RECHTECK

Silvesterfeuerwerk – Augen auf und Fenster zu!

Red; 29.12.2016, 09:30 Uhr
RECHTECK

Silvesterfeuerwerk – Augen auf und Fenster zu!

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Red; 29.12.2016, 09:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um das Silvesterfeuerwerk.

Von Rechtsanwalt Andreas Günther, Fachanwalt für Familienrecht

 

3… 2… 1 – Prost Neujahr! China-Böller lassen die Luft erbeben, Kanonenschläge zerfetzen die letzten Reste weihnachtlicher Stille. Knallfrösche hüpfen ihres Weges. Ein Schwarm Vesuv-Raketen steigt steil in den Nachthimmel - von den grellen Blitzen könnte Justitia fast erneut erblinden.

 

Mehr oder weniger pünktlich startet am 31.12. wie immer das große Silvesterfeuerwerk. Fachhandel und Supermärkte bieten im Vorfeld ein unglaubliches Angebot an Feuerwerkskörpern aller Art und Größe an. Kein Wunder, dass hierbei auch einiges schiefgehen kann. Dann muss die blinde Justitia ohne Ansehen der Person über die Folgen richten.

 

Immer wieder kommt es an Silvester zu Personen- und Sachschäden durch Feuerwerk, leider mit teils tragischen Folgen. Wer haftet, wenn die abgefeuerte Rakete die Scheune des Nachbarn trifft? Oder ein verirrter Heuler am Oberkörper landet und zu Verbrennungen führt? Eines vorweg: wer absichtlich handelt ist dran. Es geht hier um die Fälle, wo etwas fahrlässig passiert, also bei „Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“. Dann kommen die sogenannten Verkehrssicherungspflichten ins Spiel. Gelten diese auch an Silvester?

 

Gerade dann, sollte man meinen. So hat der BGH zum Feuerwerk schon 1985 Grundsätze aufgestellt: „An die Voraussicht und Sorgfalt derjenigen Personen, die ein Feuerwerk veranstalten beziehungsweise entzünden, sind grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere müssen sie einen Standort wählen, von dem aus andere Personen oder Sachen nicht (ernsthaft) gefährdet werden. Da niemals ein Fehlstart von Raketen völlig ausgeschlossen werden kann, muss beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können.“

 

Aber Silvester ist eben etwas Besonderes. Im Jahr 2009 hatte der BGH über einen Scheunenbrand mit über 400.000 € Schaden - ausgelöst durch eine Rakete - zu entscheiden. Dabei hat er festgehalten: In der Silvesternacht und auch noch am Abend des Neujahrstags sind die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern herabgesetzt. Die Richter begründen dies mit dem Brauch, in dieser Zeit erlaubte Feuerwerkskörper zu zünden. In vielen Städten und Gemeinden sei dies üblich und auch zulässig. Auf diesen Brauch richtet sich der Verkehr (= die Öffentlichkeit) ein. Vom Besitzer eines Gebäudes sein zum Beispiel zu erwarten, dass er in der Silvesternacht und am Abend des 1. Januars Fenster und Türen seiner Gebäude schließt, um Vorsorge vor dem Eindringen von Feuerwerkskörpern zu treffen. Man muss also Maßnahmen zum Selbstschutz ergreifen.

 

Das entbindet aber denjenigen, der ein Feuerwerk zündet, nicht „von der Verantwortung dafür, die Feuerwerkskörper nur bestimmungsgemäß und unter Beachtung der Gebrauchsanleitung, insbesondere unter Einhaltung der vom Hersteller verlangten Sicherheitsvorkehrungen zu verwenden. Er ist auch nicht davon befreit, sorgfältig auf besondere Umstände zu achten, aufgrund derer das Abbrennen des Feuerwerks an der von ihm ausgewählten Stelle mit Gefahren verbunden sein kann.“ In diesem Fall musste der Raketenstarter aber nicht damit rechnen, dass sich die abdriftende Leuchtrakete unter die Enternitplatten der Scheunenverkleidung bohrte und diese abbrannte.

 

Selbstschutz kann auch die richtige – feuerfeste – Kleidung sein. In der Silvesternacht 2000/ 2001 erlitt ein zwölfjähriges Mädchen in Thüringen Verbrennungen 2. und 3. Grades, ausgelöst durch ein „Bienchen“ (eine kleinere Variante des „Kolibris“). Dieses Bienchen traf das Kind an den Beinen, dadurch geriet die Kleidung in Brand. Die Richter des OLG Thüringen aus Jena gaben dem Mädchen beziehungsweise deren Eltern ein 50-prozemtiges Mitverschulden: „Eine wesentliche Ursache der klägerseits entstandenen Verletzungen liegt in dem Tragen der leicht entzündlichen synthetischen Kleidung. Die Auswahl ungenügender Bekleidung beim Betrachten des in der Nähe gezündeten Feuerwerks ist der Klägerin zurechenbar, ob unmittelbar oder über das Verhalten ihrer erziehungsberechtigten Eltern. Gleiches gilt für die Teilnahme am Silvesterfeuerwerk.“

 

Die Gerichte nehmen also beide Seiten in die Pflicht. Der Feuerwerker muss die Augen offen halten, der Zuschauer sich auf die potentielle Gefahr vom Feuerwerk einstellen!

 

Mit diesem Wissen sind Sie jetzt gut gerüstet und können das Feuerwerk genießen – aber passen Sie auf lauernde Knallfrösche auf…

 

Das ganze Team von Fincke Rechtsanwälte wünscht Ihnen eine guten Start ins neue Jahr 2017!

  

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