POLITIK

„Umsetzung darf keine Sankt-Nimmerleins-Geschichte werden“

lw; 25.06.2021, 14:59 Uhr
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„Umsetzung darf keine Sankt-Nimmerleins-Geschichte werden“

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lw; 25.06.2021, 14:59 Uhr
Oberberg – Kreistag verabschiedet neuen Bedarfsplan für den Rettungsdienst – Schweigeminute für Ralf Wurth – Schuleingangsuntersuchungen bleiben Thema.

Von Lars Weber

 

Neue Rettungswachen, mehr Standorte, mehr Fahrzeuge, mehr Personal und nicht zuletzt eine neue Leitstelle. Der im Mai erstmals vorgestellte neue Rettungsdienstbedarfsplan ist millionenschwer, die Verbände der Krankenkassen haben als Hauptgeldgeber aber bereits zugestimmt. Nun war die Politik an der Reihe. Die Kreistagsfraktionen und -gruppen lobten bei der Sitzung des Gremiums gestern in der Halle 32 das Werk, für das das Amt für Rettungsdienst und die Leitstelle verantwortlich zeichnen. Die Notwendigkeit bezweifelte niemand. Die Politiker gaben vor dem einstimmigen Votum der Verwaltung aber noch ein paar Denkansätze mit in die Sommerpause.

 

Der bisher geltende Plan ist noch von 2010. Um diesen bedarfsgerecht fortzuschreiben beziehungsweise zu ersetzen, hat das Team des Amts 38 monatelang Zahlen, Fakten und Daten der vergangenen Jahre gesammelt und ausgewertet. Entscheidend ist vor allem, in mindestens 90 Prozent der Fälle innerhalb von zwölf Minuten am Einsatzort zu sein. Ein Ziel, was nur in Gummersbach und Waldbröl dank Kliniknähe erreicht wird. Der Bedarfsplan führt nun genau aus, was sich an der Verteilung der Rettungswachen, der Fahrzeuge, der Menge an Personal oder auch der Ausstattung ändern muss, damit das Ziel künftig überall eingehalten werden kann (OA berichtete). Die Liste an Maßnahmen ist nicht nur lang, sie sollte auch innerhalb von nur fünf Jahren umgesetzt werden.

 

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Ina Albowitz (FDP/FWO/DU) ist klar, dass die Umsetzung kein einfaches Unterfangen werde. „Aber es darf auch keine Sankt-Nimmerleinsgeschichte werden.“ Sie regte deshalb an zu prüfen, ob es sinnvoll ist, Teile des Plans als Paket extern zu vergeben. „Fünf Jahre sind wirklich keine Ewigkeit“, weshalb es auch Teil der Beschlussfassung ist, dass die Verwaltung insbesondere mit einer sukzessiven Verstärkung des zur Aufgabenerledigung notwendigen Personals und der Beschaffung notwendiger Sachmittel frühestmöglich beginnt. Darauf drängte auch Wolfgang Brelöhr (SPD) mit Blick auf die benötigte Zahl an Sanitätern. Im Moment sind an der AGEWIS elf Notfallsanitäter-Azubis, die angepeilte Aufstockung auf 25 reiche aber nicht aus. „Die sind nur ein Ausgleich der Fluktuation, wir müssen noch mehr selbst ausbilden“, so Brelöhr.

 

Brelöhr kündigte zugleich einen Antrag aus den Reihen der Sozialdemokraten an für den Finanzausschuss. Ziel des Antrags ist es zu verhindern, dass im Laufe des Finanzierungsprozesses auf die allgemeine Rücklage des Kreises zurückgegriffen wird. „Die Finanzierung sollte gebührengestützt sein.“ Grünen-Fraktionsvorsitzende Andrea Saynisch unterstützte das Anliegen der SPD. Die Fraktion sieht eine Inanspruchnahme der allgemeinen Rücklage kritisch, wie auch eine Anfrage im Vorfeld zur Sitzung deutlich gemacht hatte.

 

Trotz der großen Herausforderungen, die vor Verwaltung und auch Kreistag in Sachen Umsetzung liegen, bereuen es die Kreistagsmitglieder nicht, den Rettungsdienst zu Beginn der Jahrtausendwende kommunalisiert zu haben. „Wir können froh darüber sein“, sagte Brelöhr. Und Ina Albowitz ergänzte: „Wir sind Herr im eigenen Haus geblieben. Das war eine der besten Entscheidungen, die wir in diesem Gremium je erarbeitet haben“.

 

Den gesamten Rettungsdienstbedarfsplan gibt es hier.

 

Aus dem Kreistag:

 

Die Verwaltung und die Mitglieder des Kreistags haben bei der Sitzung in der Halle 32 den plötzlich verstorbenen SPD-Politiker Ralf Wurth (OA berichtete) gewürdigt. Sein Platz als SPD-Fraktionschef ganz vorne blieb leer. Um ein Foto des 61-Jährigen legten die Anwesenden Blumen nieder. Landrat Jochen Hagt erinnerte vor einer Schweigeminute an die Verdienste und die Person Wurths, der seit 1984 dem Kreistag angehörte und mehr als zwei Jahrzehnte die SPD-Fraktion anführte. Er habe immer mit Nachdruck für seine sozialdemokratischen Überzeugungen eingestanden, war angriffslustig und habe die politische Diskussion niemals gescheut. Hagt schätzte seine Fachkompetenz und klare Haltung, obwohl sie fast immer unterschiedlicher Auffassung gewesen seien. „Ralf Wurth wird uns allen über Parteigrenzen hinweg fehlen. Er hat sich um den Kreis und deren Einwohner verdient gemacht.“ Für Wurth rückt Frank Mederlet (SPD) in den Kreistag nach.

 

Aufgrund der Pandemie im Kreis wurden und werden in diesem Jahr keine Einschulkinder zu Präsenzuntersuchungen eingeladen. Das alternative Prozedere (OA berichtete) ist zwar mit dem Landeszentrum Gesundheit abgeklärt und entspricht der Erlasslage des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, wird aber trotzdem von manchen Seiten kritisch gesehen. SPD-Fraktionsmitglied Friedhelm Julius Beucher nutzte den Mitteilungsteil des Kreistags, um einen Antrag zu dem Thema für den Gesundheits- und den Schulausschuss anzukündigen. Dabei soll die schnelle Rückkehr zu den üblichen Eingangsuntersuchungen gefordert und auch über die Gründe für das Aussetzen gesprochen werden. „Die medizinischen Schuleingangsuntersuchungen haben einen hohen Stellenwert“, so Beucher. „Kein Kind darf durchs Raster fallen!“ Kinder und Jugendliche seien ohnehin schon die „größten Verlierer der Krise“. Die Förderung der Schüler müsse von Beginn an optimal sein. Landrat Jochen Hagt erwiderte, dass ihnen die Wichtigkeit des Themas bewusst sei und intensive Gespräche mit allen Verantwortlichen liefen.

 

 

Nach Absprache zwischen den Fraktionen der SPD, der CDU oder der FDP/FWO/DU (OA berichtete) hat die Verwaltung einen Vorschlag für einen gemeinsamen Standpunkt für die „Schnelle Umsetzung der Machbarkeitsstudie ‚Oberbergische Bahn‘“ erarbeitet, auf den sich bei der Abstimmung gestern auch alle Fraktionen und Kreistagsgruppen einigen konnten. Wie Dr. Friedrich Wilke (FDP/FWO/DU) und Thorsten Konzelmann (SPD) sagten, war es ihnen wichtig, gegenüber NVR „mit einer Stimme“ sprechen zu können. Landrat Hagt bezeichnete den Beschluss als „wichtiges Zeichen“ für die Fördermittelgeber von Land und Bund. Laut dem Beschluss fordert der Kreistag den NVR auf, als Rahmenbedingungen bei der Umsetzung der Machbarkeitsstudie folgendes sicherzustellen: Elektrifizierung der Strecke von Köln bis Marienheide, das dreimal die Stunde im 20-Minuten-Takt erreicht werden soll, zudem eine umstiegsfreie Verbindung von Gummersbach bis Lüdenscheid mit Halt in Marienheide sowie langfristig einen weiteren Ausbau der Elektrifizierung bis Lüdenscheid.

 

Landrat Jochen Hagt stellte den Bericht zu rechtsradikalen, rassistischen und fremdenfeindlichen sowie antisemitischen Aktivitäten im Kreis vor. 2020 wurden 58 Straftaten erfasst, was einen minimalen Anstieg bedeutet (2019: 57, 2018: 75). Die Straftaten von Rechts sanken auf 41. Meistens handelte es sich um Aufkleber oder Graffitti. Die Anzahl von bekannten Reichsbürgern verringerte sich schlagartig von 166 in 2019 auf 29 im vergangenen Jahr. Grund dafür sei, dass bislang auch ungeprüfte Verdachtsfälle in der Statistik geführt worden seien. Im vergangenen Jahr hat der Staatsschutz alle Menschen überprüft. Linksmotivierte Straftaten gab es eine (2019: sechs), dabei handelte es sich um Sachbeschädigung.

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