RECHTECK

Flugverspätung und Champagner

Red; 13.07.2019, 10:30 Uhr
RECHTECK

Flugverspätung und Champagner

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Red; 13.07.2019, 10:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um das Thema Flugverspätungen.

Von Rechtsanwalt Devin Dick


Die Ferienzeit beginnt und damit auch das Chaos auf deutschen Flughäfen. Abfahrt zum Flughafen mitten in der Nacht, langes Anstehen und stundenlanges Warten gehören für viele zum Vorprogramm des Urlaubs. Besonders ärgerlich wird es, wenn man – am Flughafen angekommen – erfährt, dass der Flug sich verspätet oder sogar ganz annulliert wird.
Um anschließend nicht noch eine komplizierte Auseinandersetzung zur Frage, welche Ansprüche dem Fluggast jetzt zustehen, führen zu müssen, hat der europäische Verordnungsgeber schon im Jahr 2004 eine Verordnung verabschiedet, die Verbrauchern eine pauschale Entschädigung für Flugverspätungen und Annullierungen zuspricht. Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 bzw. Fluggastrechte-VO.


Verspätet sich ein Flug um mindestens 3 Stunden, dann hat der Fluggast je nach Flugstrecke des betreffenden Fluges einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 250, 400 oder 600 Euro gegen die Fluggesellschaft. Wird ein Flug annulliert und der Fluggast auf einen Ersatzflug am nächsten Tag verwiesen, hat er außerdem einen Anspruch darauf, Unterkunft und Verpflegung für die Wartezeit bis zum nächsten Flug zur Verfügung gestellt zu bekommen. Bekommt er diese nicht gestellt, hat er einen Anspruch darauf, dass die Fluggesellschaft ihm im Nachhinein die Kosten für Unterkunft und Verpflegung ersetzt, die er selbst dafür aufgebracht hat, soweit diese sich als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggastes durch die Fluggesellschaft auszugleichen.


Einen kuriosen Fall in diesem Zusammenhang hat im Mai das Amtsgericht Düsseldorf entschieden. Die Fluggäste, ein reisendes Paar, hatten erst am Flughafen erfahren, dass ihr Flug nicht stattfindet und sie erst am nächsten Tag die gebuchte Reise von Göteborg nach Düsseldorf in einem Ersatzflieger antreten könnten. Ein Hotel für die Nacht oder ein Essen im Flughafenrestaurant wurden ihnen nicht angeboten.


Also suchten sie selbst nach einem Hotel und gingen gut essen. Die hierbei entstandenen Kosten sind beachtlich. Für die Speisen gaben die beiden 157,33 EUR aus. Dazu gab es noch Bier und Wein für 40,79 EUR und anschließend Champagner und Dessertwein für weitere 44,97 EUR. Also Speisen und Getränke für stattliche 243,09 EUR. Ob diese Summe noch dem entspricht, was notwendig, angemessen und zumutbar ist, darüber hatte das Amtsgericht Düsseldorf zu entscheiden. Es gab dem reisenden Paar in voller Höhe Recht und begründete seine Entscheidung wie folgt:
„Es ist für das Amtsgericht Düsseldorf allgemein bekannt, dass zu einem gelungenen Essen nicht nur der Verzehr begleitender Biere und/oder Weine gehört, sondern darüber hinaus auch der Genuss von Champagner und Dessertwein, so dass sich auch diese Kosten als angemessen erweisen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist insoweit insbesondere zu berücksichtigen, dass gerade im Champagnersegment auch deutlich hochpreisigere Produkte angeboten werden.“ (AG Düsseldorf, Urteil vom 23. Mai 2019 – 27 C 257/18 –)


Neben der pauschalen Entschädigung für die Flugannullierung bekam das Paar also auch noch die Hotelkosten und die gesamten Kosten für das exklusive Essen zugesprochen.


Diese Entscheidung zeigt, dass Probleme mit dem Flug zwar ärgerlich sein können, die Kunden den Problemen aber nicht hilflos ausgeliefert sind und dem Ganzen sogar etwas Positives abgewinnen können. Sie sollte nicht dazu motivieren, sich bei einer Flugverspätung mit erlesenen Speisen den Bauch vollzuschlagen, da die Frage der Angemessenheit von anderen Gerichten durchaus anders bewertet werden könnte. Sie zeigt aber, dass es sich lohnt, seine Rechte, die der europäische Verordnungsgeber bewusst festgelegt hat, auch geltend zu machen.

 

 

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KOMMENTARE

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Die Airlines würden die Passagiere ja am liebsten mit einer Stulle und einem Glas (Leitungs)Wasser abspeisen. Deshalb sind die da auch meistens schnell damit, Gutscheine auszugeben. Ich würde mich aber nicht allzusehr auf das Urteil verlassen, ist ja schließlich nur ein Landgericht. Vielleicht hatten die Kläger ja erste Klasse gebucht, da könnte das eher angemessen sein.

Übrigens: Das Hotel gibt es tatsächlich erst, wenn die Verspätung über Nacht andauert. Verpflegung (und z.B. Telefonanrufe) sollte man aber schon nach wenigen Stunden kriegen - abhängig von der Strecke.

Robert, 15.07.2019, 15:56 Uhr
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