POLITIK

Streit um Wohngebiet: „Gigantismus a la Chorweiler“

bv; 22.06.2021, 18:00 Uhr
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Streit um Wohngebiet: „Gigantismus a la Chorweiler“

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bv; 22.06.2021, 18:00 Uhr
Lindlar – CDU und Bürgerinitiative werfen neuer Ratsmehrheit vor, bei der Bebauung des Bereichs „Jugendherberge“ wortbrüchig geworden zu sein.

Eigentlich freut man sich ja in Kommunen, wenn es überhaupt die Chance gibt, neue Wohngebiete zu erschließen. Der Bedarf im Oberbergischen besteht an zahlreichen Stellen, die Nachfrage ist zum Teil enorm, doch es fehlen oft Bebauungspläne, die überhaupt eine Erweiterungsmöglichkeit bieten. Naturschutzbelange und Regionalplanungen stehen Wohngebieten entgegen.

 

In Lindlar liegen die Dinge anders. Die Gemeinde erlebt seit Jahren einen Anfrageboom, freier, gar preiswerter Wohnraum ist begehrt, aber kaum zu finden. Deshalb plant die Gemeinde nun an drei Stellen im Hauptort einen Ausbau der Wohnbebauung. Bis zu 50 Wohneinheiten sollen „Am Altenlinder Feld“ entstehen, am „Kirschbäumchen“ sind es drei Mehrfamilienhäuser, die in Planung sind. Das mit Abstand größte Projekt ist jedoch das Baugebiet „Jugendherberge“. Doch hierüber ist jetzt beinharter Streit entbrannt. Die CDU wirft den übrigen Ratsparteien „Gigantismus a la Köln-Chorweiler“ vor und in einer Bürgerinitiative formiert sich Widerstand.

 

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Bis zur vergangenen Kommunalwahl 2020 waren die Verhältnisse eindeutig. Die CDU regierte mit absoluter Mehrheit – und so hatte man  beschlossen, an der Jugendherberge rund 70 Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese zu planen. Die Wahl veränderte alles. Die aktuelle Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP setzte andere Schwerpunkte. Neben Einfamilienhäusern sollen jetzt auf einer erweiterten Fläche auch Reihen- und Mehrfamilienhäuser Platz finden und so bis zu 270 Wohneinheiten möglich machen. Und dieses Vorhaben stößt derzeit auf herbe Kritik. Die CDU, die inzwischen Oppositionspartei ist, beschuldigt die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP, sämtliche Wahlversprechen gebrochen zu haben, die Interessen der Menschen zu missachten und Fragen zur notwendigen Infrastruktur auszublenden.

 

„Vor der Wahl haben diese drei Parteien unsere Pläne als nicht maßvoll bezeichnet, und jetzt zerstören sie Lindlars ländliche Identität“, so CDU-Sprecher Armin Brückmann. Offenbar sei geplant, billiges Bauland für einen groß angelegten Zuzug aus Großstädten zu Verfügung zu stellen, heißt es in einer Mitteilung der Christdemokraten. Bei der CDU befürchtet man aufgrund der Größenordnung des Baugebiets gravierende soziale Folgen und kritisiert, dass die übrigen Parteien Lösungen aus der Stadt nach Lindlar übertragen wollten.

 

Auch bei „#lindlarlike“, einer Interessengruppe, die sich in dieser Woche zur Bürgerinitiative formiert, ist der Unmut gewaltig. Man habe „mit Entsetzen“ die Planungsentwürfe zur Kenntnis genommen. Statt einer nachhaltigen, sanften und ortsgerechten Erweiterung der Wohnbebauung werde jetzt das Gegenteil geplant. „Diese massive Überplanung der Fläche lässt uns Bürgerinnen und Bürger fassungslos zurück und wirft zahlreiche Fragen auf“, heißt es in einem offenen Brief von #lindlarlike.

 

Man befürchte, dass an den Interessen der in Lindlar bereits wohnenden Menschen vorbei Fakten geschaffen würden. Bürgerbeteiligung und Transparenz seien jetzt zwingend notwendig. Schließlich bedeuteten 600 geplante Neubürger eine Zunahme der Verkehrsströme und die Notwendigkeit, sämtliche infrastrukturellen Planungen auf den Prüfstand zu stellen.

 

Die Kritik ficht SPD-Fraktionschef Michael Scherer nicht an. Dass die Pläne jetzt erst so kurzfristig öffentlich gemacht worden seien, habe mit rechtlichen Vorgaben zu tun. „Natürlich wollen wir jetzt die Bürger mit ins Boot holen und mit ihnen über den besten Weg diskutieren“, so Scherer. Die SPD habe im Übrigen bereits vor der Wahl deutlich gemacht, dass sie soziale Aspekte und eine moderne Quartiersentwicklung im Gebiet an der Jugendherberge befürworte. Daran habe sich nichts geändert.

 

„Wir haben einen enormen Druck auf dem Wohnungsmarkt. Aber wir brauchen eben auch Wohnraum, der bezahlbar ist“, so der Sozialdemokrat. Die Pläne, die derzeit auf dem Tisch lägen, „kommen unseren Vorstellungen sehr nahe“. In den kommenden Wochen und Monaten werde man im politischen Raum und mit den Bürgern versuchen, die bestmögliche Lösung zu finden.

KOMMENTARE

1

Traurig das nur noch Mehrfamilienhäuser gebaut werden.

Werner von Lummel, 22.06.2021, 19:49 Uhr
2

Ich finde es schade das das ländliche Aspekte zerstört werden sollen. In Lindlar habe ich meine Jugendzeit verbracht und das Bild eines idyllischen Ortes noch im Kopf. Wenn ich aber höre das dort jetzt Mehrfamilienhäuser gebaut werden sollen sträuben sich mir die Nackenhaare. Es passt absolut nicht ins Land bzw Ortsbild. Soll jetzt die Struktur Richtung gross stadt gehen und alles dafür geopfert werden was den Ort so attraktiv gemacht hat? Ich finde es schade das so mit dem Kulturerbe und der Landschaft umgegangen wird. Dazu muss man sagen das viele Politiker aus der Gegend selbst dort auf gewachsen sind und nicht daran denken das sie dem Landschaftsbild schaden. Als Kinder haben sie sich selbst gefreut auf den wiesen Ball fangen oder der gleichen spielen zu können. Schade schade alles

Christian , 24.06.2021, 10:42 Uhr
3

Vielleicht sollte erst einmal die Vorstellung des Projekts abgewartet werden,auch und besonders im Hinblick auf die Infrastruktur.
Dabei frage ich mich:sind das die ersten Mehrfamilienhäuser in der Gemeinde??…
Am ehemaligen Krankenhaus haben wir das Gegenbeispiel von reichlich Wohneinheiten für „Privilegierte“;was ist da,wenn es die solventen Rentner nicht mehr gibt (was absehbar ist)?
Also:schauen wir,welche Anregungen und Bedenken aus der Bevölkerung kommen;es gibt genügend Raum für Skepsis,Empörung und vielleicht ja auch Zustimmung.?‍♀️

Karin Fischer, 26.06.2021, 16:25 Uhr
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