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Von Rechtsanwalt Andreas Günther, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht
Unser RechtEck befasst sich heute mit einer Doppelzahlung nach einer gefälschten E-Mail. Muss ich die Rechnung noch mal bezahlen, wenn ich auf ein falsches Konto gezahlt habe? Ja, sagt das Landgericht Rostock in seinem Urteil vom 20. November 2024.
Der Fall: zwei Bauunternehmer (Maler und Generalunternehmer) schlossen einen Vertrag über Malerarbeiten. Der Malerbetrieb schickte eine Abschlagsrechnung über 37.730 Euro per E-Mail an den Generalunternehmer (GU). Die Rechnung war als pdf- Datei angehängt - ein heute üblicher Vorgang, der tausendfach geschieht. Am gleichen Tag (genau 21 Minuten später) erhielt der GU eine zweite E-Mail, der auch eine pdf-Datei beigefügt war. Diese war optisch nahezu identisch mit der ersten pdf-Datei. Sie unterschied sich aber im Briefkopf. Oben rechts war nicht die echte Bankverbindung des Malerbetriebs eingetragen, sondern eine andere Bankverbindung: „B. Bank“ anstatt „B. Sparkasse“.
Der GU überwies - wie er dachte - die 37.730 Euro an den Malerbetrieb. Die Zahlung ging natürlich nicht beim Malerbetrieb ein. Sie landete wohl irgendwo in den Niederlanden, dort verliert sich die Spur des Geldes. Es stellte sich heraus, dass die zweite E-Mail gefälscht war. Der Malerbetrieb verlangte weiter die Bezahlung seiner Abschlagsrechnung. Der GU zahlte nicht. Daraufhin erhob der Malerbetrieb Klage. Der beklagte GU verteidigte sich mit dem Einwand, dass er ja die Leistung schon erbracht habe. Gemäß § 362 Abs. 1 BGB sei Erfüllung eingetreten. Die erforderliche Leistung (= Zahlung des Rechnungsbetrages) sei erfolgt.
Dieses Argument ließ das LG Rostock nicht gelten. Die Erfüllung von Geldschulden durch Überweisung auf ein Konto des Gläubigers sei nur zulässig, wenn der Gläubiger mit dieser Form der Leistung auch einverstanden sei. Da zwischen den Parteien bereits vorher eine Geschäftsbeziehung bestand und Zahlungen über das korrekte Konto bei der B. Sparkasse abgewickelt wurden, konnte der GU also von dem grds. Einverständnis des Malerbetriebes ausgehen, dass er eine Rechnung auch durch Überweisung zahlen kann. Das bedeutet aber nicht, dass bei Angabe eines bestimmten Girokontos ein pauschales Einverständnis mit der Überweisung auf ein anderes Konto des Gläubigers vorliegt. Erst recht erstreckt sich das Einverständnis nicht auf Zahlung an einen wildfremden Dritten.
Auch Schadensersatzansprüche des GU gegen den Malerbetrieb scheiden aus – die wollte der GU dem Maler im Prozess entgegenhalten. Bei Versendung seiner E-Mail habe der Maler nicht gegen Schutzpflichten verstoßen. Er hätte insbesondere nicht die angehängte pdf- Datei verschlüsseln müssen. Auch sei das Mitverschulden des GU so hoch, dass er die alleinige Verantwortung für den (eigenen) Schaden trägt (§ 254 Abs. 1 BGB).
Die gefälschte E-Mail enthielt nämlich deutlich erkennbare Fehler: so sind Umlaute in der E-Mail nicht als Umlaute dargestellt worden, sondern mit der als HTML Sonderzeichen wie z.B. „Ü“ für „Ü“. In jedem Fall hätte dem GU die geänderte Bankverbindung auffallen müssen. Vor der Überweisung hätte er sich zudem bei dem Malerbetrieb vergewissern müssen, ob die Bankverbindung korrekt ist (so auch OLG Karlsruhe im Jahr 2023)
Wenn es doch so leicht wäre! Das OLG Schleswig hat in einem anderen Fall einen Monat später entschieden, dass die Rechnungs-pdf-Datei nach den Grundsätzen der DS-GVO per End-to-End-Verschlüsselung hätte gesichert werden müssen…
Die Rechtsfrage ist nicht noch abschließend geklärt. Also „Obacht!“ wie der Bayer sagt.
