RECHTECK

Blitzer: Bußgeldbescheid rechtswidrig

Red; 27.07.2019, 08:00 Uhr
RECHTECK

Blitzer: Bußgeldbescheid rechtswidrig

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Red; 27.07.2019, 08:00 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um das Thema Verkehrsrecht.

von Rechtsanwalt Rolf-Helmut Becker,

Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht, Bergneustadt

 

Paukenschlag aus dem Saarland. Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat mit Entscheidung vom 05.07.2019, AZ: Lv 7/17, ausgesprochen, dass die Messungen des Geschwindigkeitsmessgerätes Traffistar S350 nicht verwertbar sind.

 

Auch der Oberbergischen Kreis verwendet bei einigen Messungen dieses Messgerät der Firma Jenoptik. So u.a. auf der Westtangente zwischen Wiehl und Gummersbach. Worum geht es? Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Messungen mit Traffistar S350 verwertbar sind, da die Rohmessdaten zur nachträglichen Überprüfung einer Messung nicht zur Verfügung stehen. Der Verfassungsgerichthof stellte fest, dass die Daten nicht ausreichend sind, um dem Betroffenen seine Raserei im Nachhinein noch nachweisen zu können. Diese Daten werden nämlich bei diesem Messgerät nicht gespeichert.

 

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes stellte nun fest, dass der Fahrer aufgrund der unzureichend gespeicherten Daten des Messgerätes nicht in die Lage versetzt wird, sich effektiv zu verteidigen. Damit sei sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Dabei hatten sich die Richter vor ihrer Entscheidung zunächst bei den zuständigen Behörden über die Funktionsweise und die etwaigen Auffälligkeiten des Geräts erkundigt. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) teilte mit, dass im Nachhinein eine unabhängige Überprüfung des geeichten Messwertes nicht mehr möglich sei.

 

In diesem Zusammenhang sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass „staatliches Handeln nicht undurchschaubar sein dürfe“. Die Gerichte dürfen sich somit nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs grundsätzlich auf standardisiert erhobene Messdaten verlassen. Der Betroffene muss allerdings die Möglichkeit erhalten, das Messergebnis zu überprüfen, wenn er es denn möchte. Er müsse es in Zweifel ziehen und nachprüfen können. Da es problemlos möglich sei, die erforderlichen „Rohmessdaten zu speichern“, müsse Entsprechendes auch geschehen, um einen gültigen Bußgeldbescheid zu erhalten, befand der Verfassungsgerichtshof. Da die bislang verwandten Geräte eine solche Speicherung nicht vorsehen, wurden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Dies mit der Begründung, dass das Recht auf ein faires Verfahren Entsprechendes gebiete.

 

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes hat für die Messgeräte des Oberbergischen Kreises keine unmittelbare Auswirkung. Sie bindet allein die saarländischen Gerichte. Es kann indes nicht sein, dass nur im Saarland der Betroffene einen Anspruch darauf haben soll, dass die standardisierte Messung überprüft werden kann. Es darf erwartet werden, dass auch die anderen Bundesländer sich mit dieser Problematik auseinandersetzen und möglicherweise dem Bundesgerichtshof in Kürze Gelegenheit dazu geben, eine für alle Bundesländer einheitliche Entscheidung vorzugeben. Aktuell sollten entsprechende Bußgeldbescheide nicht kritiklos hingenommen werden. Der Hersteller dürfte gut beraten sein, seine Geräte insoweit nachzurüsten. Der Verfassungsgerichtshof hat schließlich ausgeführt:

 

„Zu den grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verurteilung einer Bürgerin oder eines Bürgers gehört, dass er die tatsächlichen Grundlagen seiner Verurteilung zur Kenntnis nehmen, sie in Zweifel ziehen und sie nachprüfen darf.

Staatliches Handeln darf in einem freiheitlichen Rechtsstaat für die Bürgerin und den Bürger nicht undurchschaubar sein.“

 

Dem ist nichts hinzuzufügen!

 

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