RECHTECK

Eigenbedarfskündigungen: BGH mahnt sorgfältige Aufklärung bei Härtefallklausel an

Red; 05.10.2019, 09:30 Uhr
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Eigenbedarfskündigungen: BGH mahnt sorgfältige Aufklärung bei Härtefallklausel an

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Red; 05.10.2019, 09:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um das Thema Mietrecht.

Von Rechtsanwalt Uwe Middelhauve, Fachanwalt für Mietrecht

 

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22.06.2019 seine Rechtsprechung zu der Frage präzisiert, wann ein Mieter nach einer ordentlichen Kündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen einer unzumutbaren Härte verlangen kann.

 

Im konkreten Fall hatte der Kläger eine vermietete Wohnung gekauft, die er mit seiner Frau und seinen zwei Kleinkindern selber bewohnen wollte. Der Mieterin kündigte er daher wegen Eigenbedarfs unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Das muss möglich sein – sollte man meinen.

 

Das Problem: Die Mieterin war 79 Jahre alt, demenzkrank und lebte seit über 42 Jahren in der Wohnung. Sie legte zudem ein Attest ihres Arztes vor, in dem ihr die Verschlechterung ihrer Demenz im Fall der Aufgabe ihrer Wohnung, durch den Verlust ihres gewohnten Umfeldes, bescheinigte wurde.

 

Nach § 574 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt. Ein solcher lag aber nicht vor.

 

Das Landgericht wies die Klage ab. Es sah zwar die Kündigung des Klägers als wirksam an, bejahte aber aufgrund des Alters der Mieterin das Vorliegen eines Härtegrundes und ordnete an, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird.

 

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück, insbesondere zum Bestehen von Härtegründen. Da auf Seiten des Vermieters wie auch auf Seiten des Mieters grundrechtlich geschützte Belange betroffen sind, sei eine umfassende Sachverhaltsaufklärung sowie eine besonders sorgfältige Abwägung erforderlich, ob im konkreten Fall die Interessen des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses diejenigen des Vermieters an dessen Beendigung überwiegen.

 

Hohes Alter und eine lange Mietdauer mit einer einhergehenden Verwurzelung im bisherigen Umfeld seien zwar im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Umstände. Je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung des Mieters wirken sich diese aber unterschiedlich stark aus. Sie reichen daher ohne weitere Aufklärung der sich hieraus ergebenden gesundheitlichen Folgen für den Mieter im Fall eines Umzugs grundsätzlich noch nicht aus, um einen Härtefall zu bejahen.

Mit Blick auf die bei der Mieterin festgestellte Demenzerkrankung gab der BGH dem Landgericht daher vor, von Amts wegen ein medizinisches Gutachten zu der Frage einzuholen, wie sich ein Umzug auf die Lebensweise und Autonomie der Mieterin sowie deren Demenzerkrankung auswirken werde.

 

Dabei sei auch von Bedeutung, ob und inwieweit sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen, durch Unterstützung im Umfeld und begleitende ärztliche und therapeutische Behandlungen für die Mieterin, mindern lassen könnten. Erst ein solches Gutachten versetze das Gericht in die Lage, eine angemessene Abwägung vorzunehmen.

BGH, Urteil vom 06. Juni 2019 – VIII ZR 180/19 –.

 (Quelle IMR)

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