RECHTECK

Unfalltod durch Schokolade

Red; 19.10.2019, 09:45 Uhr
RECHTECK

Unfalltod durch Schokolade

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Red; 19.10.2019, 09:45 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um das Thema Unfallversicherung.

von Rechtsanwalt Ole Jürges

 

Nach dem tragischen Tod einer geistig behinderten 15-Jährigen, die an Heiligabend 2009 wohl unbemerkt nusshaltige Schokolade genascht hatte und an einer allergischen Reaktion verstorben war, muss der private Unfallversicherer der Mutter des Kindes nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München 27.000 Euro zahlen (Urteil vom 01.03.2012, Az. 14 U 2523/11).

 

Nach der Auffassung des OLG München stellt das versehentliche bzw. unbewusste Verzehren von Allergenen zusammen mit anderen Nahrungsstoffen im Privatversicherungsrecht einen versicherten Unfall dar.

 

Die Mutter des Kindes, die eine private Unfallversicherung abgeschlossen hatte, bei der das Kind mitversichert war, machte nach dem Tod der Tochter gegenüber dem Versicherer einen Betrag von 27.000 Euro geltend. Diesen Betrag schuldete der Versicherer als Todesfallleistung für den Fall eines Unfalltodes den gesetzlichen Erben. Der Versicherer weigerte sich zu zahlen. Er war der Ansicht, dass die Todesursache nicht geklärt sei und im Übrigen auch kein Unfall vorliege.

 

Nach der Definition des § 178 Absatz 2 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

 

Das Landgericht Memmingen hatte die Klage der Mutter auf die Versicherungssumme abgewiesen, da die hochallergische Reaktion als Todesursache jedenfalls nicht unter den Unfallbegriff falle. Ein willensgesteuerter normaler Verzehr von Vollmilchschokolade sei kein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis.

 

Diese Entscheidung hob das OLG München im Berufungsverfahren auf. Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens stand für den Senat fest, dass der Tod des Kindes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Folge einer allergischen Reaktion auf Nahrungsmittel war, wobei sehr vieles für eine Haselnussallergie sprach, letztlich aber nicht entscheidungserheblich war, welches Nahrungsmittel die fatalen Folgen auslöste. Mit großer Sicherheit hatte das Kind unbemerkt Schokoladetäfelchen von dem gedeckten Weihnachtstisch gegessen, die möglicherweise Nussbestandteile enthielten.

 

Das Erfordernis des von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses diene der Abgrenzung zu dem nur inneren Körpervorgang, so die Richter. Das Merkmal der Unfreiwilligkeit beziehe sich nicht auf die Einwirkung von außen, sondern auf die dadurch bewirkte Gesundheitsschädigung. Das maßgebliche Ereignis, welches hier die erste Gesundheitsschädigung unmittelbar ausgelöst habe, war das Aufeinandertreffen nusshaltiger Schokolade auf die Mundschleimhaut des Kindes. Diese wirkte von außen ein. Da die gesundheitsschädigende Einwirkung der Allergene auf den Körper des Kindes unfreiwillig und plötzlich, nämlich unerwartet innerhalb eines kurzen Zeitraums erfolgte, liege nach der Definition des § 178 Absatz 2 Satz 1 VVG ein Unfallgeschehen vor.

 

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