den Heilungsprozess zu fördern. Das sitzt.

 

Nach diesen Erklärungen des Arbeitnehmers steht für das Arbeitsgericht nämlich fest, dass unsere Arbeitgeberin  mit der Vorlage des Detektivberichtes zwar den Beweiswert des Attestes erschüttert hat (1. Schritt). Nach den Erklärungen des Arbeitnehmers (2. Schritt) reicht das aber nicht. Vielmehr muss die Arbeitgeberin nun noch beweisen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich auch die vom Detektiv beobachteten Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung nicht hätte ausführen können, wenn das behauptete Krankheitsbild tatsächlich vorlag (3. Schritt). Das alles läuft auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Arbeitsgericht hinaus. Und damit steht gleichzeitig fest, dass mit naturgemäß ungewissem Ausgang Mediziner entscheidend mitwirken, wenn abschließend vom Arbeitsgericht über die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung entschieden wird.

 

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